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EE-Gesetz 2012? Diskussion über Chancen und Gefahren.

Seit Inkrafttreten des Erneuerbare-Energie-Gesetzes 2012 (EEG 2012) zu Jahresbeginn gibt es immer wieder kritische Stimmen zu den Beschlüssen. Vor allem Unternehmen, die in der täglichen Praxis Biomasse(heiz)kraftwerke mit Materialien der Einsatzstoff-vergütungsklasse II beliefern, sehen sich mit neuen Anforderungen konfrontiert und müssen diesen gerecht werden. Materialdefinitionen und ein umfangreicher Herkunftsnachweis erschweren jedoch die Abläufe.

Für die holzige Biomasse schließen sich mit dem neuen EEG etliche Schlupflöcher. Der Begriff des viel diskutierten „Landschaftspflegematerials“ spielt keine Rolle mehr, stattdessen gibt es für die einzelnen Einsatzstoffvergütungsklassen präzise Beschreibungen. Energiepflanzen, die bislang über den Nawaro-Bonus gefördert wurden, fallen jetzt in die Vergütungsklasse I. Einsatzstoffe, die geringe Nutzungskonkurrenzen aufweisen und deren Verwendung einen hohen Beitrag für den Klimaschutz leistet, zählen zur Vergütungsklasse II.

Umstritten ist derzeit, zu welchen Anteilen die einzelnen Einsatzstoffvergütungs-klassen in neuen Projekten realisiert werden können. Viele Projektierer und Investoren benötigen für eine seriöse Kalkulation genaue Angaben über die voraussichtlich zu liefernden Materialien. Derzeit liegen aber noch keine aktuellen Verfügbarkeitszahlen vor. Eine Ermittlung dieser Daten erweist sich aufgrund unterschiedlicher systematischerAnsätze als schwierig. Weder wissenschaftliche Arbeiten, in Form von Karten- und Luftbildauswertung, noch die Zusammenarbeit mit zuständigen Behörden können, laut Dipl.-Ing. agr. Christian Letalik, Projektmanagement Festbrennstoffe bei C.A.R.M.E.N. (Centrales Agrar-Rohstoff-Marketing- und Entwicklungs-Netzwerk e.V.), belastbare Zahlen über das Materialaufkommen liefern.

Hundertprozentige Versorgung der Kraftwerke mit Material der Einsatzstoffvergütungsklasse II umstritten

Biomasse(heiz)kraftwerke (BMHKW) streben aufgrund der erhöhten Bonizahlungen eine Vollversorgung mit Material der Einsatzstoffvergütungsklasse II an. Experten der Branche diskutieren jedoch heftig, ob diese Idealbedingungen in der Praxis umsetzbar sind. Als Einsatzstoffe der Vergütungsklasse II stehen hauptsächlich folgende drei Rohstoffgruppen zur Verfügung: Material aus Kurzumtrieb, wobei die Plantage nicht größer als 10 Hektar sein darf, Baum- und Strauchschnitt aus klassischen Naturschutzmaßnahmen sowie Landschaftspflegeholz, dass bei Pflegearbeiten entlang von Straßen, Bahntrassen oder Wasserwegen gewonnen wird. Für Letalik scheint eine hundertprozentige Belieferung der Kraftwerke mit diesem Material nur in wenigen Einzelfällen realisierbar. Derzeit werde mehr Menge verplant als am Markt verfügbar sei, begründeter. Eine Chance, BMHKW ausreichend zu versorgen, sieht er dann gegeben, wenn der Zulieferer eng mit Kommunen oder Autobahnmeistereien zusammenarbeitet und das gesicherte Landschaftspflegeholz direkt vor Ort vermarktet werden kann.

Arnd Brüning, Geschäftsführer des selbst ernannten Marktführers in der Vollversorgung von Biomasse(heiz)kraftwerken, der Brüning-Megawatt GmbH, hält das Bestreben der Investoren, manche Anlagen zu 100 Prozent mit Material der Einsatzstoffvergütungsklasse II zu versorgen, aus kaufmännischer Sicht für durchaus wünschenswert, betont aber gleichzeitig, dass es zu Problemen führen wird und vom Gesetzgeber so nicht gewollt sei. Er beziffert die heutigen Beliefermöglichkeiten bei einem Kraftwerk mit einem Jahresbedarf von 65.000 Tonnen lutro Brennstoff, auf maximal 20 Prozent. Zu berücksichtigen sei erfahrungsgemäß auch der Standort des Kraftwerks, der zu Verschiebungen führen kann. Alles, was aus großen Entfernungen zum Kraftwerk gefahren wird, hat unmittelbare Preissteigerungen zur Folge, die der Bonus jedoch nicht hergäbe.

Umfangreicher Herkunftsnachweis nach neuem EEG

Neben der Menge spielt auch die Materialherkunft eine entscheidende Rolle im EEG 2012. Diese muss über das qualifizierte Einsatzstofftagebuch beim Kraftwerk und die dort von einem unabhängigen Umweltgutachter überprüften, hinterlegten Liefer-, Wiege- und Begleitscheine, aus denen die Art und die Menge des Material hervorgeht, nachgewiesen werden. Bei diesem Prozess entsteht ein Gutachten, das der Anlagen-betreiber dem Stromnetzbetreiber vorlegen muss. Gibt es mehrere Lieferanten für ein Kraftwerk, sind diese nach Auftrag des Kraftwerksbetreibers verpflichtet, die Rechtskonformität ihrer Lieferungen zu belegen. Die Lieferanten stehen weiterhin in der Pflicht, die jeweilige Herkunft der Materialien detailliert, also mittels Nennung der Baustelle etc., nachzuweisen. Ein Teil der Baustellen, an denen das Holz geerntet wurde, wird im Rahmen der Materialbegutachtung vor Ort durch den zuständigen Umweltgutachter in Augenschein genommen.

Falls die Materialien von verschiedenen Sammelplätzen oder Kompostierungsanlagen stammen, reicht es nicht aus, die dort angelieferten Rohstoffe zu bilanzieren, um dann quotal die entsprechenden Mengen der einzelnen Einsatzstoffvergütungsklassen wieder auszuliefern. Für eine Verwertung entsprechend des neuen EEGs muss das gesammelte Material in verschiedene Haufwerke angelegt und die Herkünfte festgehalten werden.

Durch die neuen Regelungen werden die Altanlagen, die Landschaftspflegematerial verwerten und den entsprechenden Bonus auf dessen Einsatz bekommen, geschützt. Die hier genutzten Materialien aus Garten- und Parkabfällen oder holzigem Grünschnitt von Sammelplätzen werden nach dem neuen EEG nicht besser bonifiziert. Ganz im Gegenteil, die Sammlung und der Herkunftsnachweis dieses Materials ist einfacher und in die Praxis eingeführt.

Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in der Praxis

„Schnittgut aus Privatgärten, das über die Wertstoffhöfe in Gemeinden und Städten anfällt, wird im Bereich der Einsatzstoffvergütungsklasse II nicht mehr berücksichtigt,“ erklärt Letalik. Diese Regelung ist für den Mitarbeiter der C.A.R.M.E.N. e.V. durchaus berechtigt, denn das grobe Material ist notwendiger Bestandteil im Kompostierungskreislauf. Man müsse sich bewusst sein, dass nur 15 bis 20 Prozent des gesamt anfallenden Grünguts zu Holzbrennstoff aufbereitet werde. Und das nach dem bestmöglichen verfügbaren Stand der Technik, um mit hochwertigen Qualitätsbrennstoffen den Ansprüchen der jeweiligen Feuerungsanlage gerecht zu werden, so Letalik. Der weitaus größere Teil der Garten- und Parkabfälle wird somit zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwertung in den rund 1.000 Kompostwerken Deutschlands kompostiert.

Der Verband der Humus- und Erdenwirtschaft Region Nord e.V. (VHE-Nord) weist zudem darauf hin, „dass Stoffe, die dem Abfallrecht unterliegen, insbesondere die Garten- und Parkabfälle, auch eine entsprechende Behandlung nach der BioAbfV erfahren, und hierdurch der stofflichen vor der thermischen Nutzung der Vorrang eingeräumt wird.“

Diese Kaskadennutzung setzt die Brüning-Megawatt GmbH bereits um. Für die thermische Verwertung werden allein Energiehölzer eingesetzt, die in der industriellen Produktion keine Anwendung finden. Straßenbegleitholz ist ein gutes Beispiel für nachwachsende Festbrennstoffe. Arnd Brüning äußert jedoch Bedenken, dass mit dem neuen EEG plötzlich Standorte mit hoher Straßendichte interessanter als Standorte im Wald werden könnten. Auch kann Straßenbegleitholz nicht ganzjährig geerntet werden. Die Planung einer wirtschaftlich effektiven Zwischenlagerung wird zwangläufig nötig sein. Für den reibungslosen Herkunfts-nachweis, wie er nach dem EEG 2012 gefordert ist, müsste man das Material eigentlich auf direktem Wege von der Baustelle zum Kraftwerk bringen. Jede Lagerung auf einem Sammelplatz wird zu Problemen mit dem Nachweis führen, ist sich Brüning, der über jahrelange Erfahrungen in der Belieferung von BMHKW verfügt, sicher.

Dipl.-Ing. agr. Letalik dagegen hält die Rückverfolgbarkeit des Materials aus Sicht der Unternehmen durchaus für machbar. „Es hängt alles von einer konsequenten Durchführung des Lieferscheinverfahrens ab“, begründet er. Schließlich könne niemand nur anhand der Optik eines Hackguthaufens bestimmen, wo dieser seinen Ursprung hatte. Umweltgutachter ThorstenGrantner, Inhaber der OmniCert GmbH, sieht in der Verpflichtung zu einer lückenlosen Dokumentation große Chancen für die Biomassebranche: Zum einen bietet ein gut aufgebautes Nachweismanagement die Möglichkeit, Geschäftsprozesse über die gesamte Lieferkette zu optimieren und somit eine Professionalisierung aller beteiligten Parteien voranzutreiben. Zum anderen profitiert so die gesamte Branche auch in ihrer Außenwirkung, da aufgezeigt werden kann, ob und in welchem Maß überhaupt Nutzungskonkurrenzen vorliegen. Eine fachlich fundierte, unabhängige Begutachtung der Lieferkette zeigt wirtschaftliche Potentiale auf und steigert die politische und öffentliche Akzeptanz, was schlussendlich die langfristige – sprich nachhaltige – Zukunft der Branche sichert.“

Dennoch sei der neue komplexe Weg des Herkunftsnachweises in der Praxis nur unter großem Aufwand einzuhalten, kontert Brüning, denn je mehr kleine Materialmengen auf einem Sammelplatz gelagert werden, desto größer ist der bürokratische Aufwand und der geordnete Abtransport zum Kraftwerk. Gleichzeitig warnt er vor einem zu laxem Umgang mit dem Nachweisverfahren, da die Beschreibungen im Gesetz sehr genau seien und der Gesetzgeber ein Auswuchern der Bonizahlungen sicher nicht gewollt habe.

„Das neue EEG sorgt somit für den Schutz der Alt-Nawaroanlagen“, stellt Brüning zusammenfassend fest. „Im Grunde wird der höchste Vergütungssatz nur dann erreicht, wenn sehr spezielle Materialien zugefahren werden. Dadurch ist der Anreiz, Neuanlagen zu errichten gesenkt.“ Die Rohstoffpotenziale seien aber noch nicht komplett ausgeschöpft und die Ernte durchaus optimierbar. „Diese Situation gibt Hoffnung, dass in Deutschland noch Platz für eine ganze Reihe von Kraftwerken ist“, zeigt sich Brüning optimistisch. Allerdings zweifelt er an, dass ausreichend Material für eine Verdoppelung bereitsteht.

Laut einem Bericht der C.A.M.E.N. e.V., der sich mit dem Thema „Aufbereitung und Energetische Nutzung von holzigem Landschaftspflegematerial“ (Stand: Anfang 2012; Autor: Dipl.-Ing. agr.Christian Letalik) beschäftigt, gehen Zukunftsprognosen des Bundesumweltministeriums davon aus, „dass sich die Wachstumsdynamik im Bereich Biomasse in Zukunft stetig verlangsamen und im Jahr 2030 voraussichtlich endgültig zum Erliegen kommen wird. Bis dahin soll die Biomasse allerdings bis zu 15 Prozent zum gesamten Endenergieverbrauch inder BRD beitragen, was nahezu einer Verdopplung der aktuellen 8 Prozent Quote gleichkäme.“

Ein Import von Biomasse sei derzeit aber nicht möglich, spricht Brüning eine mögliche Auswirkung des Berichts an. Die Ausgestaltung des EEGs mache den Rohstoffimport wirtschaftlich nicht interessant genug. Abschließend formuliert der Geschäftsführer der Brüning-Megawatt GmbH seine Vorstellung über die wirtschaftliche Entwicklung des Marktes: „Aus meiner Sicht sollte Deutschland ein Biomasseimportland werden. Dazu sind Standorte mit Hafenanbindung nötig und eventuell eine Förderung des Imports.“

Quelle

Brüning-Megawatt GmbH 2012

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