Wenn Totengräber die Energiewende retten
Seit Monaten bremst Energieminister Sigmar Gabriel die Energiewende aus. Wenn das derzeitiges Wende-Tempo beibehalten wird – das Wachstum des Ökostromanteils soll in diesem Jahr nochmal halbiert werden gegenüber einem schon geringen Wachstum 2013 – dann dauert die Energiewende hierzulande etwa 150 Jahre.
Jeder politische Beobachter weiß, dass politische Sprache oft ein Instrument der politischen Verschleierung und Verdrängung ist und nicht ein Instrument der Erleuchtung und Erklärung. Wenn es um Kriege geht, dann reden die heftigsten Kriegstreiber besonders oft vom Frieden. Dieses Phänomen der Wortverdrehung war auch in der letzten Woche im Deutschen Bundestag zu beobachten als das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz zur ersten Lesung anstand. Drei markante Beispiele:
Seit Monaten bremst Energieminister Sigmar Gabriel die Energiewende aus. Wenn das derzeitiges Wende-Tempo beibehalten wird – das Wachstum des Ökostromanteils soll in diesem Jahr nochmal halbiert werden gegenüber einem schon geringen Wachstum 2013 – dann dauert die Energiewende hierzulande etwa 150 Jahre. Jedesmal wenn dieser Minister auch nur das Wort Energiewende in den Mund nimmt müsste er rot werden vor Scham. Sein Mantra: Die Energiewende müsse bezahlbar werden. Dabei ist er es, der den teuren Offshore-Windstrom fördert und vielen Großbetrieben Ausnahmen von der EEG-Umlage zuschustert, was den Strom für Privaterbraucher und Mittelständler teurer macht.
Wenn Gabriel den Strompreis wirklich günstiger gestalten wollte, dann könnte er für eine Steuersenkung auf Strom kämpfen oder sich für einen Zukunftsfonds für die Finanzierung der Energiewende engagieren, wie ihn Klaus Töpfer und Ilse Aigner schon lange vorgeschlagen haben. Doch dem Wirtschaftsminister geht es gar nicht um billigeren Strom. Er will sich vielmehr der Großindustrie mit möglichst viel Befreiung bei der Öko-Umlage für die nächste Wahl als Kanzler empfehlen.
Oder: Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Er hat jetzt plötzlich davon gesprochen, dass die deutsche Solarbranche fit gemacht werden müsse für die Zukunft. Das war diese Branche noch vor wenigen Jahren. Aber als Regierungspartei hat die SPD dazu beigetragen, dass sich heute die boomenden Solarbranchen in Japan, China und Kalifornien befinden während hierzulande eine Solarfirma nach der anderen Insolvenz anmelden muss.
Oder: Micheal Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der CDU-CSU-Bundestagsfraktion. Ausgerechnet der Mann, der in vielen Talkshows weniger Einspeise-Vergütung für die Erneuerbaren forderte und für neue Kohlkraftwerke kämpfte, sagt jetzt: Die Branche der Erneuerbaren dürfe nicht kaputt gemacht werden. Es gibt in der deutschen Politik kaum jemand, der mehr verantwortlich dafür ist, dass aus 400.000 Arbeitsplätzen in der Ökobranche in wenigen Jahren 300.000 geworden sind als dieser Michael Fuchs. Die ewigen Subventionen für Atom- und Kohlestrom und die Folgekosten für den Klimawandel durch fossile Energien hat niemand so sehr ausgeblendet wie dieser jetzige Retter der Erneuerbaren.
Es ist nur noch komisch, wenn sich die Totengräber der Energiewende jetzt als deren Retter aufspielen. Wähler sollten dieses Spiel leicht durchschauen.
Quelle
Franz Alt 2014