Stoppt der Vogelschutz die Windparks in Baden-Württemberg?
Strenge Vorgaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zum Rotmilanschutz verhindern Projekt in Dertingen. Dabei entwickelt sich Population des Greifvogels positiv. ABO Wind sieht Ziele des Landes zur Energiewende in Gefahr.
ABO Wind hat die Planungen des Windparks Dertingen/Wertheim eingestellt. Der Grund ist ein im Juli 2015 veröffentlichtes Hinweispapier zum Vogelschutz der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), das für die Genehmigungsbehörde bindend ist und den wirtschaftlichen Betrieb von Windparks im Offenland so gut wie unmöglich macht.
„Wir hatten in Dertingen einen vor Ort sehr gut akzeptierten Standort mit ordentlichen Windverhältnissen innerhalb einer von der Stadt Wertheim rechtskräftig ausgewiesenen Konzentrationszone für Windkraft“, sagt Urta Steinhäuser, Bereichsleiterin für die Windkraftplanung in Deutschland bei ABO Wind. 51 engagierte Grundstückseigentümer aus den umliegenden Ortschaften haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen, um das Projekt zu ermöglichen. Da zudem kein Rotmilanhorst im Umkreis von 1,6 Kilometern existiert, schienen die Voraussetzungen günstig. Trotzdem kann der Windpark nun nicht realisiert werden. „Das ist alarmierend. Denn wenn es sich sogar an diesem Standort nicht lohnt, einen Windpark im Offenland zu errichten, wird es in Baden-Württemberg wohl kaum mehr möglich sein“, sagt Steinhäuser.
Die bindenden Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen der LUBW beinhalten im Wesentlichen drei Vorgaben zum Schutz des Rotmilans, die das Projekt in Wertheim zu Fall gebracht haben: Anlagen, die in Nahrungshabitaten von Rotmilanen liegen (was im baden-württemberger Offenland für so gut wie alle Anlagen gilt), müssen für vier Tage abgeschaltet werden, wenn im Umkreis von 300 Metern der Boden bearbeitet wird, also ein Landwirt zum Beispiel mäht, mulcht oder pflügt. Überdies gelten strenge Vorgaben für die Bewirtschaftung der Ackerflächen am Fuß der Windenergieanlage. Außerdem ist das Anlegen großer Ablenkflächen für Rotmilane erforderlich.
„Unter anderem zum Schutz der Rotmilane waren wir bereit, den geplanten Windpark von vier auf zwei Anlagen zu reduzieren. Dann hätte er dauerhaft eine Fläche von 0,6 Hektar beansprucht. Nach den Vorgaben der LUBW hätten wir dafür Ablenkflächen in einer Größenordnung von 14,4 Hektar anlegen und regelmäßig bewirtschaften müssen“, erläutert Bereichsleiterin Steinhäuser: „In Kombination mit den übrigen Vorgaben der LUBW ist das unverhältnismäßig und es ließ sich vor allem auch vor Ort nicht mehr umsetzen. Zumal sich die Population des Rotmilans in Baden-Württemberg in den letzten Jahren verdoppelt hat und er alles andere als selten ist.“
Nicht nur ABO Wind, sondern auch andere Projektentwickler kritisieren die strengen Vorgaben der LUBW. „Soweit uns bekannt, ist im Jahr 2016 noch kein Offenland-Windpark in Baden-Württemberg genehmigt worden“, sagt Steinhäuser: „Wir hätten mit dem Windpark Dertingen gerne einen Beitrag zur Energiewende des Landes geleistet. Unter diesen Bedingungen bezweifele ich aber, dass die ambitionierten Klimaschutzziele der Landesregierung erreicht werden. Denn gemäß der Vorgaben der LUBW ist der Bau von Windparks eigentlich nur noch im Wald möglich, wo keine Nahrungshabitate des Rotmilans liegen“, resümiert Steinhäuser.
Die von ABO Wind ursprünglich geplanten vier Windenergieanlagen in Dertingen hätten jährlich rund 24 Millionen Kilowattstunden klimafreundlichen Strom produziert – genug um rund 20.000 Menschen in ihren Häusern und Wohnung zu versorgen und jedes Jahr mehr als 18.000 Tonnen Kohlendioxid einzusparen.