Keine Energiewende ohne Verkehrswende
Warum die Verkehrswende in einem Land stockt, in dem die Auto-Lobby eine der stärksten gesellschaftlichen Kräfte ist?
Der ADAC hat etwa 20 Millionen Mitglieder. Der ADFC, die Interessenvertretung für Fahrradfahrer 230.000 und Fuss e. V, der sich für die Interessen der Fußgänger einsetzt: um die tausend! Am Fußverkehr hängen keine Arbeitsplätze und Industrien, überproportional viele Kinder und ältere Menschen sind zu Fuß unterwegs, mehr Frauen als Männer. Eher Arme als Reiche. Fußgänger sind eher die Schwächeren einer Gesellschaft und damit die Benachteiligten.
Was ist eine lebenswerte Stadt?
Eine, die für alle da ist. Eine, in der man sich sicher fühlt, Kinder, Alte, Frauen, Männer, Arme und Reiche. Einige europäische Städte zeigen, dass dieses Zusammenleben auch besser geht als in den meisten deutschen Städten: zum Beispiel Wien, Zürich, Helsinki, Amsterdam, Barcelona und Paris. Sie alle haben mehr Radwege, mehr Fußgängerzonen, bessere Busverbindungen, weniger Autos. Immerhin wird jetzt fast überall über eine nachhaltige Verkehrswende diskutiert, aber eine Gruppe wird häufig vergessen: die Fußgänger. Für sie „läuft“ es einfach nicht.
In vielen Kommunen wird aber über die 15-Minuten-Stadt diskutiert. Unsere Alltagswege sollen auf höchstens 15 Minuten verkürzt, das heißt Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeitangebote aufeinander abgestimmt werden. Entwickelt von Professor Carlos Moreno, zielt die 15-Minuten-Stadt darauf ab, die Lebensqualität zu verbessern, die Abhängigkeit vom Auto zu reduzieren und eine nachhaltigere, gesündere und lebenswertere städtische Umgebung zu schaffen.
Zum Beispiel Paris: Die französische Hauptstadt gilt als eine der dichtesten Städte der Welt. Über 20.000 Einwohner verteilen sich hier im Durchschnitt auf einen Quadratkilometer. Autofahrer, öffentliche Verkehrsmittel, Fahrrad- und Rollerfahrer, Fußgänger – sie alle streiten sich täglich um den nötigen Platz auf den engen Straßen von Paris. Knapp vier Millionen Menschen pendeln täglich aus den Vororten nach Paris. 60 Prozent nutzten bisher dafür das Auto.
Die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo konnte einen Volksentscheid für die 15-Minuten-Stadt für sich gewinnen und damit auch die letzte Kommunalwahl. Jetzt haben in vielen Straßen von Paris Fußgänger, Busse und Radfahrer Vorrang vor dem Auto. Paris ist jetzt auf besten Weg zur 15-Minuten-Stadt. Und weltweit hat das Pariser Modell schon viele Nachahmer: London und New York, Amsterdam und Kopenhagen, Oslo, Gent und Barcelona zum Beispiel..
Auch in Deutschland verfolgen Städte wie Berlin, München und Köln entsprechende Strategien, um Lebensqualität zu steigern und Klimaziele durch weniger Autoverkehr zu erreichen. Keine Energiewende ohne Verkehrswende.
Das Konzept dieser intelligenten Verkehrswende ist jenen Politikerinnen und Politikern zur Nachahmung empfohlen, denen die Umwelt und das Leben der künftigen Generationen am Herzen liegt.
- Carlos Moreno (Autor), Richard Sennett (Vorwort), Saskia Sassen (Nachwort) „Die 15-Minuten-Stadt: Ein Konzept für lebenswerte Städte“ | Alexander Verlag Berlin 2024 | Leseprobe (PDF)