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Wird der Solarbranche in Deutschland das Licht ausgeknipst?

Bericht vom 29ten Symposium Photovoltaische Solarenergie im Kloster Banz in Bad Staffelstein vom 12.-14.März 2014. Die Solarkonferenzen im Kloster Banz sind legendär: Jahr für Jahr trifft sich die deutsche Solarbranche für drei Tage im März im Kloster, um sich intensiv auszutauschen. Doch die Stimmung ist trüb, fast surreal. Nach jahrelangen Höhenflügen, nach Produktions- und Preisreduktionsrekorden, nach Massenproduktion und sensationellen Solarstromerzeugungsmengen dreht die Politik der Branche Stück für Stück den Saft ab. Von Astrid Schneider

Firmenschließungen und Entlassungen sind die Folge. Verlagerten sich in den letzten Jahren die Produktionskapazitäten systematisch nach Asien, so droht jetzt eine Insolvenzwelle bei den Händlern, Installateuren und Systemintegratoren, in Handwerk und Planung.

Doch auch die Deutsche Solarforschung ist gefährdet: der größte Teil der Fördergelder wird nur komplementär zu Industriemitteln mit Anteilen von 50% oder darüber gewährt. Auch das Fraunhofer Institut für Solarforschung beschäftigt mehr als die Hälfte der Forscher mit so genannten Drittmitteln. Wird nach der Solarindustrie auch noch die Energiewende selbst gestoppt, so wird befürchtet, dass auch die Forschungsaufträge abwandern. Deutschland als Innovationsmotor für erneuerbare Energien würde schwer beschädigt. Auch die Exportfähigkeit für Technologie und Produktionsanlagen steht dann auf dem Spiel.

Ralf Hofmann Geschäftsführer eines deutschen Wechselrichterherstellers formuliert es so:

  • erst waren wir angeblich zu leistungsschwach
  • nun erzeugen wir aber 5% des deutschen Strombedarfs solar
  • dann waren wir zu teuer, angeblich nie wirtschaftlich
  • dann unterstellte man uns wir würden das deutsche Stromnetz gefährden
  • nun sind wir zu billig und man muss uns besteuern

„Die Wahrheit ist, dass wir nur das Geschäftsmodell der fossil-atomaren Erzeugung beschädigt haben.“ So schrieb RWE im Jahr 2013 erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Nettoverlust von knapp 3 Mrd. Euro. Der Grund sind wegbrechende Strompreise, vor allem wegen des Wegfalls der Mittagsspitze, dank Solarstromeinspeisung. Die Politik versucht nun mühsame Gratwanderungen in Abwägung der verschiedenen Interessen.

In atemberaubender Geschwindigkeit wandern nun Produktions- und Installationskapazitäten für Photovoltaik um den Globus. War Deutschland vor drei Jahren noch der absolute weltweite Leitmarkt, so sind heute sowohl die Produktionskapazitäten, als auch die Märkte gewandert. China, Japan und die USA sind die neuen Hotspots. China, welches noch vor kurzem fast gar keinen heimischen Markt für netzgekoppelte Photovoltaik-Anlagen hatte, installierte im Jahr 2013 über 11.000 Megawatt Solarstromanlagen, Tendenz weiterhin steigend. Das ist rund dreimal so viel, wie Deutschland. Hierzulande hat sich der Markt vom Jahr 2012 auf 2013 exakt halbiert: von 7.600 Megawatt  auf nur noch 3.300 Megawatt.

Allerdings wird befürchtet, dass mit der laufenden EEG-Novelle im Jahr 2014 noch einmal ein drastischer Einschnitt droht. Eine große Verunsicherung bringt das Wettbewerbsverfahren des europäischen Wettbewerbskommissars gegen das deutsche EEG. Mit der Reduktion der Ausnahmen von der EEG-Umlage und der Ankündigung von Ausschreibungen versucht die Bundesregierung die Einordnung des EEG’s als Umweltbeihilfe durch die EU zu umgehen. Statt künftig das ganze Regelwerk von der EU genehmigen zu lassen und so die Erneuerbaren Politik immer wieder von Zustimmungen und Erlaubnissen von Brüssel abhängig zu machen, versucht man das Erneuerbare Energien Gesetz so umzugestalten, dass es ‚marktgerecht’ wird.

Knapp gesagt, wird die Alternative so dargestellt:

  • entweder wir bleiben beim gesicherten ‚Fördersystem’ der Vergütung mit fixen Einspeisetarifen, dann muss das EEG sowohl erstmals grundlegend, als auch bei jeder Änderung in Brüssel genehmigt werden – nach einem Umwelt-Beihilfe-Rahmen, der gerade in Brüssel neu überarbeitet wird, also auch noch gar nicht fest steht. Verabschiedet die EU nur Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren, die Deutschland schon längst erfüllt, könnte es auch sein, dass die EU gar keine Beihilfen mehr genehmigen würde
  • oder man schlägt den aktuellen Weg der Bundesregierung ein und vermeidet alles im EEG, was die Wettbewerbshüter als ‚Beihilfe’ einstufen könnten. Das bedeutet nach Lesart des BMWI den vollständigen Umstieg auf Verkauf der Erneuerbaren am ‚Markt’ und auf Ausschreibungsmodelle

Dabei entsteht derzeit ein undurchschaubarer Dschungel an Einflüssen auf das Gesetz. Ob bestimmte Maßnahmen in Wirklichkeit nur die Energiewende abbremsen um die Märkte der großen Energieversorger sichern – oder ob sie wirklich dem Schutz der Stromkunden und der Wirtschaft dienen, oder ob sie gar zwingend sind, um den Fortbestand des EEG’s unter der strengen Augen der Brüssler Wettbewerbshüter zu erlauben – ist unklar. Entsprechenden Fragen mussten sich die Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums stellen, die trotzdem kamen, um den neusten Stand der Novelle mit der Branche zu diskutieren.

Die Kernpunkte der EEG-Novelle:

  • Ausschreibung:

Spätestens ab 2017 soll die Förderhöhe der Erneuerbaren Energien durch Ausschreibungen im Wettbewerb ermittelt werden. Als Pilotprojekt sollen ab 2014 jährlich 400 MW PV-Freiflächenanlagen ausgeschrieben werden.

  • EEG-Umlage auf Eigenstromverbrauch:

Der vom Erzeuger selbst verbrauchte Strom aus Photovoltaikanlagen soll mit 70% der jeweiligen EEG-Umlage belastet werden. Ausgenommen sind Kleinanlagen bis 10 kW Leistung, bzw.10 MWh Stromproduktion pro Jahr.

  • Direktvermarktung statt EEG-Einspeisevergütung:

Stufenweise Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung:

    • Ab 1. August 2014: Neuanlagen ab 500 kW
    • Ab 1. Januar 2016: Neuanlagen ab 250 kW
    • Ab 1. Januar 2017: Neuanlagen ab 100 kW
  • Grünstromprivileg entfällt:

Bisher waren Strommengen, die von Stromhändlern in ’Ökostromtarifen’ direkt vermarktet wurden nur mit einer reduzierten EEG-Umlage belastet. Dieses ‚Grünstromprivileg’ entfällt vollständig.

  • Vergütungshöhe EEG-Einspeisetarife:

Fortschreibung der Tarifhöhe wie im bisherigen EEG mit 1% Absenkung pro  Monat und einem ‚atmenden Deckel’.

  • Mengensteuerung im Ausbaukorridor:

Ziel: 2500 MW Installation Photovoltaikanlagen pro Jahr, Begrenzung EEG-Förderung bei 52.000 MW installierter Leistung in Deutschland

Befürchtet wird jedoch von der Branche, dass auch dieses Ausbauziel, welches nur ein Drittel der installierten Leistung der Boomjahre beträgt, noch verfehlt werden könnte.

Der Hauptgrund ist die Belastung des selbst verbrauchten oder direkt vermarkteten Solarstromes mit der EEG-Umlage. Nach der letzten EEG-Novelle im Jahr 2012 kam bereits das Segment der großen Freiflächenanlagen weitgehend zum Erliegen. Nun droht ein weiteres Marktsegment wegzubrechen: die mittelgroßen Photovoltaikanlagen auf Industriedächern, beim Gewerbe und in der Landwirtschaft. Die EEG-Einspeisetarife sind lauft Branchenverband BSW zwischen Anfang 2012 bis Ende 2013 um mehr als 40% gesunken, die Preise für Solaranlagen aber je nach Anlagengröße um 20% bis 30%. Daher sind reine EEG-Anlagen derzeit kaum noch realisierbar und werden nicht mehr nachgefragt. Die ganze verbliebene Marktdynamik wurde durch Solarstromanlagen für den Eigenstromverbrauch ausgelöst – oder für den Grünstromhandel. Dort rechnet sich der Solarstrom nicht gegen die Einspeisevergütung, sondern gegen den Preis des Stroms ‚aus der Steckdose’. Und ausgerechnet diese zwei Marktsegmente macht die Politik jetzt ‚platt’, indem sie widersinniger weise den Eigenstromverbrauch und den Ökostromhandel mit der EEG-Abgabe belastet. Die klare Aussage einer entsprechenden Umfrage des BSW ist, dass nunmehr nur noch der Markt der Einfamilienhäuser unter 10 kW gesehen wird. Das würde die nächste Runde an Insolvenzen bei Händlern und Installateuren auslösen.

Besonders ärgerlich am derzeitigen Vorschlag der EEG-Novelle ist, dass durch die Belastung mit der EEG-Umlage von:

  • Eigenstromverbrauch von Solarstrom bei Gewerbe und Industrie
  • dem direkten Verkauf des Solarstroms in der nahen Umgebung und
  • der Vermarktung des Solarstroms in Grünstromtarifen

ausgerechnet die viel beschworenen neuen Instrumente zur Marktintegration des Solarstroms jenseits des EEG’s kaputt gemacht werden. Gerade dieser Sektor begann sich zu entwickeln und neue Akteure und Geschäftsmodelle hervorzubringen, die jetzt gleich wieder zurück gepfiffen werden. War es nicht gerade als Ziel der Politik ausgerufen worden, Strom aus erneuerbaren Quellen direkt am Markt zu verkaufen?

Die Teilnehmer des PV-Symposiums stellten auch in Frage, ob es richtig ist, dass im Gegenzug ausgerechnet der Kraftwerkseigenverbrauch von Kohle- und Atomkraftwerken von der EEG-Umlage befreit bleiben soll. Dabei würde sich dieses Segment mengenmäßig so richtig lohnen: alte Braunkohlekraftwerke und der mit befreite Braunkohleabbau verbrauchen nämlich rund 15% des produzierten Stroms selbst. Durchschnittlich macht der Eigenstrombedarf fossiler und atomarer Kraftwerke in Deutschland rund 5-10% aus.

Kann eine solche Politik die Energiewende wirklich voran bringen?

Quelle

Astrid Schneider 2014Solar Architecture – design, research & communicationAstrid Schneider ist kooptiertes Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie von B90 / Die Grünen

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