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© bigstock | volrabvaclav | Die meisten Menschen im Südwesten haben nichts gegen Windenergie- und Photovoltaikanlagen – auch nicht in ihrem unmittelbaren Umfeld.

Schwankungen im Stromnetz: Nicht nur Windenergie macht Stress

Oldenburger Energieforscher berechnen Wahrscheinlichkeit für witterungsbedingte Extremsituationen.

Auf dem Weg zu sauberem Strom: Bereits heute liegt der Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland bei etwa 35 Prozent, bis zum Jahr 2035 sollen es mindestens 55 sein. Doch anders als Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerke sind Solar- und Windkraftanlagen vom Wetter abhängig: turbulente Windänderungen sowie vorbeiziehende Wolken verursachen Schwankungen im Stromnetz. Dieses Phänomen erforschen Wissenschaftler des Zentrums für Windenergieforschung ForWind der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen genauer – mit überraschendem Ergebnis: Selbst binnen einer Sekunde können wetterbedingte Turbulenzen massive Leistungsänderungen zur Folge haben. Und: Solarstrom ist mindestens genauso anfällig wie die Energie, die aus Wind gewonnen wird. Die Ergebnisse ihrer Studie, die insbesondere kurzzeitige Fluktuationen in den Blick nimmt, haben die Forscher kürzlich im „New Journal of Physics“ publiziert.

Hauptautorin ist die Nachwuchswissenschaftlerin Mehrnaz Anvari. Die Doktorandin fertigte die Studie in der Arbeitsgruppe des Oldenburger Turbulenzforschers Prof. Dr. Joachim Peinke an, außerdem waren der Energiemeteorologe Dr. Detlev Heinemann und weitere Oldenburger Wissenschaftler beteiligt. In komplexen mathematischen Berechnungen analysierten sie Millionen hochaufgelöster Daten – darunter sekundengenaue Leistungswerte einzelner Windkraftanlagen, aber auch ganzer Windparks. „Es ist uns gelungen, die Dynamik des stoßweise Hoch- und Runterschaltens der Energiesysteme abzubilden“, sagt Peinke. Die Berechnungen zeigten, dass die Leistung eines ganzen Windparks innerhalb weniger Sekunden um ein Megawatt schwanken könne – dies entspreche dem durchschnittlichen Energiebedarf von 2.500 Haushalten. Weitere Erkenntnis: Solarenergie ist noch instabiler. „Die Häufigkeit der durch Wolken verursachten extremen Schwankungen in der Solarleistung kann jene bei der Windenergie sogar deutlich übersteigen“, erklärt Peinke.

Diese extremen Schwankungen muss das Stromnetz abfangen können – eine Herausforderung, der derzeit mit erheblichem technischem Aufwand begegnet wird. Nach Auffassung der Forscher könnte eine bessere Kenntnis der statistischen Zusammenhänge dieser Schwankungen den Aufwand deutlich reduzieren. Noch wesentlicher sei jedoch die Erkenntnis, dass die Netzeinbindung der geplanten, noch größeren Mengen Wind- und Solarstroms nur Erfolg haben werde, wenn sie als Gesamtpaket gesehen werde.

„Unsere Ergebnisse setzen die aktuelle Diskussion in ein neues Licht“, sagt Peinke. Bisher sei man davon ausgegangen, dass die geplanten zusätzlichen Stromtrassen notwendig sind, um den vermeintlich instabilen Windstrom von der Küste zu stabilisieren und in den energiehungrigen Süden und Westen Deutschlands zu transportieren. „Wir haben nun gezeigt, dass die Schwankungen des Solarstroms – der vornehmlich aus dem Süden kommt – in mindestens gleichem Maße zu berücksichtigen sind wie die der Windenergie. Investitionen in die Netzinfrastruktur sind somit durch die Gesamtheit aller einspeisenden Wind- und Solaranlagen bedingt“, sagt Peinke.

Die Studie verdeutliche erneut, dass bei der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien noch viele Fragen offen seien – Fragen, die die kooperierenden Oldenburger Teams nach und nach beantworten wollen. „Wir arbeiten daran, die Sonne und den Wind als Energiequelle präziser zu beschreiben. Dies ist unbedingt nötig, um künftig eine sichere und kostengünstige Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu garantieren“, ist Energiemeteorologe Heinemann überzeugt.

Die Studie ist im Rahmen des vom Land Niedersachsen geförderten Forschungsverbunds „Smart Nord“ entstanden: 40 norddeutsche Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen forschten von 2012 bis 2015 zu verschiedenen Fragestellungen der Energiewende. Die Universität Oldenburg – seit mehr als 30 Jahren in der Windforschung aktiv – koordinierte das Projekt.

Publikation: „Short term fluctuations of wind and solar power systems“, M. Anvari, G. Lohmann, M. Wächter, P. Milan, E. Lorenz, D. Heinemann, R. M. Rahimi Tabar, und J. Peinke. New Journal of Physics, Vol. 18, p. 063027, 2016. 

Quelle

Universität Oldenburg |
Institut für Physik & ForWind 2016

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