Aufbruch zur Achtsamkeit – Wie Pilgern unser Leben verändert
Eine echte Pilgerfahrt für die Seele! Eine Rezension von Andreas Nassar.
Nichts verbindet verschiedene Kulturen so sehr, wie das Pilgern zu heiligen Stätten. Seit Jahrhunderten pilgern Menschen an heilige Orte, um zu meditieren, über sich, Gott und die Welt nachzudenken und um daraus Kraft zu schöpfen. Besonders seit Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“, das ein großer Erfolg war, stieg die Zahl der Pilger stark an.
Nun ist ein neues Buch über das Pilgern erschienen, das von Franz Alt, Bernd Lohse und Helfried Weyer geschrieben wurde. Die drei Autoren berichten von ihrer Reise auf dem St. Olavsweg in Norwegen und den dabei gewonnen Eindrücken und Erkenntnissen. Franz Alt, geboren im Jahre 1938 in Untergrombach, Baden, ist ein gesellschaftlich stark engagierter Journalist und Buchautor. Er studierte Politikwissenschaften, Geschichte, Philosophie und Theologie und promovierte im Jahre 1967. Er war seit 1963 Mitglied der CDU, trat allerdings im Jahre 1988 wieder aus und steht seitdem in engem Kontakt zur ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei).
Besonders nach dem Kernreaktorunglück von Tschernobyl erklärte er sich als klarer Gegner der Kernenergie und kritisierte die CDU stark, weil diese an ihr festhielt. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für sein publizistisches und ökologisches Engagement. Er lebt mit seiner Frau in Baden-Württemberg.
Bernd Lohse, geboren im Jahre 1958, ist Pilgerpastor und Buchautor. Vor und nach seinem Theologiestudium war er in verschiedenen Redaktionen tätig. Im Jahre 1991 wurde er Pastor in der Philemon-Kirche in Hamburg, wo er besonders im Bereich Jugendarbeit tätig war. Seit November 2008 ist er Pilgerpastor an der evangelisch-lutherischen Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Helfried Weyer, geboren in Ostpreußen im Jahre 1939, ist Fotograf, Vortragsredner und Autor von über 40 Bildbänden und Fotofachbüchern. Er besuchte eine Fotofachschule und genoss an mehreren Schulen (München, Hamburg, Bad Harzburg) eine Ausbildung im Fach Rhetorik. Er ist darüber hinaus der Begründer der Multivisionsvorträge; dies sind Fotoausstellungen, die durch den Fotografen selbst kommentiert werden. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Buxtehude.
- Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert. Der erste Abschnitt mit dem Titel „Aufbruch“ beschreibt den Beginn der Reise, erklärt die Gründe, warum wir uns überhaupt auf eine Pilgerreise machen und enthält nützliche Ratschläge fürs Pilgern.
- Der zweite Abschnitt, genannt „Auf dem Weg“, erzählt vom weiteren Verlauf der Reise und beschäftigt sich bereits intensiver mit dem Sinn des Pilgerns. Es werden weniger die Landschaften und äußeren Eindrücke geschildert, als vielmehr die neu gewonnenen inneren Erkenntnisse der drei Autoren. Der Schwerpunkt liegt auf den geistigen Veränderungen und Entwicklungen.
- Der dritte Abschnitt mit dem Titel „Ankommen“ umfasst einen Bericht über die Ankunft in der Pilgerstätte und einem Fazit, wie das Pilgern die Weltreligionen miteinander verbindet.
Doch was macht nun dieses Werk so lesenswert und was ist neu im Vergleich zu vorherig erschienenen Pilgerbüchern?
Das Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage, wo und auf welche Weise der Mensch seine eigene Spiritualität entdecken kann. Das Pilgern ist der Schlüssel zu dieser Selbstfindung, denn es bedeutet einige Wochen auf Reisen zu sein, oft auch auf sich alleine gestellt zu sein und körperlich anstrengende Wege zu bewältigen. Jedoch bedeutet es zugleich, neue Bekanntschaften zu machen, seine Sorgen mit seinen Mitmenschen teilen zu können, den Alltag zu vergessen und seine eigenen Kräfte, die in einem stecken und von denen man selbst vielleicht gar nicht wusste, zu entfalten.
Vor allem bietet das Pilgern für gläubige Menschen einen unmittelbaren Zugang zu Gott und der Natur. Jedoch waren beim Pilgern auch Atheisten dabei, die ebenfalls während der Reise eine eigene Entwicklung erfahren haben. Genauso bietet dieses Buch zahlreiche interessante Gedanken, unabhängig davon, ob der Leser gläubig ist oder nicht.
Franz Alt erfährt die reine, unangetastete Natur Norwegens genauso, wie sie wirklich ist und beschreibt seine Begeisterung für diese vollkommene Schönheit der Natur und stärkt seine Schilderungen mit Zitaten wie: „Einen stärkeren Gottesbeweis als die Schöpfung gibt es nicht.“ (S. 54)
Besonders in unserem Alltag, der geprägt ist von Arbeit, Hektik, Leistungsdruck, usw. vergessen wir schnell, was uns die Welt noch zu bieten hat und was wirklich wichtig für unser Leben ist.
Franz Alt, Bernd Lohse und Helfried Weyer beschränken sich nicht nur auf ihre persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit Gott, der Natur und sich selbst, sondern gelangen durch sie ebenfalls zu ethisch-philosophischen Ideen. Themen wie Umwelt, Wirtschaft und Gerechtigkeit werden zu zentralen Punkten in diesem Buch und regen zum Nachdenken an.
Während wir auf der einen Seite viel Philosophie und abstrakte Gedankengänge der Autoren vorfinden, werden uns auf der anderen Seite wiederum konkrete Zahlen und Fakten präsentiert, die sich auf Krisen der Umwelt und in der Wirtschaft beziehen.
So mancher Politiker, Banker oder Geistlicher sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen. Mit Sätzen wie „Der Profit eines Konzerns ist häufig ein Defizit für die Erde und ihre Bewohner“ (S. 64), „Letztlich macht uns die Mentalität des Habens arm, denn sie trennt uns von den anderen“ (S. 139) decken die Autoren zentrale Probleme der heutigen Gesellschaft auf.
Franz Alt zeigt uns mit seinem Bild des „ökologischen Jesus“ (S. 85), der die Welt mit ihren Gaben liebt und achtet, wie wichtig es ist, den Fortschritt der Technik mit einer umweltfreundlichen Ethik zu verbinden.
Allen Menschen, die auf der Suche nach Antworten sind, ist dieses Buch auf jeden Fall ans Herz zu legen. Natürlich ist das individuelle Erlebnis einer Pilgerreise nicht zu ersetzen, jedoch behandelt dieser Reisebericht Fragen und Sorgen, die wir tagtäglich haben und gibt uns wertvolle Ratschläge.
Das Buch ist eine echte Pilgerfahrt für die Seele!
Quelle
SaarKurier Online | Andreas Nassar 2013