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Große Einsparpotenziale in energieintensiven Branchen

In den energieintensiven Branchen Stahlerzeugung, Zement-, Papier- und Glasherstellung sowie in der chemischen Industrie gibt es große Einsparpotenziale. In einem aktuellen Buch stellt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI etwa 200 Maßnahmen vor, die zusammen den Energieverbrauch in der energieintensiven Industrie Deutschlands bis 2035 um knapp 15 Prozent reduzieren können und somit erhebliche CO2-Einsparungen zur Folge hätten. Die Studie „Energieverbrauch und CO2-Emissionen industrieller Prozesstechnologien – Einsparpotenziale, Hemmnisse und Instrumente“ wurde zusammen mit der IREES GmbH in Karlsruhe und Prof. Ali Hassan von der Technischen Universität Berlin erstellt.

Insgesamt können mit den in der Studie analysierten Maßnahmen jährlich rund 14 Terawattstunden Strom eingespart werden – das entspricht der Erzeugungsmenge von zwei großen Kohlekraftwerken. Der Einsatz anderer Brennstoffe wie Erdgas oder Heizöl lässt sich um etwa 60 Terawattstunden senken, was dem jährlichen Heizenergiebedarf von etwa zwei Millionen Einfamilienhäusern gleichkommt.

Da auf das Verarbeitende Gewerbe knapp 30 Prozent am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland entfallen, ist eine gesteigerte Energieeffizienz in diesem Sektor entscheidend für das Gelingen der Energiewende: Die Bundesregierung hat das Ziel vorgegeben, bis 2020 die jährlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland um 40 Prozent gegenüber dem Ausstoß des Jahres 1990 zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Emissionen bis 2020 noch um etwa 170 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr reduziert werden.

Die in der Studie untersuchten Einsparmaßnahmen, die bis 2020 umsetzbar sind, würden eine Vermeidung von jährlich etwa 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten in der energieintensiven Industrie ermöglichen und somit erheblich zur Erreichung des Reduktionsziels der Bundesregierung beitragen.

Die 200 vom Fraunhofer ISI untersuchten Maßnahmen umfassen Einsparmöglichkeiten für unterschiedliche Zeithorizonte: Während kurzfristig noch Potenziale durch optimierte Betriebsführung erschlossen werden können, kommt dem Einsatz der besten verfügbaren Technik mittelfristig eine deutlich wichtigere Rolle zu. Langfristig sind Verbesserungen vor allem durch neue Verfahren beziehungsweise radikale Prozessinnovationen realisierbar.

Hierunter fallen zum Beispiel neue Verfahren zur Herstellung von Zement bei deutlich niedrigeren Prozesstemperaturen, das Gießen von Stahl möglichst nah am gewünschten Endprodukt oder das induktive Erwärmen von Aluminiumblöcken durch den Einsatz von Hochtemperatursupraleitern. Weiterhin identifizierten die Forscherinnen und Forscher in den meisten betrachteten Branchen ein hohes Potenzial für die Rückgewinnung von bisher ungenutzter Prozessabwärme, beispielsweise zur Vorwärmung von Werkstücken.

Dr. Tobias Fleiter, Projektmitarbeiter und Mitherausgeber der Studie, betont: „Aufgrund der langen Lebensdauer der Anlagen in diesem Bereich ist von einer langsamen Verbreitung neuer Verfahren auszugehen, die sich über mehrere Jahrzehnte hinziehen kann. Entsprechend sollte bereits jetzt verstärkt in Forschung und Entwicklung investiert werden, um auch hier eine langfristige Verbesserung der Energieeffizienz zu ermöglichen.“

Bei mehr als 90 Prozent der Einsparmaßnahmen würden für die Unternehmen keine zusätzlichen Kosten entstehen – im Gegenteil: Durch die vermiedenen Energiekosten können sogar Gewinne erzielt werden. Häufig werden entsprechende Einsparmaßnahmen dennoch nicht umgesetzt. Die im Rahmen der Studie durchgeführten Interviews mit betroffenen Unternehmen und Anlagenherstellern zeigen mehrere Gründe auf: Häufig wurden Befürchtungen geäußert, dass die Einsparmaßnahmen zu instabilen Prozessen und damit zur Verschlechterung der Produktqualität führen könnten.

Weiterhin haben Energieeffizienzmaßnahmen in vielen Unternehmen generell eine niedrige Priorität, hemmend sind auch die von Unternehmen geforderten sehr kurzen Amortisationszeiten von oft unter drei Jahren, die bei den Einsparmaßnahmen oft nicht erreicht werden. Bei Großunternehmen kommen häufig komplexe Entscheidungsstrukturen hinzu, während in kleinen Unternehmen der Mangel an Informationen und benötigten Kenntnissen ein häufiges Hemmnis ist.

Zur Abhilfe empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie unter anderem die Einführung von Energiemanagementsystemen, da durch die systematische und regelmäßige Analyse und Bewertung von Einsparmöglichkeiten viele betriebsinterne Hemmnisse überwunden werden können. Entsprechende Systeme sind ab 2015 Voraussetzung, um weiterhin Vergünstigungen bei der Strom- und Energiesteuer im Rahmen des so genannten Spitzenausgleichs zu erhalten.

In den vergangenen Jahren gab es auf politischer Ebene jedoch mehrere Entwicklungen, die die Wirtschaftlichkeit von Energieeffizienzmaßnahmen verschlechtert haben. Dazu gehören die vielen Unternehmen gewährten Ausnahmen bei der Energiesteuer und der EEG-Umlage sowie der Verfall der Preise von Emissionszertifikaten im europäischen Emissionshandel auf unter fünf Euro je emittierter Tonne CO2.

„Die aktuelle Initiative der Europäischen Kommission zur Verknappung der im Markt verfügbaren Zertifikate könnte hier Abhilfe schaffen und die Preise auf ein Niveau heben, von dem wieder stärkere Anreize zur Energie- und CO2-Einsparung ausgehen“, so Projektleiterin Barbara Schlomann.

Das Buch „Energieverbrauch und CO2-Emissionen industrieller Prozesstechnologien − Einsparpotenziale, Hemmnisse und Instrumente“ kann unter www.verlag.fraunhofer.de/bookshop/buch/Energieverbrauch-und-CO2-Emissionen-industrieller-Prozesstechnologien-Einsparpotenziale-Hemmnisse-und-Instrumente/239044 bestellt oder kostenlos heruntergeladen werden.

Quelle

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) 2013

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