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pixelio.de | Rainer Sturm | An sonnigen Tagen ist mehr Energie im Netz verfügbar – der Strompreis sinkt.

© pixelio.de | Rainer Sturm | An sonnigen Tagen ist mehr Energie im Netz verfügbar – der Strompreis sinkt.

Lager als Energiespeicher nutzen und Stromkosten senken

Günstig ist Strom an luftigen Sommertagen, teuer dagegen an windstillen Winterabenden. Denn je mehr Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne stammt, desto stärker schwanken das Stromangebot und der Preis.

Unternehmen tun daher gut daran, Energie dann zu kaufen, wenn sie günstig ist – und sie für später zu speichern. Akkus sind dafür nicht unbedingt nötig: Wissenschaftler aus Hannover und Duisburg entwickeln derzeit eine völlig neue Methode der Energiespeicherung, die Lagerbestände nutzt. Um herauszufinden, wie viel Geld sich damit in der Praxis einsparen lässt, werden noch Unternehmen gesucht, die sich an dem Forschungsprojekt beteiligen wollen.

Unternehmen sollten energieintensive Produkte dann herstellen, wenn Strom gerade günstig ist, so die Idee der Forscher – und in Zeiten hoher Energiepreise Waren fertigen, deren Herstellung wenig Energie erfordert. Denn nicht jedes Produkt benötigt bei der Herstellung die gleiche Menge an Strom und Wärme. Beispiel Schraubenproduktion: Die Herstellung von millimeterkleinen Schrauben, etwa für Uhrwerke, erfordert deutlich weniger Energie als die Fertigung von armdicken Schrauben für Turbinen, für die eine größere Menge Stahl erhitzt und deutlich mehr Kraft zum Umformen eingesetzt werden muss.

Werden energieintensive Produkte dann hergestellt, wenn Energie gerade günstig ist, können Unternehmen billige Energie sozusagen im Lager speichern. Wie das im Detail funktionieren kann und wie viel Geld sich damit sparen lässt, untersuchen Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) und des Duisburger Instituts für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) derzeit im Projekt „LagBEnS – Nutzung von Lagerbeständen als Energiespeicher“.

Die Forscher wollen damit eine neue Methode entwickeln, mit der Unternehmen unabhängiger von schwankenden Strompreisen werden können. Allein zwischen 2000 und 2013 sind die Stromkosten in der Produktion um 150 Prozent gestiegen. Und je mehr Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, desto stärker schwanken die Preise: Schon heute kann der Strompreis an der Leipziger Strombörse innerhalb eines Tages um 70 Prozent steigen oder fallen. Zudem gibt es starke saisonale Schwankungen. Im Sommer ist Strom vergleichsweise günstig, weil Solaranlagen viel Energie ins Netz einspeisen, im Winter ist er teurer – mit Ausnahme der Weihnachtszeit, weil dann die meisten Betriebe ihre Produktion unterbrechen und die Nachfrage nach Energie sinkt.

Noch werden diese Schwankungen zwar nicht direkt an die Stromkunden weitergegeben. Nach Meinung der Forscher wird sich das aber in den nächsten Jahren ändern: Energiekonzerne werden künftig keine Festpreise mehr anbieten, sondern gestaffelte Tarife mit stärker schwankenden Preisen. Womöglich können Firmen ihren Strom künftig sogar direkt an der Börse kaufen, zu tagesaktuellen Preisen. Sicher ist: Je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Preisschwankungen an den Endkunden weitergegeben werden – als Anreiz dafür, Strom dann zu verbrauchen, wenn gerade viel Energie verfügbar ist.

Wenn Unternehmen ihre Fertigungssteuerung an den Strompreis koppeln, können sie mit schwankenden Tarifen sogar Geld sparen, glauben die Forscher. Im Forschungsprojekt „LagBEnS“ will das IPH ein Modell zur Produktionsplanung und -steuerung entwickeln, das die Stromkosten einbezieht und dafür sorgt, dass energieintensive Waren zu Zeiten günstiger Energie produziert werden. Das IUTA entwickelt gleichzeitig eine Methode, um Strompreisschwankungen besser vorhersagen zu können. Die Forschungsergebnisse sollen anschließend in einem Softwaredemonstrator umgesetzt werden.

Die größte Herausforderung für die Forscher: Viele Unternehmen arbeiten sehr flexibel und auftragsgesteuert, sie fertigen individuell nach Kundenwunsch und können nicht Wochen oder Monate im Voraus planen. „Deshalb suchen wir Entkopplungspunkte“, sagt Projektleiterin Denise Schweers vom IPH. „Unternehmen müssen nicht unbedingt fertige Produkte einlagern, von denen sie gar nicht wissen, ob und wann sie sie verkaufen werden. Stattdessen können sie einzelne Baugruppen auf Vorrat herstellen, aus denen sich später kundenindividuelle Produkte zusammensetzen lassen.“ Schließlich sei die Endmontage meist weniger energieintensiv als die Fertigung der Einzelteile – und damit weniger von Strompreisschwankungen abhängig.

Wichtig sei außerdem, dass die Einsparungen die Lagerhaltungskosten nicht übersteigen, sagt Schweers. „Normalerweise ist die Produktionsplanung darauf ausgelegt, Lagerkosten und Kapitalbindungskosten zu minimieren.“ Derzeit tendieren Unternehmen deshalb dazu, Produkte und Baugruppen nur so lange zu lagern wie unbedingt nötig. Wenn das Energiesparpotential besser erforscht ist, könnte sich eine längere Lagerhaltung jedoch lohnen.

Um herauszufinden, wie viel Geld sich mit der neuen Methode in der Praxis sparen lässt, suchen die Forscher noch Unternehmen, die sich am Projekt beteiligen wollen – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit planbarer Lagerfertigung. Diese Unternehmen haben laut Schweers die Möglichkeit, „ohne große Investitionen eine bisher unbekannte Form der Energiespeicherung zu nutzen.“ Interessierte Firmen melden sich bis zum 31. Mai bei Denise Schweers unter der Telefonnummer 0511 279 76-450 oder per E-Mail an schweers@iph-hannover.de.

Depositphotos | wavebreakmedia | Je mehr Strom aus Wind und Sonne stammt, desto stärker schwanken Angebot und Preis.
Quelle

IPH / Institut für  Integrierte Produktion Hannover 2016

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