Sind Demokratie und Freiheit noch selbstverständlich?
Zum derzeitigen Katholikentag in Thüringen (29. Mai bis 2. Juni) sind keine AfD-Politiker eingeladen. Sowohl die evangelische wie auch die katholische Kirche zeigen seit Jahren klare Kante gegen Rechtsextremismus.
Schon im Januar hatten sich die ostdeutschen katholischen Bischöfe deutlich von der AfD distanziert. Im Februar stellte dann die Deutsche Bischofskonferenz fest: Die AfD ist für Christen nicht wählbar. Der Katholikentag will jetzt vor den Europawahlen und vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein klares Zeichen setzen.
Ganz offensichtlich haben die christlichen Kirchen aus ihren Fehlern der Weimarer Zeit gelernt.
Noch nach 1945 ist es vielen Christen beider Konfessionen hierzulande schwer gefallen, sich ihr Versagen und Schweigen in der Nazi-Diktatur einzugestehen. Jetzt wollen die Katholiken bei ihrer Tagung mit 20.000 Teilnehmern in Erfurt ein „Zeichen für Freiheit und Demokratie“ setzen – wie es der Münchner Kardinal Reinhard Marx in der Süddeutschen Zeitung formulierte. (SZ 29./30. Mia 2024) Was aber ist Freiheit für die Kirche? Das was zum Beispiel Freiheit für die FDP ist?
Davon grenzt sich Kardinal Reinhard Marx deutlich ab: „Das christliche Menschenbild heißt auch: Freiheit wird nicht als grenzenloser Narzissmus zelebriert.“ Christliche Freiheit ist immer auch verantwortete Freiheit.
Marx: „Die Unsicherheiten wachsen, im Beruf, in der Familie, in der Welt. Die Rechtsradikalen weltweit nutzen das aus und bieten die übliche Hetze an. Das Establishment sei schuld oder eben die anderen – die Migranten, die Juden. Wir haben unterschätzt, dass ein „brauner Bodensatz“ immer noch da war. Zwar laufen 80 bis 90 Prozent der Deutschen keinen Nazi-Parolen hinterher. Allerdings beunruhigt es mich schon, wenn 20 Prozent, im Osten gar 30 Prozent, einer Partei anhängen, die solche Positionen befördert.“
Und warum scheint die Demokratie gefährdet?
Kardinal Marx: „Unsere Demokratie basiert auf dem christlichen Menschenbild. Der Mensch ist auf das Gute ausgerichtet. Er kann verantwortlich handeln. Im Grundgesetz heißt es: in „Verantwortung vor Gott und den Menschen.“ Vor Gott bedeutet nicht, dass Gott die Gesetze erlässt, sondern wir erkennen in Freiheit an, dass wir nicht Gott sind. Das christliche Menschenbild heißt auch, Freiheit wird nicht als grenzenloser Narzissmus zelebriert, sondern das Leben kann nur gelingen, wenn man mit anderen verantwortlich zusammenlebt. Das ist eine wesentliche Grundlage für die Zukunft unseres Gemeinwesens, daran entscheidet sich, ob Demokratie eine Zukunft hat…Wer das eigene Volk für höherwertig hält, verlässt die gemeinsame Diskussionsgrundlage.“ Nationalismus ist seit Jahrtausenden die Voraussetzung für Kriege und Gewalt.
Beim Überlebensthema Klimaschutz sind die Thesen der nationalistischen AfD mit den Positionen der christlichen Kirchen total entgegengesetzt und unvereinbar. In der Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ ruft Papst Franziskus alle Regierungen der Welt zum verstärkten Kampf gegen den menschgemachten Klimawandel auf, den die AfD schlicht leugnet. Diese Enzyklika ist das gewichtigste Klimaschutzprogramm der Welt. Gemessen an diesem Appell ist jeder AfD-Politiker geradezu ein Anti-Christ.
Die Erfahrungen mit der populistischen Rechts-Regierung Trump in den USA zwischen 2017 und 2021 und kurz danach auch mit der rechtsgerichteten Regierung Bolsonaro in Brasilien zeigen, dass sich Machthaber, welche die Menschen- und Bürgerrechte bekämpfen, auch nicht für Klimaschutz interessieren.
Es gilt, aus dieser Erkenntnis, Schlüsse zu ziehen für Wahlen in Deutschland und Europa. Gut, dass die christlichen Kirchen in Deutschland dieses mal rechtzeitig aufgewacht sind. Die AfD hält in all ihren Programmen weiter an der Zerstörung des Weltklimas fest.