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© Club of Rome

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Der Club of Rome – ein erfolgreicher Bücherproduzent?

Im Jahr 1972 veröffentlichte der Club of Rome sein erstes Buch „The Limits to Growth“, ein Buch, das die Welt bewegte, aber nicht wirklich verbessern konnte. Zu seinem 50-jährigen Jubiläum erschien ein neues Buch, „Earth for All“, das die Welt auf außergewöhnliche Art und Weise verbessern soll. Kann das was werden? Eine erste Einschätzung von Professor Udo E. Simonis.

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Deutsche Verlags-Anstalt (1972)
© Deutsche Verlags-Anstalt (1972)

Im Jahr 1972 veröffentlichte der Club of Rome sein erstes Buch „The Limits to Growth“, ein kleines Büchlein von 205 Seiten (in Deutsch: „Die Grenzen des Wachstums“), das die damals vorherrschende Fortschrittsgläubigkeit erschütterte und Millionen von Menschen mit bedrohlichen Zukunftsszenarien auf die Überlastung des Planeten aufmerksam machte. Methodisch beruhte das Buch auf einem systemdynamischen Modell, das Professor Jay Forrester vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt hatte (World3). Es stellte fünf Variablen in Beziehung zueinander: Weltbevölkerung, Nahrungsmittel pro Kopf, Industrieerzeugnisse, verfügbare Ressourcen und Verschmutzung der Umwelt, wobei deren gegenseitige Beeinflussungen aus den beobachteten Erfahrungen der Vergangenheit abgeleitet wurden. Auf Basis dieser Daten konnte der MIT-Computer in kurzer Zeit die Zukunft dieser Beziehungen prognostizieren.

Die zweite, revidierte und erweiterte Fassung des Buches vom Jahr 1992 signalisierte mit dem geänderten Titel „Beyond the Limits“ eine ernste Warnung: In Teilbereichen des globalen Systems seien bereits relevante Grenzen überschritten worden, insbesondere die der Belastbarkeit der Senkenfunktionen der globalen Ökosysteme. Im Jahr 2004 erschien dann die dritte, erneut erweiterte und revidierte Fassung (World3-03 mit 11 Variablen) unter dem Titel „Limits to Growth. The 30-Year Update“ – mit 338 Seiten. Diese Fassung ist weiterhin sehr gefragt; in Deutsch ist sie vor kurzem in der 7. Auflage erschienen.

In zehn Szenarien bis zum Jahr 2100 zeigten die Autoren mögliche Zukünfte

der wichtigsten Systemparameter, die unterschiedlich weit von einer Nachhaltigkeitssituation entfernt waren: Die Szenarien 1 bis 8 endeten alle in Grenzüberschreitung (overshoot) beziehungsweise Zusammenbruch (collapse); Szenario 9 dagegen illustrierte das Thema Nachhaltigkeit (sustainability); Szenario 10 zeigte dann, was möglich gewesen wäre, hätte man schon vor 30 Jahren intensiv auf dieses Leitbild hingearbeitet: niedrigere Weltbevölkerung, weniger Umweltverschmutzung, höherer Anteil erneuerbarer Ressourcen, kleinerer ökologischer Fußabdruck, höheres Wohlbefinden der Erdbewohner.

© Hirzel Verlag – 2020
© Hirzel Verlag – 2020

Die Autoren des Buches „The Limits to Growth“ waren als Wissenschaftler äußerst erfolgreich. Insbesondere haben sie den globalen „Nachhaltigkeitsdiskurs“ befruchtet, haben die „De-Karbonisierung“ und „De-Materialisierung“ der Wirtschaft, die „Re-Naturierung“ der Gesellschaft und „Fairness und Solidarität“ zu strategischen Konzepten gemacht. Doch all dies hat die weitere Belastung und Zerstörung der natürlichen Umwelt nicht verhindern können. Die Autoren litten darunter und bekannten sich dazu: „Wir haben das Ziel unserer Arbeit nicht erreicht. Wir haben weiterhin große Sorge, dass die gegenwärtigen politischen Trends zu planetarer Grenzüberschreitung und Zusammenbruch führen werden. Es ist uns nicht gelungen, diese Sorge in geeigneter Weise zu vermitteln. Wir haben dabei versagt, das Konzept der Grenzüberschreitung (overshoot) und des Zusammenbruchs (collapse) in der öffentlichen Debatte fest zu verankern“ (dritte deutsche Fassung, S. xxiii).

Club of Rome | Earth for All_dtsch
© oekom verlag | Club of Rome | Earth for All

50 Jahre nach dem Buch über die Grenzen des Wachstums erschien vor kurzem ein ähnlich begründetes Buch des Club of Rome mit dem spektakulären Titel „Earth for All“ (in Deutsch: „Eine Erde für Alle“), in dem ein „Survivalguide“ (ein Überlebensrat) für den Planeten Erde präsentiert wird – ein Buch über die kollektive Zukunft der Menschheit in diesem Jahrhundert. Es erinnert ausführlich an die Vorläufer-Studien und lobt sie auch – doch es ist ein ganz anderes Buch geworden, sowohl in der Methodologie wie auch in den zugrunde liegenden Zielen.

Ähnlich wie beim Vorläufer von 1972 basiert aber auch dieses Buch auf einem systemdynamischen Computermodell zur Untersuchung der Dynamik des menschlichen Wirkens auf dem endlichen Planeten Erde – dem „Earth4All-Modell“. Dies ist eine Weiterentwicklung des World3-Modells, des Earth-2 und des Earth-3 Modells. Es bezieht den Investitionsbedarf existentieller Herausforderungen ein, insbesondere die Ausgaben, die zur Behandlung des Klimanotstandes erforderlich geworden sind und in Zukunft erforderlich werden. Die vollständige technische Beschreibung dieses Modells findet man im Internet unter www.earth4all.life. Seine Autoren gehen davon aus, dass mit diesem neuen Modell einige der Unzulänglichkeiten der Modellierung globaler Systeme behoben werden konnten (zu den Neuerungen siehe Seite 231 und Abbildung 10.1 auf den Seiten 232-233). Mit dem Buch wollen die Autoren darlegen, dass die Zukunft der Menschheit langfristig davon abhängt, ob verschiedene, weitreichende Kehrtwenden vollzogen werden: Mit „Earth for All“ möchten wir zeigen, dass dies möglich ist“ (S. 10).

Von den Szenarien, die auf Basis des Modells und mit Hilfe der zahlreichen Mitarbeiter beschrieben werden könnten, wurden für das vorliegende Buch zwei ausgewählt: Too Little Too Late (Zu wenig zu spät) und Giant Leap (Riesensprung). Too Little Too Late bedeutet, dass die Gesellschaften Entscheidungen treffen und auf zukünftige Herausforderungen so reagieren, wie sie es in der Vergangenheit getan haben – mit einer „Politik der kleinen Schritte“. Giant Leap bedeutet dagegen, dass die Gesellschaften die miteinander zusammenhängenden Krisen als solche erkennen und damit beginnen werden, den Kurs durch ambitioniertere Maßnahmen zu ändern.

Für das Szenario des Giant Leap werden fünfaußerordentliche Kehrtwenden als grundlegend angesehen – außerordentlich, weil sie mit den Trends der Vergangenheit brechen und das Potenzial für einen echten Systemwechsel haben dürften (S. 36). Diese fünf außerordentlichen Kehrtwenden (in Englisch: „extraordinary turnarounds“) werden auf dreifache Weise vorgestellt: (i) als fünfblättriges Projektsymbol, (ii) als inhaltliche Zielbegriffe: Beendigung der Armut; Beseitigung der eklatanten Ungleichheit; Ermächtigung der Frauen; Aufbau eines gesunden Nahrungsmittelsystems; Übergang zum Einsatz sauberer Energien (S. 15) – sowie (iii) als ausführliche Beschreibung von Inhalt und Erreichbarkeit dieser fünf Kehrtwenden (Kapitel 3 bis 7):

  • Die Armutskehrtwende: die Wirtschaft der Ärmsten darf wachsen
  • Die Ungleichheitskehrtwende: die Dividenden teilen
  • Die Ermächtigungskehrtwende: Geschlechtergerechtigkeit herstellen
  • Die Ernährungskehrtwende: ein gesundes Ernährungssystem für Mensch und Planet
  • Die Energiekehrtwende: Umstieg auf erneuerbare Energien

Eine Abbildung auf Seite 38 präsentiert für jede dieser Kehrtwenden drei der jeweils stärksten sozioökonomischen Hebel: leicht durchführbare Veränderungen, ambitioniertere Maßnahmen, durchgreifende Transformationen. Dabei werden jeweils einige der „großen Ideen“ von Earth for All aufgeführt, wie der vollständige Übergang in ein fossilfreies Energiesystem; die Etablierung einer regenerativen und nachhaltigen Landwirtschaft; die Reform der schädlichen internationalen Finanzsysteme; die Reform der einseitigen Systeme des geistigen Eigentums und des internationalen Handels.

An dieser Stelle animieren die Autoren die Leserinnen und Leser, auch andere Lösungen auszuloten und zu kommunizieren. Sie gestehen aber zugleich, dass andere Themen von ihnen selbst nicht zum Untersuchungsgegenstand einer weiteren Kehrtwende gemacht worden seien. Sie stellen selbst die Frage: Wo ist das Thema Governance? Sie hätten aber auch als global orientierte Wissenschaftler fragen können, wie eine Reform des UN-Systems erfolgen und wie eine genuine globale „Kehrtwende-Wissenschaft“ entwickelt werden sollte. Sie verweisen stattdessen lediglich auf ein Nebenprodukt des Buches, die erstellten „Deep Dive Papers“.

Die fünf empirischen Kapitel des Buches (Kapitel 3 bis 7) haben keine identische, aber eine sich ähnelnde Struktur: Problembeschreibung, Herausforderungen, Lösungsvorschläge, Hürden und Hindernisse, Schlussfolgerungen. Zwei der Kapitel sollen hier skizziert werden, als erstes das zur Armutskehrtwende (Kapitel 3, S. 79-100).

Was ist das derzeitige Problem?

Die extreme Armut ist in den letzten 50 Jahren leicht zurückgegangen, aber immer noch muss fast die Hälfte der Weltbevölkerung mit weniger als 4 US-Doller pro Tag auskommen. Die Corona-Pandemie hat die Armutsbekämpfung enorm zurückgeworfen. Neue Schätzungen deuten darauf hin, dass im Jahr 2030 bis zu 800 Millionen Menschen (zehn Prozent der Weltbevölkerung) von extremer Armut betroffen sein könnten. Was die Kehrtwende angeht, zielen die Autoren darauf ab, 3 bis 4 Milliarden Menschen den Weg aus der Armut zu ebnen (S. 86). An konkreten Lösungen werden vorgeschlagen: Erweiterung der politischen Optionen der einkommensschwachen Länder; Bewältigung der durch Verschuldung und Finanzinfrastruktur entstehenden Probleme; Umgestaltung der globalen Handelsarchitektur; Verbesserung der Systeme des Technologietransfers.

Was die Energiekehrtwende (Kapitel 7, S. 167-188) angeht, zielen die Autoren auf die komplette Umstrukturierung einer der Grundlagen der Volkswirtschaften ab. Das Ziel des „Pariser Abkommens“, die menschengemachte Erderwärmung deutlich unter 2 Grad zu halten, erfordert die drastische Steigerung der Energieeffizienz und den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit deutlichen Worten werden hier die Hürden und Hindernisse beschrieben: „Seit rund 200 Jahren haben die Menschen nach Energie unter der Erde gesucht, statt nach oben zu schauen, zu Sonne und Wind“ (S. 172). Die meisten Regierungen hätten bisher versäumt, sich zu einer massiven Reduzierung der CO2-Emissionen zu verpflichten, enorme Subventionen flössen weiterhin in die fossile Brennstoffindustrie. Dem müsse das Prinzip der systemischen Effizienz entgegengestellt werden, die Elektrifizierung von (fast) allem und ein exponentielles Wachstum neuer erneuerbarer Energien.

Das Kapitel endet mit einer visionären Schlussfolgerung: Der bevorstehende Rückgang der CO2-intensiven Industriebranchen in den Bereichen Energie, Transport und Lebensmittel wird den enormen Bedarf an globaler Logistik und globalem Transport verringern, wird Milliarden Hektar Land frei verfügbar machen, wird die Regeneration der Ozeane ermöglichen und die Luftverschmutzung reduzieren (S. 187). Welche Mittel und Wege die Nationen hierbei auch wählen, es sollten Instrumente sein, die systemische Produktivität mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit verbinden. Zum Schluss noch ein Blick auf die wichtigsten politischen Empfehlungen des Buches, was die fünf behandelten Kehrtwenden angeht.

Empfehlungen an die Politik – in Kurzfassung

Armut

  1. Der Internationale Währungsfonds sollte die Möglichkeit erhalten, armen Ländern mehr als 1 Billion US-$ Investitionen in grüne Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.
  2. Streichung aller Schulden in Ländern mit niedrigem Durchschnittseinkommen (< 10.000 US-$ pro Person).
  3. Neu entstehende Industrien sollten in Ländern mit niedrigem Einkommen geschützt und die Handelsbeziehungen entsprechender Länder untereinander gestärkt werden. Technologien für erneuerbare Energien sollten sich schneller verbreiten, wozu die vielen Hindernisse für den Technologietransfer beseitigt werden müssen.

Ungleichheit

  • Die Steuern für die reichsten 10 Prozent einer Gesellschaft sollten so lange erhöht werden, bis den Wohlhabendsten in Summe weniger als 40 Prozent des nationalen Einkommens bleiben. Um die Einkommens-Ungleichheit und die CO2-Emissionen zu bekämpfen, muss eine progressive Besteuerung eingeführt werden.
  • Gesetzgebung durchsetzen zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte und für den Beschäftigungsschutz.
  • Einführung von Bürgerfonds, um den Bürger*innen einen gerechten Anteil am Reichtum des Landes und an den globalen Gemeingütern zukommen zu lassen.

Gleichberechtigung der Geschlechter

  • Zugang zu Bildung für alle Mädchen und Frauen.
  • Parität der Geschlechter in der Unternehmensführung.
  • Angemessene Renten für alle.

Ernährung

  1. Drastische Eingriffe zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung.
  2. Verstärkung der Anreize für regenerative und nachhaltige Landwirtschaft.
  3. Förderung gesunder Ernährung, die die planetaren Grenzen respektiert.

Energie

  1. Schnellstmöglicher Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und gleichzeitiger Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Investitionen in erneuerbare Energien und in Energieeffizienz sollten auf über 1 Billion US-Dollar pro Jahr gesteigert werden.
  2. Was elektrifiziert werden kann, muss elektrifiziert werden.
  3. Investitionen in die Energiespeicherung in großem Maßstab (S. 221-223).

Das Buch endet mit einem Aufruf zum Handeln (Kapitel 9). Darin heißt es: „Die Aufgaben sind gewaltig. Die Hindernisse sind riesig. Die Gefahren sind enorm. Die Zeit, die uns bleibt, ist kurz. Wir haben davon gesprochen, die schnellste wirtschaftliche Transformation der Geschichte in Gang zu setzen. Und die schwersten Aufgaben müssen im ersten Jahrzehnt angepackt werden. Jetzt!“

(S. 215). Ein Satz gegen Ende des Buches könnte als Geleitwort dazu nützlich sein: „Wir brauchen eine Bewegung von Bewegungen, die auf Empörung und Optimismus aufbaut“ (S. 223).

Ein Fazit: Im neuen Buch des Club of Rome von 2022 über „Earth for All“ geht es ohne Zweifel um eine global wichtige Thematik. Aber wird es auch ein wirkungsvolles Buch sein? Der Rezensent möchte die Antwort auf diese Frage den Leserinnen und Lesern überlassen. Doch eine Einschätzung muss erlaubt sein: Es ist ein wichtiges und zugleich ein besonderes Buch, das in einem komplexen internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern entstand. Neben den 6 Hauptautoren verzeichnet es 30 Beitragende Autoren und 12 Autoren der Datenaufbereitung und Modellierung; 22 Autoren werden mit unterstützenden Deep Dive Papers aufgeführt und 4 Autoren der End-Redaktion; dann werden aber auch die 38 Mitglieder der 21st Century Transformational Economics Commission mit Namen und Funktion genannt, sowie 5 Mitglieder der Earth4All Projektkoordination, 8 Mitglieder eines Earth4All Kampagnenteams & Book-Story-Entwicklung, 2 Grafiker und 4 Institutionelle Förderer; herzlichen Dank zollt man dann noch weiteren 20 Damen und Herren.

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Das ist – ganz offensichtlich – eine beachtliche internationale akademische Führungsgruppe; so könnte denn ein großer Teil der Weltbevölkerung angesprochen werden, wenn die notwendige Institutionalisierung und Kommunikation der fünf diskutierten Kehrtwenden gut gelingt. An der ersten Studie des Club of Rome von 1972 hatten unter der Leitung von Dennis Meadows 16 Wissenschaftler mitgearbeitet; 4 von ihnen erschienen als Autoren auf dem Buchdeckel, die sich speziell bei Aurelio Peccei, dem ökologisch aufgeschlossenen Unternehmer und Mitbegründer des Club of Rome bedankten. Das kleine Buch über „The Limits to Growth“ von 1972 wurde in 30 Sprachen übersetzt, millionenfach verkauft, intensiv diskutiert und auch heftig kritisiert. Wie also wird die weltweite Resonanz auf das neue, etwas längere Buch des Club of Rome über „Earth for All“ von 2022 sein – und woran werden dessen Erfolge letztendlich gemessen werden?

Quelle

Dr. Dr. h.c. Udo E. Simonis 2021 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) 

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