‹ Zurück zur Übersicht
panthermedia | LeoWolfert

© panthermedia | LeoWolfert

Worauf es bei einer effizienten Energiewende jetzt ankommt: Elektrifizierung, Flexibilität und Netzausbau

Vor dem Hintergrund des derzeit laufenden Energiewende-Monitorings des Bundeswirtschaftsministeriums hat Agora Energiewende eine eigene Analyse zum Stand der Energiewende vorgelegt.

Das Ergebnis: Auf halbem Weg zur Klimaneutralität kommt es nun darauf an, Elektrifizierung und Flexibilitäten zu stärken, das Stromnetz zu modernisieren sowie den Ausbau Erneuerbarer Energien weiter voranzutreiben. Dabei gibt es Spielraum, die Kosten für die Energiewende zu reduzieren. 

Damit Deutschlands Wirtschaft vom internationalen Trend hin zu Elektroautos, Wärmepumpen und Flexibilitäten profitieren kann, ist zügiges politisches Handeln erforderlich. Das geht aus einer neuen Analyse von Agora Energiewende hervor, die zwei unterschiedlich ambitionierte Szenarien verglichen hat. Demnach macht eine Kombination aus einem beschleunigten Hochlauf strombasierter Technologien und dem im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Ausbau von Wind- und Solarenergie die deutsche Wirtschaft resilienter, schützt Haushalte und Unternehmen vor steigenden CO2-Preisen und bringt den Klimaschutz voran. Laut Agora-Berechnungen ließen sich hierdurch allein im Jahr 2030 rund 36 Millionen Tonnen CO2 einsparen – im Vergleich zu einem weniger ambitionierten Szenario mit gebremstem Erneuerbaren-Ausbau und schwacher Elektrifizierung. Diese Emissionsminderungen wären zudem strukturell – also durch Klimaschutzmaßnahmen bedingt – und würden eine dauerhafte Wirkung erzielen, auch über 2030 hinaus. Im Gegensatz hierzu ist der tatsächliche Trend der letzten sechs Jahre bei den jährlichen Minderungen von 27 Millionen Tonnen CO2 in erheblichem Maße konjunkturell bedingt – also durch eine schwächelnde Wirtschaft – und damit nicht nachhaltig. Zudem ließen sich im ambitionierten Szenario bis 2030 fossile Importe von bis zu sieben Milliarden Euro jährlich einsparen – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Derzeit importiert Deutschland fossile Brennstoffe in Höhe von rund 80 Milliarden Euro im Jahr. 

„Die Bundesregierung hat es in der Hand, Deutschlands Energieversorgung zukunftsfest zu machen und zugleich die Klimaziele zu erreichen. Indem sie den Weg frei macht für Zukunftstechnologien, stärkt sie die heimische Wirtschaft, verringert die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten und senkt dauerhaft die Emissionen“, sagt Julia Bläsius, Direktorin von Agora Energiewende Deutschland. „Damit der Umstieg auf Erneuerbare Energien in Verkehr, Gebäuden und Industrie zügig gelingt, braucht es ambitionierte politische Rahmenbedingungen. Dafür ist das für Herbst erwartete Klimaschutzprogramm der neuen Bundesregierung eine Chance.“  

Die Agora-Analyse beschreibt vier strategische Hebel, um Deutschlands Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit  und Klimaschutz zu stärken: 

  1. Elektrifizierung auf Kurs bringen: Über eine Senkung der Strompreise, die Überführung der nationalen CO2-Bepreisung in den Europäischen Zertifikatehandel (ETS II), sozial gestaffelte Förderprogramme für E-Autos und Wärmepumpen sowie eine modernisierte Infrastruktur mit flächendeckenden Ladepunkten und Wärmenetzen wird eine beschleunigte Elektrifizierung angereizt.
  2. Flexibilität stärken: Maßnahmen, wie etwa dynamische Netzentgelte, kombiniert mit einem digitalisierten Netzmanagement, machen eine netzdienliche Nachfrage für Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiv. Auch sollten Ausschreibungen für Versorgungssicherheit günstige Flexibilitäten wie Großbatterien und kurzfristige Verbrauchsanpassungen zum Wettbewerb zulassen, statt sich auf teure Großkraftwerke festzulegen.
  3. Stromnetzkosten minimieren: Staatliche Eigenkapitalbeteiligungen, die Bevorzugung von Freileitungen gegenüber Erdkabeln und ein optimierter Netzbetrieb stabilisieren die Netzentgelte. Zudem sinken die umgelegten Kosten pro Kilowattstunde bei einem steigenden Stromverbrauch.
  4. Erneuerbare Energien effizient ausbauen: Neue Marktinstrumente zielen auf eine bessere Integration von Windenergie an Land ab, während eine stärkere Fokussierung auf Freiflächen-PV-Anlagen sowie eine optimierte Flächennutzung bei Windkraft auf See in Kooperation mit den europäischen Nachbarn Kosten spart. 

Elektrifizierung anschieben, bei Zukunftstechnologien aufholen

Eine wichtige Voraussetzung, damit die Elektrifizierung im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie gelingt, bleibt der Ausbau von Erneuerbaren Energien. Denn unabhängig von der Entwicklung der Stromnachfrage sorgt der Ausbau von Wind- und Solarenergie für sinkende Strompreise von bis zu 23 Prozent bis 2030, wie Berechnungen zeigen, die Aurora Energy Research für Agora Energiewende durchgeführt hat. Wenn die Bundesregierung gleichzeitig Einsparpotenziale beim Netzausbau und -betrieb nutzt, sichert sie dauerhaft attraktive Strompreise, ohne staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe zu zementieren. Das begünstigt den Umstieg auf klimaneutrale Technologien in der Mobilität, beim Heizen und in der Industrie. Dadurch sinken wiederum die Strompreise, da etwa Kosten zur Finanzierung des Stromnetzes auf einen höheren Stromverbrauch umgelegt werden können.

„Die Antwort auf eine schwächelnde Stromnachfrage sollte sein, die Elektrifizierung anzuschieben und die Netze fit für den zunehmenden Verbrauch aus Verkehr, Gebäuden und der Industrie zu machen – statt den Erneuerbaren-Ausbau zu bremsen“, sagt Bläsius. Während Erneuerbare Energien bereits mehr als jede zweite Kilowattstunde in Deutschland liefern, stagniert der Stromanteil am Endenergieverbrauch seit mehreren Jahren bei rund 20 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik unter dem EU-Durchschnitt und hinter Spitzenreitern wie Norwegen und China. Allerdings deuten Wirtschaftsdaten der ersten Jahreshälfte 2025 darauf hin, dass sich E-Autos und Wärmepumpen auch in Deutschland allmählich am Markt durchsetzen. „Der marktgetriebene Umstieg erfolgt zu langsam. Mit einem Booster für die Elektrifizierung und Stromnetze kann Deutschland den Rückstand bei wichtigen Zukunftstechnologien aufholen und sich Wachstumsmärkte sichern“, so Bläsius. 

Neue Berechnungen zur Stromnachfrage 2030 auf Basis aktueller Entwicklungen 

Agora beziffert den Stromverbrauch im Jahr 2030 auf Basis aktueller Entwicklungen auf 701 Terawattstunden (TWh). Voraussetzung dafür bleibt vor allem eine ambitionierte Elektrifizierung. Gegenüber dem vorangegangenen Klimaneutralitätsszenario der Denkfabrik steigt die Nachfrage langsamer, etwa durch einen verzögerten Hochlauf von E-Fahrzeugen (-12 TWh) und Wärmepumpen (-4,3 TWh) in den vergangenen zwei Jahren. Allerdings gehen die Autorinnen und Autoren mit Blick auf die globale Entwicklung davon aus, dass ein steiler Anstieg möglich bleibt. Der Verbrauch der Industrie erholt sich aufgrund konjunktureller Entwicklungen langsamer und die Umstellung auf klimafreundliche Industrieprozesse verzögert sich (-36 TWh), das betrifft auch die Stromnachfrage im Gewerbe (-3,2 TWh). Die Angabe berücksichtigt jedoch die Erholung durch industriepolitische Bemühungen (Industriestrompreis, Stromsteuersenkungen, Sonderabschreibungen) sowie eine Zunahme von strombasierter Wärmeproduktion. Gleichzeitig geht die Denkfabrik in einigen Bereichen auch von einem Anstieg der Stromnachfrage aus: So steigt der Bedarf von Rechenzentren (+ 12 TWh) und Stromspeichertechnologien wie Batterien und Elektrolyseuren für die Wasserstoffproduktion (+ 10 TWh). Eine steigende Anzahl an Hitzetagen steigert zudem den Verbrauch durch mehr Klimaanlagen (+ 4,0 TWh). Insgesamt liegt der ermittelte Stromverbrauch für 2030 rund 26 TWh niedriger als im vorangegangenen Klimaneutralitätsszenario. Bläsius betont: „Eine weitsichtige Betrachtung des künftigen Stromverbrauchs berücksichtigt die Entwicklung der Nachfrage über das Jahr 2030 hinaus. Bis 2045 wird der Strombedarf weiter stark ansteigen – das muss bei der Planung des Erneuerbaren-Ausbaus und der Stromnetze schon heute mitgedacht werden.“

Quelle

Agora Energiewende 2025

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren