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Wir brauchen viel mehr Wasserstoff und der muss umweltverträglich sein

Wer eine ökologische Wasserstoffwirtschaft will, muss auch bei uns die zudem preiswerte Stromerzeugung insbesondere aus Solar und Wind konsequent ausbauen. Die umweltverträglichen Möglichkeiten haben wir in Bayern wie in Deutschland. Sieben Thesen:

1. Wasserstoff (H2) ist ein Industrieprodukt und nicht ein Rohstoff. Manche erliegen der Illusion oder schüren sie, dass H2 wie Erdgas aus unserer Erde gefördert werden könne. In Wirklichkeit ist ungebundener Wasserstoff (also nicht beispielsweise in Wasser gebundenes Element) in der Industrie ein Hilfsstoff und in der Energiewirtschaft ein Energieträger (Strom ist auch ein Energieträger). Schon lange wird in der Chemieindustrie, der Metallindustrie, in Raffinerien oder auch in Anwendungen wie dem Schweißen Wasserstoff eingesetzt.

Laut allerdings merkwürdig alten Zahlen des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) werden täglich in Deutschland rund 3 Milliarden Normkubikmeter Wasserstoff produziert. Wasserstoff ist leicht, so dass dies täglich nur etwa 300 Tonnen sind. Der meiste Wasserstoff wird wohl als Koppelprodukt in Ölraffinerien erzeugt – und dort auch wieder verbraucht.

2. H2 kann mittels Elektrolyse aus Wasser erzeugt werden. Hierfür werden energetische Wirkungsgrade von rund 70 Prozent angegeben. Die andere Energie wird als Wärme frei.

3. Heute: Wasserstoff wird nahezu ausschließlich aus Erdgas (CH4) hergestellt und überwiegend per LKW geliefert. Die Herstellung aus Erdgas erfolgt durch den Reformingprozess. Dabei wird mittels Energiezufuhr das CH4-Molekül in Kohlenstoff und Wasserstoff gespalten. Dies ist viel billiger als die Wasserelektrolyse bei der H2O mittels Energiezufuhr in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird.

Die meisten industriellen Anwender bekommen den Wasserstoff in Stahlflaschen per LKW geliefert. „Ein 40-Tonner kann gerade mal 350 Kilogramm gasförmigen Wasserstoff transportierenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoffwirtschaft

4. Die Wasserstofferzeugung aus Erdgas ist sehr klimaschädlich. Das Erdgasmolekül CH4 hat eine mindestens 25fache Treibhausgaswirkung wie das CO2-Molekül. Somit sind schon kleine Leckagen, aus denen Erdgas entweicht, sehr klimaschädlich. Der bei der Aufspaltung des CH4-Moleküls übrig bleibende Kohlenstoff (C) wird in der Regel zu Kohlendioxid (CO2) und klimaschädigend in die Umwelt gelassen.

5. Ökologisch wichtig bei der Wasserstoffwirtschaft ist die Wärmenutzung. Wenn eine Elektrolyse mit einem Wirkungsgrad von 70 % betrieben wird, bedeutet dies, dass von 10 eingesetzten Kilowattstunden (kWh) Strom 7 in Wasserstoff und 3 in Wärme umgewandelt werden. Wenn bei der Rückverstromung des Wasserstoffs in Verbrennungsmotoren ein Wirkungsgrad von 40 % und in Brennstoffzellen je nach Technik von 35 % – 60 % erreicht wird, gehen hier 65 bis 40 Prozent der Energie des Wasserstoffs in Wärme über. Selbst ohne Berücksichtigung der ebenfalls beträchtlichen energetischen Transportverluste hat somit ein Prozess „Strom zu Wasserstoff zu Strom“ nur einen Gesamtwirkungsgrad von etwa einem Drittel. Das heißt, aus eingesetzten 3 Kilowattstunden Strom wird am Schluss wieder eine Kilowattstunde Strom gewonnen.

Insofern ist die Wasserstoffwirtschaft im Energiebereich nur sinnvoll, wenn die bei den Umwandlungsprozessen anfallende Wärme genutzt wird. Dies soll beispielsweise bei der geplanten Elektrolyseanlage in einem Industriegebiet im Hamburger Hafen der Fall sein.

Dies ist zumindest für die Elektrolyse kaum der Fall, wenn diese im warmen Marokko betrieben wird, wo keine Fernwärmenutzung denkbar ist.

6. Ökonomisch. Bis heute kostet Wasserstoff an den Tankstellen trotz Subventionierung des Preises viel mehr als andere Brennstoffe. Die Wasserstofffirmen haben mir in den letzten Jahren auf meine Fragen nach den heutigen und den zukünftigen Kosten geantwortet, dass die Preise „politisch“ seien.

Bei der Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse müssen einerseits die hohen Kosten der Anlage (bisher werden keine Prognosen öffentlich gewagt, wie weit diese Kosten durch Massenproduktion und technische Fortschritte sinken können) und die Kosten des Strom kalkuliert werden.

Häufig werden Annahmen gemacht, dass man nur Überschussstrom nutzen will, der nur um 1 Cent je Kilowattstunde kosten würde. Allerdings lohnen sich die hohen Anlagenkosten nur, wenn man diese Anlagen nicht bloß wenige hundert sondern viele tausende Stunden im Jahr laufen lässt.

7. Schlussfolgerungen

Politisch: Mit der Wasserstoffdiskussion dürfen wir uns von den Ministern Altmaier und Aiwanger nicht davon ablenken lassen, wie mittels Stromwende in Deutschland der Strom klima- und umweltunschädlich aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird. Zur Dekarbonisierung vieler Industrieprozesse (Stahl- wie Zementerzeugung, chemische Grundstoffe) brauchen wir zukünftig sehr viel Wasserstoff. Wer eine ökologische Wasserstoffwirtschaft will, muss auch bei uns die zudem preiswerte Stromerzeugung insbesondere aus Solar und Wind konsequent ausbauen. Die umweltverträglichen Möglichkeiten haben wir in Bayern wie in Deutschland.

Ökologisch: Wasserstofferzeugung aus Erdgas ist sehr umweltschädlich. Wasserstoffnutzung mittels Elektrolyse macht aus heutiger Sicht nur Sinn, wenn die Wärme genutzt wird und dies spricht für eine Platzierung der Anlagen bei uns in Industriegebieten oder an Fernwärmenetzen.

Ökonomisch. Bis heute ist Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien letztlich viel teurer als der Einsatz der billigen aber klimaschädlichen Energierohstoffe Erdgas, Erdöl und Kohle. Eine CO2-Bepreisung möglichst in ganz Europa entsprechend der Klimafolgekosten dieser Kohlenstoffe ist auch deswegen fällig.

Quelle

Raimund Kamm 2020 | Landesvorsitzender LEE Bayern
Landesvertretung Bayern des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V.

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