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Bruttoglücksprodukt als Zukunft der Wirtschaft

Eine revolutionäre Anleitung von Rüdiger Fox zur Weconomy – Für die Evolution zu rundum nachhaltigen Unternehmen und Geschäftsmodellen. Eine Rezension von Peter Spiegel

Der Ansatz: bahnbrechend. Der Autor: brillant und authentisch. Seine Kompetenz: ausgewiesen als serienweise Unternehmensretter und Zukunftsfitmacher. Seine Botschaft: Der jeweilige Phasenübergang in eine völlig neue Dimension der Unternehmensgestaltung und Unternehmenskultur einer „kollaborativen Agilität und Nachhaltigkeit“ ist machbar. Seine konkrete Wegbeschreibung dazu: nobelpreisverdächtig.

Rüdiger Fox suchte sich schon immer besondere Turn-Around-Herausforderungen. Er leitete seit 20 Jahren sechs mittlere und große Konzerngesellschaften der Automobil-, Telekommunikations- und Luftfahrtindustrie in ihren schwierigsten Krisen- und Umbruchzeiten, gegenwärtig das Textilunternehmen Sympatex. Und er tat dies immer mit einem sehr ungewöhnlichen Ansatz: statt Entlassungswelle alles auf höchste Wertschätzung der Mitarbeiter als „das wahre Kapital jedes Unternehmens“ setzen, statt Kürzungswelle Investition in neue, vor allem ökologische Geschäftsmodelle.

Wie er dies tat, weckte die Aufmerksamkeit des Königs von Bhutan, der das Konzept eines „Gross National Happiness“-Indexes im Sinne eines „Nationalen Glücksprodukts“ als erstes in (s)einem Land einführte. Der bhutanische König lud ihn ein und fragte, ob er das „Gross National Happiness“-Konzept auf die Unternehmensebene übertragen könne, sozusagen als „Gross Corporate Happiness“. Die Turn-Around-Erfolge von Rüdiger Fox haben sehr viel damit zu tun, dass er die konsequente Wertschätzung, Förderung und Teilhabe der Mitarbeiter und deren Aktivierung als Innovatoren neuer nachhaltiger Geschäftsmodelle als die neue Königsdisziplin von Management ansieht.

Fox verband seine Erfahrungen und den Wunsch des bhutanischen Königs zu der Entscheidung, eine tiefgreifende Forschung zu leisten zu der Frage: Wie gelingt mitarbeiterzentrierte Unternehmenstransformation, wenn der Happiness-Faktor der Mitarbeiter tatsächlich zum entscheidenden Erfolgsfaktor wird? Studien zu den neuen globalen Rahmenbedingungen einer hoch komplexen, radikal vernetzten, fundamental dynamischen und permanent und unabsehbar sich verändernden Welt weisen genau in diese Richtung. Ist dabei dann die Übertragung des Gross National Happiness Ansatzes auf einen Gross Corporate Happiness Ansatz der richtige Weg?

Das Forschungsergebnis von Fox auf den Punkt gebracht: Der „Homo Economicus“ muss sich unumgänglich zum „Homo Collaborativus“ fortentwickeln, eine zu einseitig auf Eigennutz orientierte Intelligenz zu einer kollaborativen Intelligenz und unsere „Economy“ zu einer „Weconomy“. „Gross National Happiness“ muss zum Wertmaß von Ökonomie werden und „Gross Corporate Happiness“ zum Wertmaß jedes Unternehmens. Nur so sind nicht nur ökologische, soziale und menschliche „Happiness“ auf allen Ebenen – auch jener der Unternehmen – erreichbar, sondern auch alle Aspekte der Nachhaltigkeit von klassisch ökonomischer und finanzieller „Happiness“.

Dem viel zu eng monetär aufgesetzten „Bruttonationalprodukt“ stellte Bhutan bereits 1972 ein ganzheitliches „Bruttonationalglück“ gegenüber, das folgende neun Schlüsselfaktoren umfasst (gemessen über insgesamt 37 Einzelindikatoren): ein adäquater Lebensstandard (der dem BNP nahekommt), eine unbeeinträchtigte Gesundheit, eine ganzheitliche Erziehung / Bildung, gute Regierungsführung, Schutz der Umwelt, Schutz der Kultur, vitales Gemeindeleben, ausgewogene Zeitnutzung und psychisches Wohlbefinden. 2011, fast 40 Jahre später, verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die alle Länder dazu auffordert, ähnlich erweiterte Messgrößen weit jenseits des BNP einzuführen. Die einstimmige Verabschiedung der Sustainable Development Goals durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen 2015 stellte einen ersten bedeutenden Meilenstein auf diesem Weg der sukzessiven Umsetzung dar.

Es spricht viel dafür, dass die von Rüdiger Fox geleistete Wegbereitung und Anwendung des bhutanischen Verständnisses von Gross National Happiness auf die Unternehmensebene – durch den Gross Corporate Happiness Ansatz – künftig als noch wertvoller und wirksamer für das „Reinventing“, das Neuerfinden beziehungsweise Weiterentwickeln von Unternehmertum auf die Anforderungen und Chancen im 21. Jahrhundert gesehen wird.

Er griff die nationalökonomischen Happiness-Kriterien auf und konzipierte sie als unternehmerische Happiness- und zugleich unternehmerische Erfolgsfaktoren:

  • Den adäquaten Lebensstandard auf nationalökonomischer Ebene übersetzte er auf Unternehmensebene als jenes Set an materiellen und immateriellen Faktoren, mit denen das Unternehmen dem Mitarbeiter seine Arbeitsleistung positiv anerkennt und vergütet.
  • Die staatliche Fürsorge für eine unbeeinträchtigte Gesundheit wird auf Unternehmensebene von Fox ergänzt um ein Konzept einer ganzheitlichen Fürsorge, bei der Prävention sowie Unterstützung im Bedürfnisfall ausgewogen sichergestellt werden.
  • Eine ganzheitliche staatliche Erziehung und Bildung findet auf Unternehmensebene ihre Fortsetzung durch die Weiterentwicklung von Kompetenzen im Unternehmen, das sich idealerweise als kontinuierlich Lernende Organisation versteht,
  • Eine gute Regierungsführung findet ihr Pendant in einer gesamtsystemisch verantwortungsvollen Unternehmensführung, die nicht nur die Interessen der Shareholder sichert, sondern die adäquate Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und der Gesellschaft übernimmt.
  • Der staatliche Schutz der Umwelt spiegelt sich auf Unternehmensebene im Konzept der ganzheitlichen strategischen Nachhaltigkeit wider, was sowohl die direkte unternehmerische Tätigkeit umfasst als auch die induzierte Gesamtverantwortung für den Lebenszyklus der Produkte beziehungsweise Dienstleistungen.
  • Der nationale Schutz der Kultur wird für den Unternehmenskontext übersetzt in das Modell einer Unternehmensseele, die deutlich über die klassischen Konzepte von Vision, Mission und Werten hinausgeht.
  • Die staatliche Förderung eines vitalen Gemeindelebens findet im Unternehmen seine Analogie in kollaborativer Agilität, in der das Wirken und die Wirksamkeit des Handelns jedes einzelnen Mitarbeiters durch eine stetig fortentwickelte Kultur des kollaborativen Zusammenwirken verstärkt wird.
  • Die staatliche Fürsorge für eine täglich ausgewogene Zeitnutzung findet ihre Entsprechung im Unternehmen im Konzept einer ausgewogenen Lebenszeit, durch die unvermeidliche zyklische Belastungsschwankungen durch zeitliche Ausgleichsmöglichkeiten für alle Seiten gut und flexibel gestaltet werden.
  • Das psychische Wohlbefinden hat ebenso wie im Staat auch im Unternehmen einen gleich hohen Stellenwert und wird auf komplementäre Weise entsprechend unterschiedlich gestaltet.

Bei der tiefgehenden Ausarbeitung achtete Rüdiger Fox darauf, dass jede einzelne seiner ausgesprochen vielfältigen vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen zu diesen neun Gross Corporate Happiness (GCH-) Elementen so gesehen und beurteilt werden, wie gut und konkret sie der Resilienz und Vitalität des Gesamtorganismus eines Unternehmens und deren Wirken in der Gesellschaft dienen. Er ordnete daher bewusst jedem Hauptelement des GCH-Modells eine zentrale Organfunktion im „Superorganismus Unternehmen“ zu – die Unternehmensseele dem Bewusstsein, die lernende Organisation der lernenden Gehirnfunktion, die materiell wie immateriell positive Anerkennung der ausgewogenen Ernährung, die strategische Nachhaltigkeit den externen Sinnen, die kollaborative Agilität dem zentralen Nervensystem, die ganzheitliche Fürsorge dem Immunsystem, die verantwortungsvolle Unternehmensführung der Bewegungs- und Handlungsfähigkeit, das psychische Wohlbefinden der Herzfunktion und die ausgewogene Lebenszeit dem Gleichgewichtssystem.

Damit wird, neben sehr vielem anderem, auch sichergestellt, dass sich jede Maßnahme zugleich auch für den Hauptfaktor des „alten“ Ökonomiedenkens, also auch finanziell rechnet und lohnt. Jedoch wird extrinsische Motivation als bisheriger Königsweg in jedem Punkt ersetzt durch Ansätze eindeutig intrinsischer Motivation. Das Buch von Rüdiger Fox liest sich dadurch als höchst praktisches Handbuch zur tiefen Mitarbeitermotivation, die sich schließlich als der bestmögliche Schlüssel zu Innovation, Agilität und Kollaboration erweist.

Fox liefert ferner klare Vorschläge, wie jeder Faktor des Gross Corporate Happiness Niveaus konkret gemessen werden kann, und ebenso, was dies für die Feststellung des Vermögenswerts eines Unternehmens bedeutet. Bei Unternehmensübernahmen „zählt“ bisher alles – außer dem wichtigsten Wert: dem Wert, der durch die GCH-Engagements in die Werte und Kompetenzen jedes Mitarbeiters in der Mitarbeiterschaft gebündelt ist. Wenn dies berücksichtigbar, weil darstellbar, wird, wird die Kultur der Wertschätzung in deren umfassendstem GCH-Sinne in einem Unternehmen zum direkten Wert des Unternehmens.

Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Rüdiger Fox verdient den Wirtschaftsnobelpreis. Sein Buch „Bionische Unternehmensführung“, in das quasi als Zugabe auch seine eigenen unternehmerischen Erfahrungswerte zur entsprechenden Transformation von Unternehmen eingeflossenen sind, verdient eine noch größere Beachtung als Frederick Laloux’ „Reinventing Organizations“ oder Otto Scharmers „Theory U“. Es ist ein Handbuch zur Transformation von Unternehmen, die noch zu sehr im bisherigen Economy-Modus unterwegs sind, zu Weconomy-Unternehmen, also zu Unternehmen, die vollumfänglich systemisch-kollaborative Intelligenz leben.

springer.comspringer.com | Dr. Rüdiger Fox ist Unternehmenslenker, Krisenmanager und innovativer Querdenker. Nach Studien der Luft- und Raumfahrttechnik und der Betriebswirtschaft wurde er in Kulturwissenschaften promoviert.
Quelle

Peter Spiegel 2018WeQ Institute 2018

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