Schweizer Wissenschaftler wollen 80% der Sonnenenergie nutzbar machen
Solarstrom, Klimatisierung und Wasserentsalzung in einer Anlage – dreimal geringerer Kostenaufwand. Schweizer Wissenschaftler haben eine Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstitutionen zur Entwicklung eines kostengünstigen Solarkonzentrator-Systems bekanntgegeben. Das System soll Sonnenlicht 2000-fach konzentrieren und 80% der einfallenden Strahlung in nutzbare Energie umwandeln. Dank seines dreimal geringeren Kostenaufwands als bei vergleichbaren Systemen, kann es überall profitabel dort eingesetzt werden, wo bei guter Besonnung Strom, Trinkwasser und Klimatisierung benötigt werden, z.B. auch in entlegenen Gebieten wie Inseln oder Wüsten. Das Design basiert auf kostengünstigen, großen Parabol-Kollektoren und Hochleistungs-Photovoltaischen-Chips, die mittels Mikrokanälen gekühlt werden und sich für die Massenproduktion eignen.
Die Zusammenarbeit, bestehend aus Wissenschaftlern von IBM Research – Zürich, Airlight Energy, einem Zulieferer für Solarstromtechnologie, dem Lehrstuhl für Erneuerbare Energieträger der ETH Zürich und dem Institut für Mikro- und Nanotechnologie MNT der Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs wird von der Schweizer Kommission für Technologie und Innovation mit 2,25 Millionen Schweizer Franken für die Erforschung und Entwicklung eines wirtschaftlichen Hochkonzentrations-Photovoltaischen-Systems (englisch: High Concentration PhotoVoltaic Thermal, kurz: HCPVT) unterstützt. Die geplante Projektdauer beträgt drei Jahre.
Eine Studie der European Solar Thermal Electricity Association und Greenpeace International ergab, dass bereits zwei Prozent der Fläche der Sahara ausreichen würden, um den Strombedarf der Welt zu decken.* Gegenwärtige, am Markt erhältlich Solartechnologien können allerdings nicht in einem so großen Umfang eingesetzt werden, da sie nicht nur zu teuer und nicht schnell genug produzierbar sind, sondern auch große Mengen seltener Erden benötigen und ihre Effizienz häufig auch nicht befriedigend ist.
Das HCPVT-Prototyp-System der Schweizer Wissenschaftler nutzt daher einen großen Parabolspiegel, der aus einer Vielzahl von Spiegelflächen besteht. Dieser ist auf einem Tracking-System befestigt, das den Spiegel im optimalen Winkel zur Sonne ausrichtet. Einmal ausgerichtet, reflektiert der Spiegel die Sonnenstrahlen auf mehrere so genannte Multichip-Empfänger mit Triple-Junction-Chips. Jeder der 1×1 Zentimeter großen Chips kann in einer sonnigen Region während eines Tages mit acht Stunden Sonnenschein durchschnittlich 200-250 Watt abgeben. Der ganze Empfänger vereinigt mehr als 100 solcher Chips und liefert 25 kW elektrische Energie.
Die Photovoltaik-Chips sind auf einer Schicht aus Mikrokanälen befestigt, durch die flüssiges Kühlmittel nur wenige Mikrometer unterhalb des Chips hindurch gepumpt wird, um so die durch die Konzentration entstehende Hitze abzutransportieren. Diese Flüssigkühlung ist zehn Mal effektiver als eine passive Luftkühlung. Das Kühlmittel hält die Chips bei einer 2000-fachen Konzentration des Sonnenlichts auf einer nahezu gleichen Temperatur wie das Kühlmittel und kann selbst bei einer 5000-fachen Konzentration eine sichere Arbeitstemperatur gewährleisten. Das Kühlsystem wurde durch den hierarchischen Aufbau des menschlichen Blutkreislaufes inspiriert und bedarf nur einer geringen Pumpkraft.
„Wir planen den Einsatz von Triple-Junction-Photovoltaikzellen auf einem Mikrokanal gekühlten Modul, das mehr als 30% der gebündelten Sonnenstrahlung in Strom umwandeln kann und gleichzeitig eine Nutzung der Abfallwärme von über 50% zulässt,“ sagte Bruno Michel, Manager der Gruppe Advanced Thermal Packaging bei IBM Research – Zürich.
„Wir denken, dass wir dies zuverlässig mit einem sehr praktischen Design, bestehend aus innovativen Sonnenfolgern aus Beton, und einer Primäroptik aus kostengünstigen, pneumatischen Spiegeln erreichen können. Es ist eine Neuentwicklung, die auf die Verwendung außergewöhnlich sparsamer Mittel aufbaut, aber auf jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Mikrotechnologie und Leichtbau Betontechnik aus dem Brückenbau beruht.“
Das Multi-Chip-Receiver-Design basiert auf IBM Prozessorkühlungen, die im Rahmen einer Kooperation zwischen IBM und dem Egypt Nanotechnology Research Center für die Kühlung von Photovoltaikchips weiterentwickelt wurden.
„Die Konstruktion des Systems ist elegant einfach“, sagte Andrea Pedretti, CTO von Airlight Energy. „Wir ersetzen teuren Stahl und Glas mit kostengünstigem Beton und einfachen, unter Druck stehenden, metallisierten Folien. Die kleinen Hightech-Komponenten, insbesondere die Mikrokanalkühler, und die Formen können in der Schweiz hergestellt werden, während die restliche Konstruktion und Montage in den Ziel-Regionen erfolgen kann. Dies führt zu einer Win-Win-Situation, in der das System konkurrenzfähig ist und Arbeitsplätze in beiden Regionen geschaffen werden.“
Die Optik zur Konzentration der Sonneneinstrahlung wird durch die ETH Zürich entwickelt werden. „Zur Optimierung des Designs der optischen Konfiguration und um einheitliche Solarflüsse zu erreichen, damit 2000 Sonnen auf der Oberfläche der PV-Zelle erzielt werden können, sollen für das System fortschrittliche numerische Ray-Tracing-Technologien eingesetzt werden“, sagte Aldo Steinfeld, Professor an der ETH Zürich.
Durch diese hohe Konzentration des Sonnenlichts und dank dem radikal kostengünstigen Design gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sie einen Preis von unter 250 Dollar pro Quadratmeter Kollektoröffnung erreichen können. Dies ist drei Mal weniger als bei vergleichbaren Systemen. Die Durchschnittskosten für die produzierte Energie werden dann weniger als 10 Dollar-Cents pro Kilowattstunde (KWh) betragen. Zum Vergleich, die Einspeisungspreise für Strom in Deutschland liegen momentan über 25 Cent pro KWh und die Produktionskosten eines Kohlekraftwerkes betragen 5 bis 10 Cent pro KWh.
Quelle
IBM Deutschland 2013