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Becoming Steve Jobs

Vom Abenteurer zum Visionär. Das digitale Zeitalter und seine Koryphäen. Zu einer Biographie von Steve Jobs. Von Rupert Neudeck

Es zeigt die beiden Seiten der Vereinigten Staaten, die räuberische Welt der Milliardäre und die Durchsetzungskraft von Genies. Dieser Mann, von dem die Welt erfuhr, dass er 2003 einen Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert bekam, lebte wie ein König in einer königlosen Zeit. Der Autor kannte sein Biographie Subjekt gut, er war mit ihm gleichaltrig wie auch Bill Gates. Alle drei waren um den Militärdienst und Vietnam herumgekommen, weil die Militärdienstpflicht schon abgeschafft war.

Das Buch ist in seiner unendlichen Detailversessenheit der einzelnen Firmen, die der Steve Jobs geleitet hatte, auch eine Rekapitulation der Zeitgeschichte für den modernen Leser. Man kann sich wieder klar machen, dass wir in den 70ern, ja auch noch nicht in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts alle mit dem Smartphone herumliefen. Es war die Zeit, in der die Instrumente der digitalen Revolution und Kommunikation erst erfunden wurden.

Aber bemerkenswerter ist doch die Tatsache, dass der schwierige Mensch Steve Jobs lange Zeit seines Lebens Menschen herumkommandieren und sie unablässig anbrüllen konnte, aus Gründen, die einfach unanständig sind. Es fehlte ihm jede Form von Demut. An einer Stelle sagt sein Biograph, und das ist nur der Abklatsch dessen, was man sagen müsste: Wenn Steve Jobs die eigene Firma NeXT mur mit einer winzigen Portion Demut gestartet hätte, „hätte er zugeben müssen, dass SUN sein gefährlichster Konkurrent war aber auch sein größtes Vorbild“, aber er hatte nicht diese „winzige Portion Demut“.  Man kann das Buch auch lesen als Beispielfall, wie jemand nicht mehr aus der Falle seiner Selbstüberschätzung herauskommt, wenn ihm von außen dauernd zugearbeitet wird. Und das ist wohl das Unterscheidende der US-amerikanischen gegenüber der deutschen Geschäftswelt. Ein CEO oder Direktor könnte sich nicht wutbrüllend durch mehrere Führungsetagen mehrerer Firmen bringen.

Nicht zu unterschätzen ist die Vision, er wurde ein Visionär: „Nachdem er einen ganzen Wirtschaftszweig geschaffen und nun die Menschheit mit einem weiteren revolutionären Computer in Staunen versetzt hatte, wolle er sich nicht mit dem primitiven Handlangerjob der Modellpflege abgeben“. Und es sei damals etwas Anderes geschehen: Das glamouröse Debut des Mac Computers hatte das Leben von Steve Jobs in eine neue Sphäre katapultiert, aus der man in den USA, einmal drin, nie wieder herauskommt: „Er war jetzt eine Berühmtheit“. Das blähte sein Selbstbewusstsein, „etwas absolut Großartiges geschaffen zu haben, noch weiter auf“. Er lieferte den Mac persönlich an Mick Jagger, an Sean Lennon und Andy Warhol aus.

Für eine Party zu seinem 30.ten Geburtstag macht er es nicht unter der Einladung von Ella Fitzgerald, die eine tausendköpfige Corona-Gästeschar im St. Francis Hotel in San Francisco unterhalten sollte. Das Ganze steigerte sich durch einen Geniekult, der manchmal geradezu hymnisch wurde. Steve Jobs wurde beschrieben als ein 33-järhiger mit fünfzigjähriger Geschäftserfahrung, für die Medien und die Investoren in jedem Fall ein Genie, eine neue Form von Einstein. Aber der Mann war ja nicht nur Genie, er war durch all die Leckereien, die für ihn ausgestreut wurden, auch noch verführbar. Er musste damals, als er NeXT in den Sand setzte, eigentlich gar nichts tun. Er durfte sich aber darin bestätigt sehen, dass er zu Großem auserkoren war. Der 22. Oktober 1988 wurde von Steve Jobs festgesetzt für die öffentliche Präsentation des NeXT Computers. Da Geld ja keine Rolle spielte, machte er das in der Davies Symphony Hall, dem Konzertsaal des Symphonieorchesters von San Francisco. Die Veranstaltung war an einem Dienstagvormittag, aber die meisten Gäste waren so gekleidet, als würden sie zu einer Abendvorstellung des Symphonieorchesters gehen. Er hatte keine Distanz zu den geheimen Verführern von P.R. und Medien. Er trug einen eleganten dunklen italienischen Anzug, eine weinrot-schwarze Krawatte. Er kam auf die Bühne und nahm den nicht enden-wollenden Applaus an.

Der Durchbruch der allgemeinen Computerisierung war noch lange nicht geschafft. 1975 war das noch eine Zukunftsvision. 1986 war es schon ein stark umkämpfter Markt. Newcomer hatten es nicht mehr so leicht wie vorher. 1985 war das Jahr, in dem Intel und NEC verkündeten, erstmal eine Million Transistoren auf einem einzigen Speicherchip unterbringen zu können. Der Autor schreibt, um uns noch mal auf die revolutionäre Explosion der Technologie hinzuweisen: „Natürlich ist das kein Vergleich zu den heutigen Hochleistungschips, die 128 Billionen einzelne Elemente fassen.“

Der Autor ist seinem Biographiesubjekt sehr nahe. Er beschreibt unaufgelöste Probleme. So hatte sich Steve Jobs in den Kopf gesetzt, eine Tochter aus einer wilden Beziehung zu verleugnen, seine Tochter Lisa, mit der er sich später versöhnte. Als junger Mensch war er auf religiöser Sinnsuche. Er zog wie viele in der damaligen Zeit nach Indien, um Neem Karoli Baba kennenzulernen. Die Zeit war wirr und ohne klare Linie. Er trug fließende Baumwollgewänder, aß fremdartige Nahrung und ließ sich von einem Guru den Kopf kahl scheren. Er bekam eine schwere Durchfallerkrankung und las das Buch Yoganandas „Autobiographie eines Yogi“, ein Buch, zu dem er später immer wieder zurückkehrte und das bei der Trauereier in der Memorialchurch in der Standford University unter den Teilnehmern verteilt wurde. Aber sonst hat kaum je ein religiöser oder mystischer Gedanken ihn erreicht und die Buchaktion muss deshalb bei seiner Trauerfeier auch als nachgereichte Show gelten.

Je mehr man in diesen dicken Wälzer einsteigt, umso inniger verknüpfen sich die Profiterwartungen der großen Koryphäen der digitalen Produktion mit den Erfindungs-Genialitäten. Das, was man als Europäer nie ganz schlucken kann, ist die Qualifizierung von Menschen durch Ihren Geldwert. Der Nettowert – heißt es unverblümt – von Bill Gates  liege nun bei zehn Milliarden US-Dollar, „laut Forbes hatte er Warren Buffet als reichsten Mann der Welt eingeholt“. So fragt sich der demokratische Bürger eines europäischen Landes: Wozu müssen diese Männer erst Milliarden anhäufen, um sich dann noch im Glanz der Gönnerschaft des Globalen Wohltäters zu sonnen?

Oder warum Steve Jobs unbedingt nach dem Erfolg des von seiner Firma Pixar mitbegründeten Film-Erfolges an die Börse gehen muss (?). Das tat er 1995, als der Freund John Lasseter bei der neugegründeten Familie von Steve Jobs zu Besuch war. Als am Abend die Kinder schliefen und seine Frau Laurene zu Bett gegangen war, blieb Steve bis vier Uhr morgens auf und erklärte John Lassetes und seiner Frau Nancy die Welt der Aktien. „Ich hatte Kunst studiert. Er gab uns einen Crashkurs und erklärte, wie die Börse funktioniert, warum Unternehmen an die Börse gehen, was die Leute davon haben, auf welche Weise man den Aktionären verpflichtet ist… Er redete von Börsengängen, den Vorbereitungen, den Wertpapieren. Er erklärte uns einfach alles“. Das ist eben das, was man bei den Entwicklungen aus den USA nie trennen kann, die geniale Erfindung und die Profiterwartungen, die mit Unbedingtheit erfüllt werden müssen.

Der Film „Toy Story“ war ein Erfolg- und auch Pixars Börsengang eine Woche nach der Premiere war ein Erfolg und brachte 132 Mio. USDollar ein, wodurch die Firma einen Börsenwert von 1,4 Mrd. USD hatte. Wie kleine Kinder sind diese Männer dann, sie haben etwas geschafft, aber es hat keinen Ewigkeitswert. Der Preis pro Aktie wurde bei 22 Dollar gehandelt. Steve griff in seinem Büro zum Telefon und sagte seinem Kumpel Ellison: „Ich hab’s geschafft“- Steve war jetzt Milliardär.

Und so plätschert dann das Leben dieses Steve Jobs durch die ganze Geschichte der nächsten 20 Jahre weiter. Er wird reicher und reicher. Und hätte er den Krebs nicht bekommen, würde er neben Bill Gates und Zuckerberg jetzt in die Weltliga der globalen Wohltäter einsteigen. Als Steve 2009 zu Apple zurückkehrt, ist er ein vom Tod gezeichneter Mann. Der Krebs verursachte Steve nunmehr auch starke Schmerzen, er konnte nicht mehr überall hin reisen. Man musste zu ihm nach Hause kommen, wenn man etwas wollte, er kam nicht mehr häufig ins Büro. Es war zweifelhaft, ob er das iPad2 noch selbst würde vorstellen können. Und doch schaffte er das am 2. März 2011 noch einmal.

„Wir glauben, dass die Technik erst dann, wenn sie auf den Menschen eingeht, die Ergebnisse zeitigt, die das Herz höherschlagen lassen. Das neue iPad2 war eine Verbesserung. Es war leichter, verfügte über zwei Digitalkameras – eine auf der Vorderseite für Videokonferenzen und eine zweite mit Blitzlicht auf der Rückseite, das ein spezielles Kamera Entwicklungsteam beigesteuert hatte, das nach dem ersten iPad an Bord geholt worden war. Es kam ein stetiger Besucherstrom in Steves Haus in Palo Alto. Darunter Bill Clinton, aber auch der amtierende Präsident Barack Obama. Bill Gates kam und erklärte nach Stunden bei Steve: „Man wird Steve und mich immer für wichtiger halten als wir es verdienen, weil die Geschichte viel zu kompliziert wird. Steve hat brillante Arbeit geleistet und wenn man sich auf eine einzige Person festlegen müsste – lassen wir mich mal außen vor -, die den größten Einfluss auf die IT Branche gehabt hat, dann wäre das natürlich Steve Jobs.“

Steve Jobs starb am 5. Oktober 2011. Es gab einen großen Gedächtnisgottesdienst. Joan Baez sang „Swing Low, Sweet Chariot“. Und die eigene Frau fand Worte, die ans Herz gingen. Das Geld hatte ihm nicht geholfen. Sie sagte: „Er sah vor sich, was der Realität fehlte, und machte sich daran, sie zu erschaffen. Er dachte nicht argumentativ, sondern intuitiv mit völliger innerer Freiheit. Deshalb war sein Gespür für unentdeckte Möglichkeiten so enorm und ein unglaublicher Sinn für das Mögliche“. Es bleibt die Geschichte eines Menschen, der viel erreicht hat, aber im Gedächtnis derer, die ihn erlebt haben, nicht vorteilhaft in Erinnerung bleibt.

Der Autor hat es sehr vorsichtig noch mal gegen Schluss gesagt: Steves Persönlichkeit war im Laufe des Lebens gewachsen. Er konnte seine Stärken besser nutzen, aber er konnte seine Schwächen kaum dämpfen und zurückstellen. Er hatte „unangenehme Verhaltensweisen und die Tendenz, einer schädlichen Impulsivität nachzugehen“ und die konnte er nicht überwinden. Einige seiner asozialen Eigenschaften flammten auch in den Jahren immer wieder auf, „als er seinen Gipfel als Führungspersönlichkeit erreicht hatte“.

Brent Schlender/Rick Twetzeli „Becoming Steve Jobs – Vom Abenteurer zum Visionär“

Quelle

Rupert Neudeck 2016Grünhelme 2016

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