„Solarbundesliga“ – sportlich zur Energiewende
Die „Solarbundesliga“ startete 2001 mit der Suche nach dem ersten Deutschen Solarmeister unter den Städten und Gemeinden. Seit dieser Zeit hat sich der Wettbewerb etabliert. Mehr als 2000 deutsche Städte und Gemeinden vergleichen sich inzwischen in der Solarbundesliga. Und der Wettbewerb ist damit auch ein Symbol für den Anspruch kommunaler Akteure, die Energiewende in die eigenen Hände zu nehmen. Ein Bericht von Robert Spreter & Andreas Witt
Sommer 2011 im Kronprinzenkoog: Die kleine Gemeinde hoch oben im Norden Deutschlands richtet die Meisterfeier der Solarbundesliga aus und verbindet dies gleich mit einer regionalen Messe sowie einem Volksfest für erneuerbare Energien. Wie in jedem Jahr werden die Kommunen in den unterschiedlichen Größenklassen geehrt, die je Einwohner die meisten Quadratmeter solarthermischer Kollektoren und/oder die meisten Kilowatt photovoltaischer Leistung installiert haben. Vertreter von Gemeinden aus ganz Deutschland reisen an, um sich miteinander über die Energiewende auszutauschen.
Der Kronprinzenkoog zeigt, ebenso wie andere Kommunen, was engagierte Bürger zu leisten imstande sind. Denn der Ort mit seinen 882 Einwohnern produziert nach Aussage von Bürgermeister Thomas Masekowitz Strom für einige 10 000 Haushalte – mit Biogas-, Solarstrom- und vor allem Windkraftanlagen. Damit haben die Kronprinzenkooger schon in den 1980er Jahren begonnen. Und sie sind nur ein Beispiel für das Engagement in vielen Kommunen.
Das reicht vom Norden bis in den Süden, der in den ersten Jahren die Solarbundesliga dominierte. Der große Solarstromausbau im Norden begann erst später. Mehrere Jahre hintereinander wurde das bayerische Rettenbach am Auerberg Meister der Solarbundesliga. Gemeinsam hatten die Rettenbacher dafür gestritten, wieder zur eigenständigen Gemeinde zu werden, nachdem sie zuvor gegen ihren Willen eingemeindet worden waren. Sie waren erfolgreich und setzten ihren Willen zur Eigenständigkeit durch. Dies gilt auch für die Energieversorgung. Die Wertschöpfung mit erneuerbaren Energien im eigenen Ort und der eigenen Region ist hier – wie auch in anderen Gemeinden – schon seit einem Jahrzehnt gelebte Wirklichkeit, also einige Jahre bevor das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung diese Tatsache wissenschaftlich untermauerte (IÖW 2010).
Erneuerbare Energien sind in diesen Gemeinwesen inzwischen fest verwurzelt. Im Männergesangsverein von Rettenbach wird auf hohem Niveau über Photovoltaik, nachhaltige Holzwirtschaft und Pflanzenölmotoren gefachsimpelt. Und dies mit messbaren Erfolgen. Allein mit Solarstromanlagen bringen es die Rettenbacher pro Kopf auf mehr als 4 Kilowatt elektrischer Spitzenleistung. (Stand Frühjahr 2012) Im Kronprinzenkoog sind es je Einwohner sogar rund doppelt so viel. Und im schleswig-holsteinischen Glüsing kommen die Bürger gar auf die dreifache Pro-Kopf-Leistung. Umgerechnet auf die Bundesrepublik Deutschland würde diese Pro-Kopf-Leistung etwa 1000 Gigawatt entsprechen.
Keine Energiewende ohne die Kommunen
Doch noch zu selten sind solche Beispiele bekannt, werden bundesweit oder im eigenen Bundesland anerkannt. Die Energiepolitik wird vorgeblich in Berlin gemacht, nicht in irgendwelchen kleinen Dörfern. Gern vergisst man auch, dass es das für den Aufbau der erneuerbaren Energien in Deutschland so erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht geben würde, wäre es nicht schon vorher in einigen Kommunen in Form der „kostendeckenden Vergütung“ ausprobiert worden.
Im Jahr 2003 schrieb Harald Kächele, der Vorsitzende der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in der kommunalen Fachzeitschrift „Gemeinderat“: „Wir schreiben das Jahr 2010. In Deutschland liegt der Anteil regenerativer Energiequellen an der Stromerzeugung bei mehr als 18 % … Utopie? Oder erreichbares Ziel?“ Im Jahr 2010 waren es dann tatsächlich 17 % und 2011 nach Angaben des Bundesumweltministeriums gar 20 %. Eine „Utopie“ ist Wirklichkeit geworden.
Wichtig dafür war die Gesetzgebung. Angefangen hatte es mit dem 1991 in Kraft getretenen Stromeinspeisungsgesetz, das von der CDU-geführten Regierung auf den Weg gebracht wurde, an dem im Hintergrund allerdings Abgeordnete aus allen im Bundestag vertretenen Parteien mitgewirkt hatten. Damit wurde der Grundstein für einen wirtschaftlichen Betrieb zunächst nur von Wasserkraftanlagen und Windkraftwerken gelegt. Schon zuvor waren zwar von einzelnen Idealisten Windkraftanlagen aufgestellt worden, doch erst mit diesem Gesetz hatte diese Technologie eine echte Chance. Sie musste allerdings in den Regionen ergriffen werden.
Ähnlich war dies, als mit dem EEG auch für andere erneuerbare Energien wie Biomasse und Solarenergie dieselbe Chance im Strombereich eröffnet wurde. Doch selbst mit diesem Gesetz allein wurden erneuerbare Energien nicht zum Selbstläufer. Dies zeigt sich auch jetzt noch. Es gibt weiterhin deutliche Unterschiede, wie viele Solarstromanlagen auf den Dächern zu finden sind.
Im Jahr 2001, beim Start der Solarbundesliga, war noch viel Überzeugungsarbeit in den Kommunen zu leisten. Den Bürgern musste der Sinn erneuerbarer Energien erklärt werden, sie mussten motiviert werden und dann auch noch darin bestärkt werden, ihr Geld in eine noch recht neue Technik zu investieren. Ähnlich galt – und gilt – dies auch für den Wärmebereich, für solarthermische Anlagen und moderne Holzheizungen. Und hier fehlt noch immer ein wirklich überzeugendes, vor allem kontinuierliches Förderkonzept. Gerade hier zeigt sich daher, wie engagiert sich kommunale Akteure, von der Lokalen-Agenda-Gruppe bis zur Bürgermeisterin, mit erneuerbaren Energien befassen und es dann schaffen, die Bürger mitzunehmen.
Ein Blick in den Tabellen der Solarbundesliga zeigt das Potenzial, das zum Beispiel in der Solarwärme steckt. Während in Leutkirch im Allgäu (22 000 Einwohner) immerhin 0,3 m2 solarthermische Kollektorfläche pro Kopf installiert sind, ist es in vielen Gemeinden gleicher Größe nicht einmal ein Zehntel davon. Dabei unterscheiden sich hier die grundsätzlichen Bedingungen nicht wesentlich. Es sind also andere, lokale Faktoren und nicht zuletzt persönliches Engagement, die den Unterschied ausmachen.
Das wird, wie gesagt, selten so gesehen. Und auch die Energiestatistiken reflektieren eher den bundes- oder landesweiten Blick. Gleichzeitig gibt es allerdings den Wunsch (und die Notwendigkeit), sich auf einer Ebene vergleichen zu können, um zu ermessen, was man selbst bereits geschafft hat und woran man noch arbeiten muss.
Solarbundesliga – um sich messen zu können
Die Gründung der Solarbundesliga ist direkt auf eine Anfrage aus bereits engagierten Kommunen zurückzuführen, die an die Fachzeitschrift „Solarthemen“ im Jahr 2001 herangetragen wurde: „Wir tun schon recht viel bei uns … Aber wir wissen nicht recht, wo wir stehen. Könnt Ihr da nicht mal was machen?“
Der Frage folgte ganz normale journalistische Arbeit seitens der Zeitschrift: ein paar Recherchen bei weiteren Kommunen zu den installierten Solaranlagen, das Erstellen einer Tabelle mit den Pro-Kopf-Leistungen bzw. Flächen, die in der Zeitschrift veröffentlicht werden sollten. Verbunden wurde die Veröffentlichung dann mit dem Aufruf, weitere Kommunen mögen sich melden, wenn sie in den Vergleich einbezogen sein wollten.
Im ersten Schritt umfasste die Tabelle nur 10 Kommunen. Doch es wurden schnell mehr. Das Ranking wanderte ins Internet und wurde dazu „Solarbundesliga“ getauft. Nach wenigen Monaten stieß hier die Deutsche Umwelthilfe als Mitorganisator hinzu, als sich der damalige Bundesgeschäftsführer Jörg Dürr-Pucher spontan für die Idee begeisterte. Im Sommer des Jahres 2001 wurde unter 75 teilnehmenden Gemeinden das erste Mal ein deutscher Meister gekürt: Es war die damals eigenständige Gemeinde Geesow in der brandenburgischen Uckermark, die inzwischen zur Stadt Gartz gehört.
Immerhin 100 kW Solarstromleistung hatten zwei lokale Investoren im etwas mehr als 200 Seelen zählenden Geesow auf einer ehemaligen Müllkippe installiert – und nie damit gerechnet, so ins öffentliche Rampenlicht zu kommen. Tatsächlich erhielten sie wegen des Sieges sogar Besuch von einem japanischen Fernsehsender. Und auch in der nicht gerade von großer öffentlicher Aufmerksamkeit verwöhnten Region sicherte dies der Solarenergie plötzlich mehr Beachtung.
Solarenergie war nicht immer bei kommunalen Honoratioren angesagt gewesen. Doch wenn dann der örtliche Solarverein mit einer Urkunde zur guten Platzierung der Gemeinde von der Meisterfeier der Solarbundesliga vor die Presse trat, ließ sich auch der eine oder andere Bürgermeister dabei gern fotografieren – und der öffentlichen Präsentation vielleicht sogar Taten folgen.
Die Solarbundesliga ist eines der langlebigsten und beständigsten Umweltprojekte in der kommunalen Landschaft. Das Geheimnis des Erfolgs liegt wohl zunächst in der einfachen Struktur des Wettbewerbs. Für je drei Watt installierter Photovoltaikleistung pro Kopf gibt es einen Punkt; dabei werden sehr große Solarstromanlagen nur eingeschränkt in die Wertung einbezogen. Ebenfalls einen Punkt gibt es pro Quadratdezimeter (Bierdeckelgröße) installierter solarthermischer Kollektorfläche je Einwohner. Mit leichten Modifikationen gelten diese Regeln seit dem Start; sie sind aber auch offen, um neue Entwicklungen aufnehmen zu können.
Wichtig ist wohl vor allem, dass nur wenige Zahlen zu nennen sind. Melden kann diese Zahlen jeder, der sie glaubhaft und plausibel präsentieren kann. Es wird nicht erwartet, dass schon direkt eine Vollerhebung aller Anlagen in einer Gemeinde erfolgen muss. Werden später weitere Anlagen entdeckt, können sie nachgemeldet werden. Die Solarbundesliga soll so auch dazu verhelfen, dass in einer Kommune bekannt wird, wie viele Anlagen tatsächlich schon errichtet wurden.
Bewusst ist die Solarbundesliga kein wissenschaftliches Instrument. Sie soll vor allem ein Forum sein für engagierte Kommunen. Dabei setzt sie auf den Wettbewerbscharakter. Fortlaufend wird das Ranking im Internet aktualisiert. Das schafft auch für andere Medien Anlässe, über erneuerbare Energien auf lokaler Ebene zu berichten. Die 35. Solaranlage mag für Journalisten kein Grund sein, einen Bericht zu schreiben. Doch wenn diese Anlage dafür sorgt, dass Gemeinde X die Nachbargemeinde Y in der Solarbundesliga überrundet, ist das eine Meldung wert sein – und erneuerbare Energien sind wieder ein Thema.
Spiel mit den Medien
Die Sieger der Solarbundesliga werden analog zur Fußballbundesliga immer im Sommer geehrt. Die Veröffentlichungen spielen hierbei mit Analogien zum Sport. Die Solarbundesliga ist keine bierernste Veranstaltung – sie soll Spaß machen. Allerdings hat sie auch dazu beigetragen, der lokalen und regionalen Ebene als aktiver Ort der Energiewende Aufmerksamkeit zu sichern.
Und analog zum Leitspruch des Fußballvereins Borussia Dortmund in der Saison 2011/2012 „Wir sind Fußball“ können wohl einige Gemeinden erklären: „Wir sind die Energiewende.“ Oder, um den FC Bayern als Konkurrenten der Borussia nicht zu vergessen, kann auch deren Motto „Mir san mir“ für die Energie- und Klimapolitik von Städten und Gemeinden gelten, frei übersetzt mit: „Wir tuns halt auf unsere Art.“
Gesamtsieger wurden bisher immer kleine Orte. Damit die Solarbundesliga aber auch für mittelgroße und große Städte attraktiv wird, gibt es eigene Wertungen auch für Großstädte mit über 100.000 Einwohnern, Mittelstädte mit über 20 000 Einwohnern und Kleinstädte mit über 5000 Einwohnern.
Es ist klar, dass bei über 2000 teilnehmenden Städten und Gemeinden nur wenige von ihnen in der Solarbundesliga ganz vorn stehen können. Doch jede kann sich so mit anderen auf Landes- oder Kreisebene messen – alle Rankings sind ständig aktualisiert einsehbar auf: www.solarbundesliga.de
Zudem haben sich auf Basis und in Kooperation mit der Solarbundesliga inzwischen regionale Meisterschaften etabliert; mit den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und des Saarlandes gibt es eine Kooperation.
Wenn sich die Solarbundesliga über mehr als ein Jahrzehnt gehalten hat, so liegt dies auch am Finanzierungskonzept. Für den Verlag der „Solarthemen“, der die Stütze des Wettbewerbs bildet, war dafür immer eine möglichst schlanke Konstruktion wichtig. Drei Jahre lang – von 2003 bis 2006 – förderte das Bundesumweltministerium die Solarbundesliga als Projekt. Außerdem liefern Fans und Sponsoren wichtige finanzielle Beiträge. Seit wenigen Jahren unterstützen Rheinland-Pfalz und das Saarland die Solarbundesliga. Das jährliche Gesamtbudget bewegt sich in einem niedrigen fünfstelligen Bereich.
Die Solarbundesliga ist aber keine Hochglanzveranstaltung, sondern stützt sich auf das Engagement in den Kommunen. Die Konstruktion und Zielsetzung bilden so eine Einheit. Die Solarbundesliga ist insofern kein Selbstzweck. Deren Initiatoren folgten einem Aufruf aus den Kommunen, um eine Vergleichsmöglichkeit zu schaffen, die sich über die Jahre zu einem Mittel der Kommunikation und Motivation entwickelte. Hier zeigen sich selbstbewusste Kommunen, die die Energiewende in die eigenen Hände nehmen.
Im Jahre 2001 setzen einige von ihnen bereits auf Solarenergie, zu einer Zeit, als dies noch eher als Feld für Idealisten galt. Für die Energiekonzerne schien die Solarenergie völlig unbedeutend. Lächerlich der Gedanke, dass mit Solarenergie einmal auch nur ein Atomkraftwerk oder Kohlekraftwerk zu ersetzen sei. Vielleicht ließen die Konzerne die Solaraktivisten zunächst auch deswegen relativ ungestört agieren.
Inzwischen regt sich hier und da Widerstand gegen den Solarstrom – dies aber vor allem auf der Bundesebene. Da wird vor allem von den Kosten gesprochen oder von einem angeblich auch aus technologischen Gründen notwendigen „Deckel für Solarstrom“, der zu fluktuierend und nicht speicherbar sei. Ein Lobbykampf wird zwischen der gewachsenen Solarindustrie und konventionell orientierten Energiekonzernen geführt. In den Städten und Gemeinde nimmt dagegen die Energiewende eher pragmatisch in den Blick.
Schon finden sich auf der regionalen Ebene auch unterschiedliche Institutionen zusammen, die an Lösungen zur besseren Integration der Solarenergie in das Stromnetz arbeiten. Die Solarbundesliga ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Forum dafür.
Literatur
IÖW: Kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien. Studie im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien. Berlin 2010.
Im Internet
Quelle
Mit freundlicher GenehmigungRobert Spreter & Andreas Witt 2012Der Artikel erscheint in Jahrbuch Ökologie 2013