Atomwaffen sind Terror-Waffen
Der 6. Und 9. August 1945 gehören zu den dunkelsten Tagen der Menschheitsgeschichte. USA-Soldaten warfen zwei Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.
In Sekundenschnelle starben in Hiroshima circa 8o.ooo Menschen und ungefähr 60.ooo in Nagasaki. Noch mehr Menschen erlagen den Folgen der nuklearen Verstrahlung bis heute. Insgesamt starben um die 400.000 Menschen. Hibakushi heißen die Überlebenden auf Japanisch, die zum Teil noch Jahrzehnte an furchtbaren Schmerzen litten. Die „Hibakushi“ erhielten 2024 den Friedensnobelpreis in Oslo. Terumi Tanaka aus Nagasaki hielt in Oslo die Dankesrede. In einem aktuellen Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung schätzte er, dass schon Ende 1945 210.000 Menschen an den Folgen der Atombomben-Abwürfe gestorben waren. Atomwaffen sind Terror-Waffen.
Die alles entscheidende Frage: Was haben wir aus diesen dunklen Tagen gelernt? Russlands Präsident Putin drohte während des Ukraine-Kriegs mehrmals mit dem Einsatz von Atomwaffen. 2019 traten die USA aus dem Washingtoner Vertrag über atomare Mittelstreckenraketen aus, auf den sie sich 1987 mit der Sowjetunion geeinigt hatten. 2024 vereinbarten Washington und Berlin erneut die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026. Alle neun Atommächte (USA, Russland, China, England, Frankreich, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel) „modernisieren“ ihre nuklearen Potentiale. Jede der etwa 25 US-Atomraketen, die in Deutschland stationiert sind, hat etwa die zehnfache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.
Sicherheitspolitik ist heute wieder wie im Kalten Krieg Atomwaffen-Politik. Hören die Atombomben-Besitzer überhaupt noch auf die Opfer von Hiroshima und Nagasaki? Bundeskanzler Merz denkt über einen gemeinsamen „Atomschirm“ von Frankreich und Deutschland nach, falls die USA ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen sollten. Wo bleibt die Vision einer atomwaffenfreien Welt, von der sogar der ehemalige US-Präsident Obama gesprochen hat? Nur der Dalai Lama und der Papst in Rom wagen es noch, an die Vision einer Welt ohne Atomwaffen zu erinnern. Als der heute 93äjährige Turumi Tanaka aus Nagasaki in Oslos seine Dankesrede für den Friedensnobelpreis hielt und an die hundertausende Tote und Verletzte erinnerte, hatten viel im Publikum Tränen in den Augen. Aber wo bleiben die entsprechenden Taten? Wer rüstet Atombomben ab? Wer vernichtet sie? Warum herrscht heute wieder fast weltweit eine Bombenstimmung?
Turumi Tanaka war 1945 13 Jahre alt. Er gibt bis heute den USA die Schuld an der damaligen Katastrophe. Bis heute hat sich noch kein US-Präsident für den Massenmord entschuldigt. Viele japanische und selbst einige US-Historiker meinen, dass Japan auch ohne Atomwaffen am Ende des zweiten Weltkriegs kapituliert hätte. Doch die US-Politik und die Mehrheitsgesellschaft der USA meinen bis heute: Erst die beiden Atombomben hätten für das Ende des Weltkriegs gesorgt. Doch selbst Befürworter dieser These müssen zugeben, dass zumindest die zweite Bombe ein Kriegsverbrechen war.
Turumi Tanaka in seinem aktuellen SZ-Gespräch: „Alle, die Atomwaffen haben, müssen sie abgeben. Nicht nur Amerika. Das ist die einzige Möglichkeit…“. Wir dürfen es nicht zulassen, meint er, das sich die Menschheit selbst zerstört. Am 6. August 2025 fügte Japans Ministerpräsident vor Vertretern von 120 Nationen beim Gedenken in Hiroshima hinzu: „Japan muss als einziges Land, das die Schrecken einer nuklearen Verwüstung im Krieg erlebt hat, die weltweiten Bemühungen um eine atomwaffenfreie Welt vorantreiben“. Und Hiroshimas Bürgermeister rief die Jugend der Welt zum Kampf gegen Atomwaffen auf: „Sie muss erkennen, dass eine fehlgeleitete Politik in Bezug auf Atomwaffen völlig unmenschliche Folgen haben kann. Wir, das Volk, dürfen den Kampf gegen Atomwaffen niemals aufgeben“.
„Der Frieden ist auf dem Rückzug“. So beschreibt das Gutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute 2025 unsere Situation so richtig wie beschämend und fügt hinzu: „Das System der Rüstungskontrolle ist im freien Fall“. Es ist hohe Zeit für neue Abrüstungsverhandlungen. Dank Gorbatschow wurde die Gefahr eines „Euroshima“ vor etwa 40 Jahren gebannt. Doch wer bannt sie heute?
2017 hat maßgeblich die weltweite Zivilgesellschaft dafür gesorgt, dass in der UNO der Atomwaffenverbotsvertrag verabschiedet wurde. Die Zivilgesellschaft ICAN hat dafür noch im selben Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. 97 Staaten haben diesen Vertrag inzwischen ratifiziert, aber kein Land, das Atomwaffen besitzt, kein NATO-Staat, auch Deutschland nicht. Deshalb den Kampf gegen Atomwaffen aufgeben? Schließlich wurden auch Chemie- und Biowaffen weltweit verboten und (fast) alle halten sich daran. Nur durch ein weltweites Verbot der Atomwaffen kann die Ära der Massenvernichtungswaffen insgesamt zu Ende gehen.