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Mitgestaltung der Energiewende

Zukunftsaufgabe der Facharbeit und Bezugspunkt für eine Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Nach der Katastrophe in Japan wurden der Ausstieg aus der Kernkraftnutzung und der beschleunigte Umbau unserer Energieversorgung beschlossen. Die nun eingeleitete Nutzung regenerativer Energien wird seit längerem als ein wichtiges Ziel zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen angemahnt. Ein Bericht von Prof. Dr. Thomas Vollmer

Nachfolgend wird ein Überblick über die Konsequenzen für die gewerblich-technische Facharbeit und die Berufsbildung gegeben. Zunächst wird die technologische Machbarkeit der Energiewende erörtert und auf die damit verbundenen Beschäftigungseffekte eingegangen. Die Mitgestaltung der Energiewende wird als zentrale Zukunftsaufgabe der Facharbeit charakterisiert, die zugleich auch wesentlicher Bezugspunkt für eine nachhaltigkeitsorientierte Berufsbildung ist.

Einleitung

Nach dem verheerenden Erdbeben in Japan im März 2011 und der bis dahin ausgeschlossenen Havarie der drei Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi wurde in Deutschland in kürzester Zeit eine politische Kehrtwende vollzogen, weg von der Atomenergie und hin zu einer sicheren Versorgung mit regenerativen Energien, wie sie zuvor nicht zu erwarten gewesen war. Ein halbes Jahr zuvor noch hatte die Bundestagsmehrheit gegen den Widerstand der Opposition und großer Teile der Bevölkerung beschlossen, den Ausstieg aus der Kernenergie mit Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke je nach Alter und Zustand von 8 bzw. 14 Jahren weiter in die Zukunft zu verschieben. Nun soll die überfällige Wende hin zu einer Vollversorgung mit regenerativen Energien endlich vollzogen werden. Sie ist aus Gründen des Klimaschutzes und angesichts endlicher fossiler Ressourcen unumgänglich.

Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, was das für die heutige Struktur der Stromversorgung bedeutet, für Übertragungsnetze und Energiespeicher, für elektro- und metalltechnische Facharbeit und für die berufliche Bildung. Die Technologien für die Energiewende sind vorhanden. Wenngleich eine Versorgung mit 100% erneuerbaren Energien bis 2050 bereits durchgerechnet und damit als realisierbar angesehen wurde sowie die erforderlichen Technologien existieren, bleibt die konkrete Ausgestaltung jedoch noch vage. Der Umbau des Energieversorgungssystems erfordert einerseits erhebliche Investitionen, andererseits sind damit beträchtliche Beschäftigungspotentiale verbunden. Zumal wenn sich die deutsche Industrie mit der zügigen Umsetzung der energiepolitischen Ziele auch einen Technologievorsprung sichert und sich im Bereich regenerativer Energien neue – auch exportrelevante – Geschäftsfelder erschließt. Die Energiewende erfordert qualifizierte Facharbeit, es ist allerdings noch nicht absehbar, welche Anforderungen der Umbau des Energieversorgungssystems quantitativ und qualitativ stellt. Vor diesem Hintergrund steht die berufliche Bildung vor großen Herausforderungen. Auch wenn zurzeit eine sichere Prognose über die Qualifikationsanforderungen an die handwerkliche und industrielle Facharbeit noch kaum möglich ist, versucht dieser Beitrag einen Überblick über die sich abzeichnenden Entwicklungen zu geben.

2 Technische Voraussetzungen der Energiewende

2.1 Potentiale regenerativer Energien

Mittlerweile haben die erneuerbaren Energien einen Anteil von knapp 9 % (2009) am Primärund 10 % am Endenergieverbrauch. Beim Stromverbrauch ist der regenerative Anteil mit inzwischen 16 % am höchsten und im Bereich der Wärmebereitstellung durch Solarthermie und Biogas ist der Anteil auf 8,4 % (Vorjahr 7,4 %) gestiegen, während die Werte für Biokraftstoffe aufgrund gesetzlich vorgegebener Quoten bei etwa 5,5 % stagnieren, in den kommenden Jahren aber steigen dürften. 2009 wurden insgesamt 3,4 Mrd. € mit erneuerbaren Energien erwirtschaftet, wovon 17,7 Mrd. € (+ 20 % ggü. 2008) auf die Installation neuer Anlagen entfielen (BMU 2010; StatBA 2011a). Für die absehbare Zukunft sind drastische Steigerungen zu erwarten.

Die Bundesregierung strebt als Energieziel für 2050 eine Stromversorgung von 80 % aus erneuerbaren Quellen an. Das Umweltbundesamt hat mit einer Studie unter Einbeziehung der prognostizierbaren Daten der demografischen und wirtschaftlichen Situation im Jahr 2050 den Nachweis geliefert, dass bis dahin sogar eine Vollvorsorgung Deutschlands mit regenerativ erzeugtem Strom technisch möglich ist. Dieser Umbau der Stromerzeugung ist sicherlich sehr ambitioniert und erfordert nicht nur, den Anteil der erneuerbaren Energien weiter zu erhöhen, sondern auch das bestehende Energieversorgungssystem insgesamt dafür tauglich zu machen. Dazu ist es erforderlich, von einer bisher überwiegend zentralen zu einer stärker dezentralen Stromerzeugung zu kommen und die Stromversorgung, die Wärmeversorgung sowie die Mobilität als integriertes System zu entwickeln und die Infrastruktur dementsprechend umzubauen.

Als Potential wird im Jahre 2050 ein Ertrag von 687 TWh errechnet aus dann installierten Photovoltaik-, Windenergie-, Wasserkraft- und Geothermieanlagen sowie zu einem geringen Teil aus Abfallbiomasse.1 Damit steht ein Potential erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung zur Verfügung, das den künftigen Bedarf von Haushalten, Handel, Gewerbe, Dienstleistung und Industrie übertrifft. Diese „überschüssige“ Energie wäre für die Versorgung von Elektrofahrzeugen nutzbar.

Tabelle 1: Potentiale erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung im Jahr 2050 (n. KLAUS et al. 2010, 58 | linker Container)

Die in der Machbarkeitsstudie zugrunde gelegten Minderungspotentiale des Energieverbrauchs ergeben sich aus der erwarteten vollständigen Durchdringung des Anlagen-, Geräteund Gebäudebestandes mit den besten, heute am Markt verfügbaren Techniken, Änderungen im Nutzungsverhalten werden hingegen nicht berücksichtigt. Die Studie geht dabei von einer weitgehenden Substitution fossiler Energieträger für die Gebäudeversorgung aus, weil u. a. der zunehmende Einsatz von Wärmepumpen in Kombination mit solarthermischen Anlagen die fossilen Brennstoffe zu einem Großteil verdrängen wird. Dies ist insofern bedeutsam, als etwa 70 % des Energiebedarfs von heute insgesamt 1.840 TWh (2005) in Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleistung sowie Industrie für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme genutzt werden. Der Brennstoffverbrauch für die Wärmeerzeugung soll nach diesem Szenario bis 2050 von 1.347 TWh auf 378 TWh gesenkt werden. Infolge dieser Substitution und der prognostizierten Zunahme der Elektromobilität wird der Stromverbrauch trotz erheblicher Effizienzsteigerungen im Jahr 2050 insgesamt kaum niedriger sein als im Jahr 2005, jedoch wird der Strom dann fast ausschließlich aus regenerativen Quellen gewonnen (KLAUS et al. 2010, 21).

Quelle

Universität Hamburg | Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 2012

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