Eigenverbrauch wird interessanter als Einspeisung
Die neue Bundesregierung hat endlich ihre Arbeit aufnehmen können. Das Thema der Energiewende steht weit oben auf der Agenda. Dabei gibt es zweierlei Aufgaben. Dringend ist die Frage der Umlage aus dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) anzugehen, die den Strompreis erhöht. Die von der schwarz-gelben Koalition eingeführten, sehr großzügigen Ausnahmeregelungen werden von der EU-Kommission als illegale Subventionen betrachtet und bedürfen dringender Revision. Eicke Weber fordert Änderungen bei der EEG-Umlage und mehr Stromerzeugung durch die Verbraucher. Kommentar von Eicke R. Weber
Zweitens gibt es aber auch eine fundamentalere, langfristige Aufgabe: Wir haben uns mit anfänglich sehr großer Begeisterung auf eine Energiewende eingelassen, eine fundamentale Umstellung unseres Energiesystems hin zu sparsamer Nutzung von schließlich nahezu 100 Prozent erneuerbarer Energie. Die große Unterstützung dieser letztendlich gesellschaftlichen Aufgabe wurde durch das Erlebnis von Fukushima entscheidend verstärkt. Nach einer repräsentativen Umfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) lag die Zustimmung dazu im vergangenen September bei über neunzig Prozent der Befragten. Vor uns liegt aber noch die große Aufgabe, diesen Prozess zu koordinieren und zu kanalisieren, damit die Fortschritte der einzelnen Komponenten vernünftig ineinander greifen.
Grundlage der EEG-Umlage ist der 2002 eingeführte Einspeisetarif für Strom aus erneuerbarer Erzeugung, besonders aus Sonnen- und Windenergie. Stromversorger sind gesetzlich verpflichtet, derartigen Strom zu einem für 20 Jahre festgelegten Preis abzunehmen. Der so entstehende Mehraufwand sollte vergütet werden. Aber statt zu versuchen diesen Mehraufwand realistisch zu berechnen, sieht das EEG einfach vor, die Differenz der Einspeisetarife zum durchschnittlichen Strompreis an der Leipziger Strombörse EEX zu vergüten.
Die zunehmende Einspeisung von Solar- und Windstrom und auch billiger Kohlestrom haben aber den EEX-Strompreis auf unter vier Cent pro Kilowattstunde gedrückt und damit die EEG-Umlage unnötig erhöht. Die Stromkonzerne beziehen aber nur rund ein Viertel ihres Bedarfs über die EEX, für die restliche Strommenge gibt es ganz andere, auch langfristige Verträge.
Eine erste Maßnahme sollte daher sein, den Bezug der EEG-Umlage zum EEX-Strompreis durch einen von Fachleuten jährlich zu bestimmenden, realistischen Referenz-Strompreis der Stromversorger zu ersetzen.
Ein zweites Thema sind die Ausnahmen, die dringend auf Firmen beschränkt werden müssen, die durch die EEG-Umlage tatsächlich im internationalen Wettbewerb Nachteile erleiden. Alle anderen Groß- wie auch Kleinverbraucher sollten zunehmend selbst erneuerbaren Strom herstellen: Strom aus Wind und Sonne kostet in der Herstellung in Deutschland bereits zum Teil deutlich weniger als zehn Cent pro Kilowattstunde, und die meisten Firmen haben große Dach- und Parkplatzflächen, die zur Ernte von Solarstrom geeignet sind. Selbst Mieter können sich an Genossenschaften beteiligen und gemeinsam ihren Strombedarf zumindest teilweise regenerativ decken.
Dafür ist es aber dringend erforderlich Planungssicherheit herzustellen und das Gerede von einer Belastung selbst erzeugten Stroms zu beenden – der Tomatenzüchter zahlt auch keine Steuern auf selbst erzeugte Früchte und sollte dies auch nicht befürchten müssen!
Die Einspeisevergütungen können wir ruhig weiter sinken lassen wie bisher bereits gesetzlich vorgesehen. Eigenverbrauch wird zunehmend interessanter als Einspeisung ins Netz, Batteriespeicher werden den Eigenverbrauch noch erhöhen. Mit den beschriebenen Maßnahmen wird es sogar kurzfristige Senkungen der EEG-Umlage geben und langfristig kaum eine Erhöhung.
Das zweite Thema muss wohlüberlegt angegangen werden. Es geht darum, die zunehmende zeitlich fluktuierende Bereitstellung von Strom aus Wind und Sonne durch Speicher, Vernetzung, und die Bereitstellung flexibler Gaskraftwerke, am besten in Kraft-Wärme-Kopplung, zu ergänzen. Außer elektrischen wird auch thermischen Speichern große Bedeutung zukommen.
Der bekannte Publizist Jeremy Rifkin nennt zurecht die Umstellung des Energiesystems hin zur Nachhaltigkeit eine Dritte Industrielle Revolution. Deutschland hat alle technologischen wie auch soziologischen Voraussetzungen – siehe die zitierte Akzeptanz der Energiewende –, um diese Revolution beispielhaft anzugehen.
Quelle
Eicke R. Weber 2014Der Autor ist Direktor des Fraunhofer- Instituts für Solare EnergiesystemeErstveröffentlichung „Badische Zeitung“ | 04.01.204