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Strompreis-Analyse: Licht am Ende der Leitung

Die staatliche Abgabenlast beim Strom sinkt seit Langem erstmals wieder unter 50 Prozent, und das sehr deutlich. Solar- und Windenergie wirken immer mehr als Billigmacher. Das Öko-Institut fordert eine bessere Ökostrom-Kennzeichnung.

Die Debatte über die Stromkosten in Deutschland läuft heiß, seitdem die Schlagzeilen lauten: Deutschland rutscht in eine Rezession.

CDU-Chef Friedrich Merz forderte jetzt eine Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte bereits zum 1. Oktober, während Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schon länger für sein Projekt wirbt, die Wirtschaft mit einem speziellen Industriestrompreis zu entlasten.

In dieser Lage kommt nun eine positive Nachricht: Der Staat ist inzwischen nicht mehr der Haupt-Preistreiber bei Strom. Zudem könnten die Elektrizitätspreise in Deutschland bei einem weiter stark steigendem Ökostrom-Anteil deutlich sinken.

Lange Zeit, fast zehn Jahre lang, kassierte der Staat durch Steuern, Umlagen und Abgaben mehr als die Hälfte der Stromrechnung, doch diese Zeiten sind vorbei. Aktuell sind es nur noch 29 Prozent, wie eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox zeigt.

Ein Faktor dabei ist der Wegfall der EEG-Umlage Mitte vorigen Jahres, die seither aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Mit der seit dem Jahr 2000 erhobenen Umlage ermöglichten die Verbraucher:innen den Ausbau der erneuerbaren Energien.

2018 lag der Staatsanteil am Strompreis bei knapp 57 Prozent, absolute Spitze. Seither ist die Abgabenlast langsam gesunken – und nun erstmals wieder unter die 50-Prozent-Marke gefallen. 

Strompreise bleiben relativ hoch

Problem allerdings: Die geringere Abgabenlast ist nicht gleichbedeutend mit günstigeren Strompreisen. „Zwar hat das EEG-Aus preisdämpfend gewirkt, die hohen Beschaffungskosten fressen die Entlastung jedoch mehr als auf“, erläuterte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck.

Die Stromkosten für einen Dreipersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden belaufen sich laut Verivox aktuell auf 1.583 Euro pro Jahr. Davon gehen 777 Euro und damit knapp die Hälfte (49 Prozent) an die Energieversorger für Beschaffung, Marge und Vertrieb. 350 Euro (22 Prozent) entfallen auf die Netznutzungsentgelte. Steuern, Abgaben und Umlagen machen mit 456 Euro 29 Prozent aus.

Trotz der Absenkung gehört Deutschland im europäischen Vergleich nach wie vor zu den Ländern mit der höchsten Steuer- und Abgabenrate bei der Elektrizität. Im EU-Schnitt betrug der Staatsanteil am Strompreis im zweiten Halbjahr 2022 laut dem EU-Statistikbüro Eurostat 15 Prozent.

In Deutschland gingen demnach von jedem Euro Stromkosten 31 Cent an den Staat. EU-weit befindet sich die Bundesrepublik damit auf Platz drei. Noch höher war der Anteil an Steuern, Abgaben und Umlagen mit jeweils 38 Prozent nur in Dänemark und Polen.

Storck dazu: „Mit einer Senkung der Strom- oder der Mehrwertsteuer könnte die Ampel-Regierung Verbraucherinnen und Verbraucher weiter entlasten.“ 

„Der niedrigste Strompreis kann nicht das Ziel sein“

Einen positiven Ausblick in die Zukunft des Strommarktes hat unterdessen der Stromnetzbetreiber 50 Hertz gegeben. Dessen Chef Stefan Kapferer geht davon aus, dass die Strompreise hierzulande bei stark steigendem Anteil erneuerbarer Energien deutlich und dauerhaft sinken werden.

Bereits jetzt sänken die Preise an der Strombörse „gewaltig“, sobald der Ökostrom-Anteil im 50‑Hertz-Netz auf mehr als 90 Prozent steige, sagte Kapferer jüngst gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Im Jahresdurchschnitt 2022 seien bereits in jeder sechsten Stunde 100 Prozent erreicht worden, was zu Preisen von zehn Cent oder weniger pro Kilowattstunde führe.

Bis 2032 wolle 50 Hertz die 100-Prozent-Quote „an vier bis fünf von sechs Stunden“ erreichen. Das Unternehmen betreibt das Stromübertragungsnetz im Nordosten Deutschlands und in Hamburg, in dem Versorgungsgebiet leben 18 Millionen Menschen.

Kapferer betonte, den Erneuerbaren-Ausbau voranzutreiben, sei das beste Unterstützungsprogramm für die deutsche Industrie. Zur Wahrheit gehöre, dass der Strom in Deutschland auch früher teurer gewesen sei als in vielen anderen Ländern. Doch nicht der niedrigste Preis könne das Ziel sein, sondern einer, der die Unternehmen wettbewerbsfähig halte.

Hier sehe er aber keine dauerhafte Gefahr, nachdem die Preise gegenüber dem letzten Jahr schon erheblich gesunken seien, sagte der 50‑Hertz-Chef. „Die Frage ist, wie wir das rettende Ufer erreichen, also bis wann genug erneuerbarer Strom verfügbar ist. Das ist aber eine Frage von drei, vier Jahren.“

Aus Kapferers Sicht wird auch die Gefahr der sogenannten Dunkelflauten häufig übertrieben. Es bleibe zwar eine Herausforderung, wenn der Wind eine Weile nicht wehe und die Sonne längere Zeit nicht scheine. Das Problem reduziere sich jedoch Stück für Stück.

Die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik ergänze sich im Jahresverlauf gut, zudem es gebe Interkonnektoren in Nachbarländer, die über Ökostrom-Überschüsse verfügen, hinzu komme mehr Offshore-Windstrom und damit mehr Kontinuität in der Erneuerbaren-Erzeugung. Überdies könnten die Speicherkapazitäten der Stauseen in Skandinavien flexibel genutzt werden, und es gebe den Stromaustausch mit Nachbarländern wie Frankreich.

„Ja, französischer Atomstrom wird in Zukunft eine Quelle unter vielen sein, damit in Deutschland die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden können“, erläuterte Kapferer, der früher Wirtschaftsstaatssekretär war und ein FDP-Parteibuch hat. Die Importmengen würden aber auch in Zukunft „überschaubar“ sein.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2023 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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