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Kampf ums Tempo bei der Energiewende

25 Prozent des Stroms wird in Deutschland mit Erneuerbaren Energien erzeugt, 35 Prozent könnten es 2015 sein. Atom- und Kohlestrom werden zunehmend unrentabel. Die Politik ringt ums Ausbautempo. Ein Bericht von Gero Rueter

Eigentlich kann die Bundesregierung mit der Dynamik zufrieden sein. Der „Ausbau der Erneuerbaren Energien geht zügig voran“, sagte Bundeskanzlerin Merkel bei der Haushaltdebatte am 12.9.2012 im Bundestag. Vor allem der Ausbau der Solarenergie „überschreitet alle Prognosen“.

Sie rechnet mit einem weiteren Solarboom. Bis Ende 2013, so ihre Prognose, stünden in Deutschland Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 40 Gigawatt, damit steige der Anteil von  Solarstrom von heute fünf auf dann acht Prozent.

Auch bei der Windenergie sieht die Bundesregierung einen deutlichen, zusätzlichen Schub. Neue Windräder für windschwache Regionen machen die Stromerzeugung jetzt auch im Binnenland lukrativ und so planen Bürgermeister und Landesregierungen einen massiven Windausbau im ganzen Land.

Bei dieser Entwicklung könnten 2015 schon 35 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. In den bisherigen Planungen der Bundesregierung war dieses Mindestziel erst für 2020 geplant.

Ein weiterer Faktor kann die Regierung zufrieden stimmen: Solaranlagen, die früher viel Geld kosteten und für Unmut sorgten, gehören nun zur Vergangenheit. Durch stark gefallene Preise von Solarmodulen produzieren neue Anlagen den Strom schon 30 Prozent günstiger als er heute aus der Steckdose kommt. Im Jahr 2013, so die Prognosen, liege der Preisvorteil von solarem Eigenstrom schon bei 40 Prozent.

Sorge um schnelles Ausbautempo

Doch trotz der Erfolge bei Wind- und Sonnenstrom, äußert sich die Bundesregierung auch besorgt über die unerwartete Dynamik. Bundeskanzlerin Merkel forderte bei der Debatte im Bundestag  „mehr Koordination für den richtigen Pfad von Preisgünstigkeit“ und warnte zugleich vor einer Überkapazität bei den erneuerbaren Energien: „Wir haben Planungen für Windenergie, die um 60 Prozent über dem liegen, was wir in den nächsten Jahren brauchen.“

Kostendebatte soll Energiewende bremsen

Der Energiemarkt ist komplex und der Durchblick fällt schwer, zumal hinter vielen Zahlen und Argumenten auch Interessen stecken. Fakt ist, dass sich beim anhaltenden Boom von Wind- und Sonnenkraft Kohle- und Atomstrom immer weniger rentieren. Für die großen Stromkonzerne als Betreiber von Kohle- und Atomkraftwerken, ist eine schnelle Energiewende aus betriebswirtschaftlicher Sicht daher schlecht.

Als Argument gegen einen zu schnellen Ausbau von Wind- und Sonnenstrom wird von Vertretern der alten Energiewirtschaft derzeit vor allem eine Kostendebatte geführt. Neue Wind- und vor allem Solarkraftwerke würden die Kosten der Energiewende nach oben treiben, der Ausbau der erneuerbaren Energien, so der Tenor, müsse deshalb langsamer gehen. Als Beleg für diese These wird die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien (EEG) angeführt. Diese Umlage wird auf den Strompreis von Privathaushalten und mittelgroßen Betrieben aufgeschlagen. Derzeit beträgt die Umlage rund 3,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Im nächsten Jahr wird sie schon über 5 Cent pro kWh liegen. Blickt man nur auf diese Zahlen und betrachtet den Trend, so scheint das Kosten-Argument plausibel.

In der öffentlichen Wahrnehmung galt dieser EEG-Aufschlag bisher auch als Barometer für die Kosten der erneuerbaren Energien. Alle Energieexperten sind sich allerdings einig, dass diese Umlage als Barometer für die Kosten der Energiewende heute nicht mehr so stimme, zu viele Faktoren verzerrten das Bild.

Ungleiche Umlage und paradoxe Abrechnung

Zunehmend werden immer mehr stromintensive Industriebetriebe von der Abgabe befreit, so dass für die normalen Stromkunden die EEG-Umlage steigt. Und durch sinkende Strompreise an der deutschen Strombörse, die durch immer mehr Wind- und Sonnenstrom verursacht werden, entstehen durch ein Paradox im Abrechnungssystem zusätzlich hohe Kosten für die Umlage. Würden nur diese Faktoren korrigiert, so wäre nach DW-Berechungen die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien nicht mal halb so hoch und läge auch im nächsten Jahr unter 2 Cent pro kWh. Würden außerdem in den Stromhandel auch noch die Umweltkosten für fossile und atomare Stromerzeugung einbezogen, so läge die zu entrichtende Umlage bei weniger als einem Cent pro kWh.

Quelle

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Gero Rueter 2012Fachredakteur für Klima, Umwelt und EnergieHintergrundredaktion Umwelt & Wissen Deutsche WelleErstveröffentlichung Deutsche Welle | 12.09.2012

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