Automobilausstellung: Kein Zurück zu goldenen Autozeiten
Die Automesse IAA in München zeigt: Deutschlands Autokonzerne haben gerade bei den E‑Fahrzeugen aufgeholt, aber das reicht nicht – weder für das Klima noch für die Arbeitsplätze. Ein Kommentar von Joachim Wille
Am heutigen Dienstag beginnt in München die Internationale Automobilausstellung (IAA). Sie war einmal das Schaufenster deutscher Ingenieurskunst, der PS-Tempel des Exportweltmeisters. Heute wirkt sie eher wie ein Spiegel der Unsicherheit.
Zwar präsentieren die hiesigen Hersteller eine Reihe wichtiger neuer Elektro-Modelle, darunter die ersten erschwinglicheren Varianten auf modernen Plattformen. Doch die Frage bleibt: Reicht das, um die deutsche Autoindustrie wieder in die Erfolgsspur zu bringen?
Die Lage ist dramatisch. Der Heimatmarkt ist schwach, trotz jüngst besserer Verkaufszahlen, und im wichtigsten Exportland China bricht die Nachfrage für deutsche Marken ein. Dort bestimmen inzwischen heimische Anbieter wie BYD den Takt – sie bieten E‑Autos zu Preisen, die deutsche Hersteller nicht annähernd erreichen.
Gleichzeitig macht US-Präsident Trump mit seiner Strafzoll-Politik den ebenfalls wichtigen Absatzkanal nach Westen mehr als holprig.
Europäische Hersteller haben insgesamt seit 2017 ein Fünftel ihres Anteils am Weltmarkt verloren, und gerade das einstige Erfolgsmodell „Made in Germany“ wirkt schwerfällig, teuer und in Teilen überholt. In der Branche wurden binnen eines Jahres über 51.000 Jobs abgebaut.
Mit teuren Oberklasse-Modellen in die Sackgasse
Die Ursachen sind bekannt und zum großen Teil selbstverschuldet. Die Industrie setzte zu lange auf den Verbrenner, feilte an Motoren, die zu den besten der Welt zählen – abgesehen vom Dieselskandal –, doch der Trend zu Elektromobilität und selbstfahrenden Autos wurde verschlafen, Innovationen bei Batterien und Software kamen zu spät.
Negativ wirkt auch die starke Fixierung auf teure Oberklasse-Modelle, die im globalen Wettbewerb mit bezahlbaren E‑Autos nicht weiterhelfen.
Die neuen Modelle, die auf der IAA vorgestellt werden, zeigen zwar Bewegung. Sie sind effizienter, reichweitenstärker als ihre Vorgänger, und mit dem E‑Polo kommt endlich ab 2026 ein deutsches 25.000-Euro-Elektroauto auf den Markt.
Die hiesigen Hersteller haben bei der E‑Mobilität nach den Schocks durch Tesla und die chinesische Offensive technologisch aufgeholt. Doch die Frage ist, ob das reicht bei den Konzernen, die drei Viertel ihrer Produktion exportieren.
Die chinesische Konkurrenz braucht im Schnitt zwei Jahre für die Entwicklung einer Fahrzeugplattform, in Europa sind es vier. Hinzu kommen hierzulande viele unnötige regulatorische Vorgaben. Da gäbe es einiges zu tun.
Doch die Autokonzerne und konservative Politiker wie CSU-Chef Markus Söder versuchen lieber, den Übergang zur E‑Mobilität zu bremsen – durch noch weiter aufgeweichte CO2-Flottengrenzwerte und ein Einstampfen des „Verbrennerverbots“ ab 2035. Das ist gefährlich rückwärtsgewandt.
Über das Auto hinausdenken
Mag sein, dass diese Strategie kurzfristig die Gewinne stabilisiert. Längerfristig gefährdet sie nicht nur die EU-Klimaziele, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten – in China sowieso, und auch in den USA dürften nach Trumps fossilem Rücksturz über kurz oder lang moderne Autos wieder gefragt sein, sprich E‑Mobile.
Und E‑Fuels, die immer wieder als Alternative ins Spiel gebracht werden, sind zu teuer und ineffizient. Wer ernsthaft glaubt, damit die Masse der Pkw klimafreundlich betreiben zu können, ignoriert die Realität.
Doch selbst wenn die Branche den Kurs Richtung E‑Mobilität konsequenter einschlägt, ist die Rückkehr zu alter Größe fraglich. Die goldenen Zeiten, in denen deutsche Autos die Straßen der Welt dominierten, werden so nicht wiederkommen.
Der Ausweg, auch für die Jobs, liegt woanders. Die Industrie muss über das Auto hinausdenken – hin zu Mobilitätsdienstleistungen, die den Bedarf klimafreundlich decken.
Carsharing, On-demand-Busse, intelligente Vernetzung von Rad, Bahn und Pkw bieten Chancen, die weit über das klassische Geschäftsmodell hinausgehen. Wer hier frühzeitig investiert, kann an Profil gewinnen – und zugleich einen Beitrag leisten, die Mobilitätswende tatsächlich voranzubringen.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!