H2-Importstrategien: Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff in Deutschland und Europa ungewiss
Studie „Perspektiven für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Europa und für H2-Importe nach Deutschland“ veröffentlicht
Grüner Wasserstoff (H2) spielt für die klimaneutrale Transformation der Energie- und Rohstoffversorgung eine zentrale Rolle. Sowohl die Bundesregierung als auch das Land NRW haben zuletzt entsprechende Strategien und Konzepte verabschiedet: Die Bundesregierung rechnet in ihrer neuen H2-Importstrategie für das Jahr 2030 mit einem Bedarf an Wasserstoff und Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden und erwartet einen Importanteil von 50 bis 70 Prozent – in Nordrhein-Westfalen geht man sogar davon aus, dass rund 90 Prozent des benötigten Wasserstoffs importiert werden müssen. Doch aus welchen Ländern bis zum Jahr 2030 tatsächlich Wasserstoff in relevanten Mengen bezogen werden kann, ist nach wie vor ungeklärt.
Vor diesem Hintergrund haben Forschende des Wuppertal Instituts im Auftrag des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) analysiert, wie es derzeit um den Wasserstoffhochlauf in Europa, die Erreichung der H2-Ziele sowie den Fortschritt von wichtigen Erzeugungs- und Infrastrukturprojekten bestellt ist: Neben der Analyse von politischen Zielsetzungen und der realen Projektlandschaft für den Elektrolyse-Hochlauf in Europa und seinen Mitgliedstaaten beleuchten sie auch ausgewählte globale Importoptionen für grünen Ammoniak und die hierfür notwendige Infrastruktur kritisch.
Die Kernergebnisse der Studie zeigen:
- Trotz ehrgeiziger Ankündigungen verfügt kein europäisches Land bereits heute über substanzielle Projekte zur Wasserstofferzeugung: Aktuell sind mit 2,5 Gigawatt nur rund sechs Prozent des EU-Zielwerts für das Jahr 2030 installiert, im Bau befindlich oder mit einer finalen Investitionsentscheidung hinterlegt.
- Die politischen Zielsetzungen für die Wasserstoffproduktion liegen bei europäischen Ländern meist hinter den deutschen Zielen und bieten unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenbedarfe keine ausreichenden Perspektiven für Importe.
- In Spanien gibt es europaweit die größte Dynamik bei Wasserstoffprojekten – diese dienen jedoch zunächst der Deckung der lokalen Nachfrage und können somit nicht für Importe nach Deutschland bis zum Jahr 2030 eingeplant werden.
- Infrastrukturell sind die Vorhaben in der Nordseeregion am weitesten vorangeschritten. Auch gibt es hier, neben den Plänen für deutsche Erzeugungskapazitäten, Akteur*innen mit Exportambitionen, wie Dänemark, Schottland und Norwegen. Somit sind Importe bis 2030 aus der Nordsee-Region am wahrscheinlichsten. Allerdings setzt gerade Norwegen für die Lieferung nach Deutschland vorerst auf blauen Wasserstoff.
- Importe aus globalen „Sweet Spots“, wie Namibia und Saudi-Arabien, werden zunächst nur einen geringen Beitrag zur Wasserstoffversorgung leisten und sind aus Sicht des Klimaschutzes im Einzelfall kritisch zu prüfen.
Zusammenfassend zeigt sich, dass trotz eines breiten Projektspektrums in Europa viele Vorhaben in erster Linie der heimischen Wasserstoffversorgung dienen oder sich noch in unsicheren Phasen befinden. Damit bestehen enorme Unsicherheiten, wann Wasserstoff nach Deutschland und NRW exportiert werden kann.
„Auch wenn Deutschland bereits ehrgeizige politische Ziele für den eigenen Wasserstoffausbau verfolgt, ist es wichtig, das Ambitionsniveau hochzuhalten – gerade, wenn eine zeitnahe Versorgung durch Importe weniger wahrscheinlich wird,“ sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, und ergänzt: „Grundsätzlich müssen die Kräfte für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft gebündelt werden. Alle Strategien bleiben somit wichtig und sollten intensiviert werden: mehr Eigenproduktion, eine verbesserte Kooperation und Kohärenz beim Ausbau der europäischen Wasserstoffwirtschaft sowie vertiefte globale, auf faire Partnerschaften setzende Allianzen.
- Studie: Perspektiven für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Europa und für H2-Importe nach Deutschland
- LEE NRW Talk: Wasserstoff – Importstrategien statt heimischer Produktionspotenziale
- H2EUDE – Perspektiven für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Europa und für H2-Importe nach Deutschland
- H2ImpProCon – Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung
- H2CoDem – Wasserstoffkosten und -bedarfe für die CO2-neutrale Transformation
Quelle
Wuppertal Institut 2024 | Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) 2024