Günstig, effizienter, nachhaltiger – thermochemischer Speicher reloaded
Energieforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben in Köln eine neuartige Anlage zur Speicherung von Energie in Betrieb genommen.
Das Speichermaterial des im DLR entwickelten Verfahrens ist Kalk, der die Wärme durch eine endotherme Reaktion speichern kann. Solche thermochemischen Speicher haben das Potenzial, in Industrieprozessen und privaten Haushalten große Energiemengen einzusparen. Die Kalkspeicheranlage ist die Weiterentwicklung eines ersten Prototyps und kann Energie noch kostengünstiger und effizienter speichern.
Mehr Effizienz auf dem Wärmesektor durch Speicher
Während sich der Stromsektor bereits sehr stark hin zu einer nachhaltigen Versorgung entwickelt hat, kommt die Energiewende im Wärmesektor, der für über die Hälfte des Endenergiebedarfs verantwortlich ist, sehr langsam voran. Speicher bieten, vor allem im Industriebereich, viel Potenzial Energie effizienter zu nutzen und damit den Verbrauch von fossilen Energien zu senken.
DLR-Wissenschaftler haben mit dem Speichermaterial Kalk ein Konzept entwickelt, das bei Prozessen mit hohen Temperaturen eingesetzt werden kann. Wird das Speichermaterial (gelöschter) Kalk erwärmt, beginnt ab zirka 450 Grad Celsius eine endotherme Reaktion, wodurch Calciumoxid entsteht. Dabei werden zirka 20 Prozent in Form von fühlbarer (sensibler) und der Rest in Form von chemischer Energie gespeichert. Die sensible Energie kann nur über einen begrenzten Zeitraum gespeichert werden. Wird sie nicht genutzt, geht die Wärmeenergie – je nach Wärmedämmung – langsam verloren. Da ein großer Teil der ursprünglichen Energie auf unbestimmte Zeit als chemische Energie gespeichert werden kann, eignet sich die Anlage besonders gut für längere Speicherzeiten. Erst bei Bedarf wird die Energie in Form von Wärme wieder freigesetzt, indem Wasserdampf zugeführt wird, was eine starke exotherme Reaktion hervorruft.
Kalk ist ideales Material für Langzeitspeicher
Für das Speichermaterial Kalk haben sich die Forscher auch deshalb entschieden, weil es in der Anschaffung sehr günstig ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die chemische Reaktion pro Kubikmeter über fünfmal mehr Wärmeenergie gespeichert werden kann als zum Beispiel in Wasser (bei Abkühlung von 80 auf 30 Grad Celsius). Die Energiedichte des Speichers ist also extrem hoch. Dr. Marc Linder, Fachgebietsleiter Thermochemischer Systeme in der Abteilung Thermische Prozesstechnik des Instituts Technische Thermodynamik, betont: „Die thermochemische Wärmespeicherung mit Kalk ist eine interessante Alternative zu den bereits weiter entwickelten und genutzten Technologien im Bereich der Kraftwerkstechnik oder Prozesswärme. Neben diesen Anwendungsfeldern sehen wir aber auch Potenziale für Kalkspeicher in der saisonalen Speicherung von Energie, zum Beispiel zur Unterstützung der Wärmeversorgung von privaten Haushalten.“
Vielseitig einsetzbar durch Temperaturregelung
In der weiterentwickelten Speicheranlage wird der Kalk in Edelstahlrohren an einer feststehenden Hitzequelle vorbeigeführt. Somit kann in der Anlage beliebig viel Kalk gebrannt werden. Nachschub liefern Silos, die am Anfang und am Ende des Kreislaufes stehen. Ein zusätzlicher Vorteil der chemischen Speicherung liegt in der Regulierung der Temperatur innerhalb des Speichers: Mit der neuen Anlage ist es möglich, Wasserdampf mit unterschiedlich hohem Druck in den gebrannten Kalk zu pressen. Erhöht man den Druck des Wasserdampfes, findet die Reaktion bei einer höheren Temperatur statt. Wird der Druck abgesenkt, reduziert sich auch die Temperatur der Reaktion.
„Die Herausforderung bei der neuen Kalkspeicheranlage ist jetzt noch, das Zusammenspiel aus kontinuierlicher Bewegung des Speichermaterials in Verbindung mit der Wärmezufuhr und der Wasserdampfregelung zu optimieren“, sagt Matthias Schmidt, Projektleiter am Institut für Technische Thermodynamik des DLR.
Experten-Workshop zum Thema thermochemische Energiespeicherung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) förderte die erste Testanlage zur Energiespeicherung. Im Rahmen eines Europäischen Forschungsprojekts, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordiniert und vor kurzem erfolgreich abgeschlossen wurde, entstand die aktuelle Weiterentwicklung des Reaktors. Zur gleichen Zeit liefen parallel zum TCSPower-Projekt (Thermochemische Speicherung) zwei weitere EU-Projekte zum Thema thermochemische Energiespeicherung. Im September dieses Jahres wurden daher alle Projekte in einem Abschlusstreffen am DLR zusammengeführt. Fünfzehn wissenschaftliche Institute und Einrichtungen aus Europa stellten ihre aktuellen Arbeiten und Ergebnisse zum Thema thermochemische Wärmespeicherung vor und tauschten sich untereinander aus.
Der Workshop fand im CeraStorE-Gebäude (CERAmics, STORage, Energy; Competence Center for Ceramic Materials and Thermal Storage Technologies in Energy Research) statt. Das Speicher-Kompetenzzentrum wurde 2013 eröffnet und ist Teil des DLR in Köln-Porz. Wissenschaftler aus den Bereichen Werkstoffforschung, Solarforschung sowie der Technischen Thermodynamik arbeiten hier gemeinsam an Themen zur Energiespeicherung und haben auch die Möglichkeit, Verfahren in einem größeren Maßstab und somit realitätsnah im CeraStorE-Labor zu testen.