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Das Flüstern des Himmels

Ein zerrissenes Land am Fuße des Himalaya, eine Liebe, die nicht sein darf, ein Frauenschicksal zwischen Spiritualität und Rebellion. Ein bewegender Roman über eine Frau, in deren Leben sich  die Zerrissenheit ihres Landes widerspiegelt.

In ihrem Debütroman „Das Flüstern des Himmels“ erzählt Julia Benkert von einem bewegenden Frauenschicksal in Nepal: Die junge Daya muss miterleben, wie ihre Eltern zu Beginn des nepalesischen Bürgerkriegs grausam ermordet werden. Von ihrer Zwillingsschwester Leela fehlt seitdem jede Spur. Daya verstummt. Erst in einem buddhistischen Kloster findet sie ihre Stimme wieder und entdeckt ihre Gabe: Wenn sie singt, berührt sie die Herzen der Menschen. Bald erobert sie mit ihren Liedern die Welt . Doch ihr steht der Sinn nicht nach Ruhm und Reichtum, sie will der Welt das Schicksal ihres Landes vor Augen führen – und sie will ihre Schwester wiederfinden. Doch als sie Leela endlich gegenübersteht, wird Daya mit einer bitteren Wahrheit konfrontiert…

Vorbild für die Hauptfigur des Romans ist die Nonne Ani Choying Drolma, die sich in Nepal für die Armen der Ärmsten einsetzt. 2010 war Julia Benkert selbst in Nepal, um für einen Dokumentarfilm zu recherchieren. Es ging um ebendiese singende buddhistische Nonne, die regelmäßig durch Europa tourt. Viele glauben, sie sei Tibeterin. Aber im Gespräch mit ihr stellte sich rasch heraus, dass ihr dieses falsche Label Unbehagen bereitete, sänge sie doch für den Frieden in ihrer Heimat, für Nepal. Ein Land, das bis zum verheerenden Erdbeben dieses Jahr von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Dabei herrschte in Nepal von 1996 — 2006 ein verheerender Bürger­krieg gegen die Monarchie.

Die Geschichte des Landes mit seinem traumatischen Palastmassaker 2001 begann Julia Benkert zu interessieren und so fing sie an, umfassend zu recherchieren, auch bei den maoistischen Rebellen. 2010 lebten die Soldaten der Rebellenarmee bereits unter Hausarrest in großen, von der UN bewachten Lagern. Nepal ist ein extrem gewalttätiges, männerdominiertes Land, wo Frauen noch immer wie Sklaven behandelt werden. Nur als Nonne oder als Soldatin war und ist man den Männern ebenbürtig. Dieser ungewöhnliche Versuch der Emanzipation rückte zunehmend ins Zentrum ihres Films. Julia Benkert machte eine ranghohe Kommandantin bei den Maoisten ausfindig. Und tatsächlich waren die Ziele der Nonne und der Rebellin, gar nicht so weit voneinander entfernt: Beide wollten mehr Bildung für Frauen. Beide kämpften für eine bessere, gerechtere Gesellschaft, in der es möglich war, auch als Frau unabhängig zu leben und eigenes Geld zu verdienen. Nur dass sie sehr unterschiedliche Methoden wählten, um ihr Ziel zu erreichen: die eine sang und gründete eine Nonnenschule, die andere griff zur Waffe und scheute sich auch nicht davor, zu morden.

Fragen an Julia Benkert

Sie haben als Filmemacherin schon viele Künstler porträtiert — ist die singende Nonne Daya anders?
Im Westen fühlt sich ein Künstler, wenn er auf der Bühne steht, wie ein kleiner Gott. In Nepal dagegen gibt es diese ausgeprägten Künstleregos nicht – noch nicht zumindest. Wer dort als Sängerin oder Tänzerin arbeitet, gilt nicht viel mehr, als eine Prostituierte. Sich selbst auszu­drücken, die eigene Individualität zu entfalten, das ist eine sehr westliche Idee. In Asien fühlt man sich mehr als Teil eines Kollektivs. Egal ob man malt oder singt, man folgt einer Tradition und versucht das zu kopieren, was schon Generationen vor einem gemacht haben.

Auch Daya ist Selbstverwirklichung zunächst fremd. Erst ihr Londoner Musikproduzent hält sie dazu an, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Trotzdem, wenn Daya auf der Bühne steht und singt, fühlt sie sich nicht als Künstlerin sondern sie betet.

Was bedeutet Ihnen Religion?
In meinem Elternhaus bin ich ohne Religion aufgewachsen. Vielleicht rührt gerade daher die heimliche Sehnsucht nach heiligen Orten und magischen Zeichen, nach Weihrauch duftenden Heiligtümern und verschwenderisch geschmückten Altären, die so spürbar aufgeladen sind und mir doch verschlossen bleiben. An Nepal hat mich besonders die Vielfalt der Götterwelt fasziniert. Es ist ein ungewöhnlich mystisches Land, auch mit dunklen Seiten, denn die Menschen dort sind sehr abergläubisch. Als Verneigung vor diesem religiösen Reichtum, lasse ich meinen Roman auf dem Durbar Square von Kathmandu enden, mitten zwischen den alten, holzgeschnitzten Tempeln und Pagoden. Er endet mit einem Hoffnungsschimmer für das Land. Umso fassungsloser war ich, als wenige Tage, nachdem ich das Manuskript abgegeben hatte, die Erde bebte und die Tempel ein­knickten, als wären sie aus Streichhölzern gebaut. Es war, als hätte sich der Götterhimmel über Nepal auf einen Schlag verfinstert.

Ist Filmemachen anders als Schreiben?
Beim Filmemachen hat man ständig mit Menschen zu tun, beim Schreiben dagegen ist man ganz auf sich gestellt. Manchmal kam es mir vor, als wäre nicht Daya ins Kloster gegangen sondern ich. Sich über so einen langen Zeitraum so intensiv einer Sache hinzugeben, war für mich neu. Plötzlich nimmt man Abstand von sich selbst, von den eigenen Befindlichkeiten, und tritt hinter etwas Drittes zurück, das größer ist als man selbst. Diese Erfahrung hat etwas sehr Beglückendes und Befreiendes.

Julia Benkert lebt als freie Autorin und Dokumentarfilmerin in München. Sie realisierte zahlreiche Dokumentationen für ARTE und die ARD, u. a. „Deutschland, deine Künstler — Jonathan Meese“ (ARD), „Romy Schneider — eine Nahaufnahme“ (ARD), „Der Tick als Kunst“ (arte), „AMEN! Die Kunst und ihr Heimweh nach Gott“ (arte), „Patrick Süskind – Duft & Distanz“ (BR). Für die Reihe „Ein Tag im Leben von“ (BR) Porträts der Schriftsteller Andrea Maria Schenkel, Julia Frank, Jan Weiler, Hans Pleschinski, Anita Albus. Und seit 2009 Gespräche mit Schriftstellern für Lesezeichen, BR. „Das Flüstern des Himmels“ ist ihr erster Roman. Bei ihren Recherchen in Nepal stieß sie erstmals an die Grenzen des dokumentarischen Erzählens. Sie spürte, dass sie der Realität Nepals,  dieses mystischen, gleichzeitig völlig zerstörten Landes mit seinen außergewöhnlichen Menschen, nur fiktiv wirklich nahe kommen würde. So entstand ihr erster Roman „Das Flüstern des Himmels“.  

 

droemer-knaur.dejuliabenkert.de | Julia Benkert - Lebt als freie Autorin und Regisseurin in München.
Quelle

Verlagsgruppe Droemer Knaur 2016

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