VDMA: Aus der Stromwende muss eine umfassende Energiewende werden
Europa droht die Vorreiterrolle für Energiewende-Technologien zu verlieren. Eine Konjunkturtrend-Umfrage des VDMA-Fachverbands Power Systems zeichnet ein gemischtes Bild der Weltmärkte: Demnach droht Europa die Vorreiterrolle für Energiewende-Technologien zu verlieren. In der Erneuerbaren-Finanzierung deutet sich eine neue Zeit an.
„Mittel- und Südamerika sowie Asien sind aktuell die dynamischsten Märkte für den Energieanlagenbau insgesamt.“ Dieses Fazit der aktuellen Konjunkturtrend-Umfrage zog Dr. Markus Tacke, Vorsitzender des VDMA Fachverbands Power Systems und Head of Offshore, Siemens Gamesa Renewable Energy, anlässlich der Hannover Messe. Zu den einzelnen Sparten im Energieanlagenbau erläuterte er: „Der Trend ist global stabil für Windenergieanlagen, sehr heterogen und schwierig dagegen im Bereich der Turbinenkraftwerke und Wasserkraftanlagen. Motorenanlagen sind gut unterwegs aufgrund von Nachholeffekten und einem anhaltenden Trend zu kleineren Anlagen.“
Die Konjunkturlage im deutschen Markt bietet kein wirklich erfreuliches Bild. Positiv bewertet werden lediglich Windenergie an Land und Motorenanlagen, die durch die Auflösung des Investitionsstaus bei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zuletzt einen Auftragsschub erlebten. Extrem schwierig ist der Heimatmarkt dagegen für thermische Kraftwerke über 100 MW und für Wasserkraftanlagen einschließlich der Pumpspeicher. In der Offshore-Windenergie haben die Festlegungen des neuen EEG bei Herstellern und Investoren erhebliche Verunsicherung verursacht. Matthias Zelinger, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, erläuterte dazu: „Einerseits haben wir Vorzieheffekte bei Windenergie an Land und Motorenanlagen wegen der Umstellung auf das Ausschreibungssystem. Andererseits gibt es die bestehenden, nicht zukunftsfähigen Überkapazitäten im Kraftwerkspark und eine massive Verunsicherung bei Investoren“.
Gedämpfte Stimmung auch im restlichen Europa
Die gedämpfte Stimmung in Deutschland entspreche zugleich der Gesamtstimmung auch im restlichen Europa, fügte Zelinger hinzu.
„Europa ist heute zwar noch in vielen Bereichen technologisch in der Spitzenposition, jedoch nicht mehr der alleinige Leitmarkt für die Energiewende und den Klimaschutz“, betonte Rainer Kiechl, CEO Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe und stellvertretender Fachverbandsvorsitzender. „Wenn wir die technologische Führung behalten wollen, dann müssen wir modernste Windenergieanlagen, zukunftsfähige Gaskraftwerke oder Speicher wie Power-to-X in unserem Heimatmarkt realisieren. Dies schafft dann auch ein erhebliches Potenzial für den Export.“
Die Branche habe zum Beispiel umfassend in die großtechnische Stromspeicherung und die Erzeugung von Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien investiert. Unter dem Leitmotto „Integrated Industry“ gebe es viele Beispiele, wie Unternehmen die notwendigen Technologien für eine Sektorenkopplung marktreif machen und so mithelfen, die Klimaschutzziele zu erreichen. „Aber es fehlen die notwendigen Rahmenbedingungen, damit diese Energiewendetechnologien auch wirtschaftlich erfolgreich eingesetzt werden können“, ergänzte Kiechl.
Nur durch langfristig kalkulierbare wirtschaftliche Rahmenbedingen mit entsprechenden Preissignalen lassen sich diese zukunftsweisenden Technologien in den Markt integrieren. „Die Reform des Emissionshandels bietet eine gute Chance, dringend benötigte zusätzliche Impulse für den Klimaschutz zu setzen“, sagte Kiechl. Bislang sei dies nicht der Fall.
„Mit Blick auf Sektorkopplung, die Diskussion über eine mittelfristige Marktintegration der Erneuerbaren Energien sowie dem möglichen Ende der Einspeisevergütung aus dem EEG wäre eine umfassende Debatte über die Bepreisung von Treibhausgasemissionen und über alle anderen Energiepreisbestandteile sinnvoll“, fügte Tacke hinzu.
Energie- statt Stromwende politisch organisieren
Für die Gesamtbranche formulierte Matthias Zelinger in seiner Rolle als energiepolitischer Sprecher des VDMA eine umfassende Forderung an die nächste Bundesregierung: „Die Politik muss Energie noch viel mehr als ein Gesamtsystem aus Umwandlung, Speicherung und Verbrauch über alle Energieträger hinweg denken. Aus der Stromwende muss eine Energiewende in allen Bereichen werden, bei der alle Technologie- und Flexibilitätsoptionen im fairen Wettbewerb miteinander stehen.“
Wie der zukunftsfähige Technologiemix aussieht, solle aber letztlich nicht die Politik entscheiden, forderte der VDMA. Sie müsse vielmehr Barrieren zwischen den Einzelsystemen abbauen, wie zum Beispiel im Strom- und Gasnetz sowie der Wärmeversorgung, so dass sich die Energienutzung nach Wert und Eigenschaften und nicht nach Abgaben- und Steuersystemen richtet.
Effizienz bleibt entscheidender Schlüssel
Im Bereich Energieeffizienz ist die Politik in dieser Legislaturperiode bereits einen Schritt vorangekommen. „Der Begriff „Efficiency First“ weist dem ehemaligen Stiefkind der Energiewende nun einen hohen politischen Stellenwert zu,“ sagte Zelinger. Der VDMA beteiligt sich an der von Bundesregierung und Wirtschaft gemeinsam getragenen Initiative „Energieeffizienz-Netzwerke“ mit dem Ziel, Unternehmen beim Heben ihrer Effizienzpotenziale zu unterstützen. Auf der Hannover Messe stellt der VDMA auch seine eigenen Netzwerke vor.