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© Depositphotos | ssuaphoto | Falls der Einsatz von Erdgas aus Klimagründen gesetzlich begrenzt wird, wäre das auch ein Erfolg der zunehmenden Proteste gegen Erdgasfernleitungen.

Erdgas ist klimaschädlicher als Kohle

Es ist eine groteske Situation. In der Wissenschaft geht man seit Jahren mehrheitlich davon aus, dass Erdgas alles andere als klimafreundlich ist, während bei Politik und Energieunternehmen das Mantra vom idealen Partner für die Erneuerbaren Energie und von der harmlosen Brückentechnologie gepflegt wird. Von Klaus Oberzig

Und genau dies wird von einer Mehrheit in der Energiewendecommunity überglücklich aufgenommen und aktiv weitergetragen. Warum? Es scheint einen Konflikt zu entschärfen, der vielen Solarfreunden unangenehmen ist. Erneuerbare Wärmetechnologien konnten nie soweit durchgesetzt werden wie Photovoltaik oder die Windkraft. Zum Narrativ gehört seit den Zeiten der Rot-Grünen Koalition, in denen das EEG durchgesetzt wurde, solare Wärme seit technisch nicht so weit entwickelt. Man müsse deswegen andere Wege gehen. Tatsache ist, ein dem EEG vergleichbares Gesetz zur Durchsetzung solarer Wärme konnte nicht mehr entwickelt werden. Die Rot-Grüne Koalition zerbrach vorher. Stattdessen wurde die Philosophie vom Energiesparen und von der Energieeffizienz kultiviert. So ist die Gegensätzlichkeit zu verstehen, die EEG und EnEV bis heute prägt. Expansives Wachstum auf der einen Seite und Einsparung auf der anderen, der Wärmeseite. Aufgefallen ist das wenigen.

Genau in diesen Widerspruch stößt die Theorie vom Erdgas als Brückentechnologie, die allerdings nur dann einleuchtend erscheint, wenn sie als klimaverträglich verkauft werden kann. Deutlich wird das, wenn selbst Energieunternehmen wie Shell, Gazprom, Wintershall oder Statoil sich regel mäßig als Klimaschützer inszenieren, wenn sie auf ihr Geschäft verweisen, die Welt mit Erdgas zu versorgen. Aber genau das ist ein groß inszenierter Schwindel. Bereits 2014 kritisierte ein US Professor von der Cornell University im Bundesstaat New York, Robert Howarth, die These vom sauberen Energieträger. Seine These war schon damals, wer neben dem Treibhausgas CO2 auf Methan schaue, der verstehe, dass Erdgas ein größerer Treiber für die Erderwärmung sei als Kohle und Erdöl. Er leitete sie aus seinen Arbeiten für aus Schiefer- und Sandstein per Fracking gewonnenes Erdgas ab, die er schon im Jahr 2011 veröffentlicht hatte. Damals allerdings, so gab auch Howarth zu, fehlten verlässliche Datensätze für konventionelles Erdgas.

Hintergrund ist, dass Methan ein 20- bis 100-mal stärkeres Klimagas als CO2 ist. Die Werte schwanken so stark, weil Methan nur vergleichsweise kurz in der Atmosphäre verbleibt. Je länger der Betrachtungszeitraum, desto besser schneidet also Methan in der Klimabilanz ab. Betrachtet man die kurzfristigen Klimawirkungen, sieht das aber anders aus. Bereits kleine Mengen Methan, die in die Atmosphäre entweichen, können einen mindestens genauso starken Einfluss auf den Klimawandel haben wie CO2. Aber das hat eine besondere Bewandtnis. Methan als schädlicher Kompagnon von Erdgas entsteht nicht bei der Verbrennung, so wie CO2, sondern hauptsächlich bei der Förderung, beim Transport und der Verarbeitung von Erdgas. Experten sprechen hier von Upstream und Downstream. In seine Rechnung bezog Howarth auch die Effizienz mit ein, mit der Erdgas im Vergleich mit Kohle und Erdöl verbrannt wird.

Jüngere Studien zeigen, dass bisherige Schätzungen über den Umfang dieser Leckagen in dramatischer Weise zu niedrig angesetzt sind, meint dazu im Februar 2018 das Onlinemagazin Klimaretter. Das starke Klimagas ist laut Weltklimarat IPCC für etwa ein Viertel der menschengemachten Erderwärmung verantwortlich. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie im Auftrag des zivilgesellschaftlichen Netzwerks CEE Bankwatch. Dafür untersuchten spanische Wissenschaftler die Klimawirkung der Southern-Gas-Corridor-Pipeline. Das über 3.500 Kilometer transportierte Erdgas aus Aserbaidschan habe am Ende eine mindestens genauso große, wenn nicht eine höhere Klimawirkung als Kohle, so das Fazit der Studie. Denn durch Leckagen würden bei Förderung und Transport zwischen 2,4 und knapp sechs Prozent des Methans austreten, aus dem Erdgas hauptsächlich besteht. Nach Einschätzung der Internationaler Energieagentur (IEA) überhole das Erdgas die Kohle als Klimakiller bei einem Schwellenwert von drei Prozent. Und das Problem der Gaslecks hätten alle Pipelines, zitiert Klimaretter mit Blick auf den aktuellen Bau der Nord Stream 2 Regine Richter von der Umweltorganisation Urgewalt. Je länger die Pipelines sind, desto größer das Problem.

Natürlich bleiben solche Erkenntnisse selbst in der Energiewendebewegung nicht unwidersprochen. Neben Greenpeace Energy, das selbst Gas verkauft, hält etwa Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie, nichts von der These vom schmutzigen Erdgas. Das Wuppertal-Institut habe schon vor mehr als zehn Jahren umfangreiche Messungen zusammen mit dem Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie in Russland durchgeführt. Danach habe sich Erdgas als klimaverträglicher als Öl und Kohle erwiesen. Bei allen Kontroversen zwischen einzelnen Wissenschaftlern oder Instituten bleiben aber handfeste Widersprüche. Das Wuppertal-Institut hat sich die Studie von Eon bezahlen lassen und in Brüssel hat die Erdgasindustrie laut Klimaretter für Lobby-Aktivitäten in nur einem Jahr 100 Millionen Euro ausgegeben. Die Genehmigung für die Nord Stream 2 Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern wurde für 50 Jahre erteilt. Nach Brückentechnologie, die weit im Vorfeld von 2050 den Erneuerbaren weichen soll, klingt das nicht. Viel wichtiger aber ist etwas anderes. Gleichgültig wie schmutzig sich Erdgas tatsächlich darstellt, ist es an der Zeit, offensiv für erneuerbare Wärmetechnologien zu werben. Sie verdienen das gleiche Vertrauen wie PV und Windenergie. Dann braucht sich nämlich niemand an Erdgas festzuklammern

SONNENENERGIE 03/2018
Quelle

Der
Bericht wurde von der Deutsche
Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Klaus Oberzig) 2018
 verfasst – der
Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 03/2018 |
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