Der Raubzug der Banken
Von einem der auszog, seine Ersparnisse zu retten, und entdeckte, was wirklich mit unserem Geld passiert. Rezension von Rupert Neudeck
Man sucht schon lange nach einem Buch, der uns den Schlüssel zu der Dauerkrise vermittelt. Wo uns plötzlich ein Licht aufgeht in dem unendlichen Dauer-Aktualitäts-Terrorismus, den die Nachrichten jeden Morgen und jeden Abend neu aufführen. Wobei sie in dem unendlichen Herumgezupfe nicht einmal uns sagen: Worum geht es denn überhaupt?
Die Politik muss endlich anfangen, „die Hilfsmilliarden mit strengen Auflagen zu verbinden und die Aktionäre und Kreditgeber der Banken konsequent an den Kosten der Sanierung zu beteiligen.“ Fünf Krisenjahre, so schreibt der Autor, seien ins Land gegangen, ohne dass die Regierungen die Probleme an der Wurzel gepackt hätten. Viele Banken seien weltweit weiterhin „Zombie – Banken“. Sie bleiben nur deshalb am Leben, weil die Politik ihnen hilft, drohende Milliardenverluste zu kaschieren. Die entscheidenden Konstruktionsfehler des Bankensystems bestehen weiter. Es sei vollkommen überdimensioniert und verseucht mit Geschäftsmodellen, „die Profite auf Kosten anderer ermöglichen und gewaltige Risiken schaffen“.
Es ist ein Buch, das versucht, genauer und damit hinter die Kulissen zu schauen. Ob es das immer erreicht und ob der Worte dann nicht manchmal zu viel geschrieben sind, ist eine Frage, die sich der Leser stellt. Aber es ist ein Versuch, das Problem für den normalen Zeitungsleser aufzublättern.
Die erste Erkenntnis des Lesers. Das System ist krank, marode. Auch in seinen sog. Exzellenzinstituten., Beispiel Deutsche Bank Ende 2011. Die DB habe die Bilanzsumme von rund 2.164 Milliarden Euro, habe aber nur 55 Milliarden Euro Eigenkapital, Das heißt 2,5 Prozent der Bilanzsumme. Und der Autor erklärt so etwas auch für uns Bürger, die wir zwar Laien, aber auch interessierte Betroffene sind.
Die Vermögenswerte der DB sind zu 97,5 Prozent durch Schulden finanziert und nur zu 2,5 Prozent durch Eigenkapital. Wenn diese Vermögenswerte mal einen Verlust von 2,5 Prozent erreichen, wäre die Bank pleite. Denn die Summe ihrer Schulden wäre höher als die Summe ihres Vermögens. Privatinvestoren müssten nachschießen. Sollten sie sich weigern, könnte nur der Staat/Regierung die Bank vor der Pleite retten.
Es ist ein falsches Spiel, das da gespielt wird, das Gegenteil von parlamentarischer und demokratischer Transparenz. Viele Euro Regierungen haben vor der Bankenkrise noch solide gewirtschaftet, dann Milliarden in die Finanzmärkte gepumpt. Jetzt werden sie von eben diesen Banken ins Visier genommen – wegen zu hoher Staatsschulden. Ganz eindeutig hält der Autor die Regierungen Europas auf dem falschen Wege: Man schiebt den Banken weiter Milliarden in den Rachen, „ohne sie gleichzeitig zu reformieren.“
Diese Banken und auch Ratingagenturen bekommen auch (gierige) Gesichter. So endet die Recherchenreise des Autors bei Stefan Ortseifen, der mithilfe der zu seiner Zeit erfolgten „Verbriefungen“ die Düsseldorfer IKB ruinierte, eine „solide Mittelstandsbank“, gegründet 1924. Das habe ihn nicht gehindert, noch einen Bonus von einer Million Euro zu kassieren und in einer vornehmen Dienstvilla der IKB in Düsseldorf zu wohnen.
Banken und Finanzspekulanten, die in diesem Buch auftauchen folgen einem „unabänderlichen Gesetz des Universums: „Wenn man Menschen eine Menge Geld dafür bietet, etwas zu tun, das sehr dumm, unethisch oder illegal ist, dann wird eine große Zahl von ihnen es tun.“ Der Crash mit den Immobilienkrediten war unausweichlich. Er hat auch noch die Bautätigkeit angeheizt. Es wurde immer mehr gebaut als man Immobilien brauchte. Bis es 2007 platzte. Der Boom war künstlich, weil er auf einer gefährlichen Kreditblase aufruhte. Die Kreditvergabe wurde von Jahr zu Jahre lascher gehandhabt. Immer mehr Menschen wurde ein Kredit angeboten, den sie sich nicht leisten konnten. Ein Kreditnehmer konnte sich im Januar 2000 das 3.3 fache seines Bruttojahreseinkommens als Kredit aufnehmen, 6 Jahre später schon das 9.2 fache. Heynen: „Dieses Kartenghaus musste irgendwann zusammenbrechen“.
Das Wertvolle an dem Buch: Es rückt das Treiben der sog. Ratingagenturen ins kritische Licht und lässt von ihnen wenig übrig. Allerdings hätte ich es gern gesehen, es wäre eine historische Zuleitung erfolgt, man möchte ja wissen, seit wann es diese kapitalistischen Inquisitionstribunale überhaupt gibt.
Um als Abiturient Jura zu studieren, muss man eine ganz andere Sprache lernen als Deutsch. So ähnlich ist es wohl, wenn man Banken oder Betriebswirtschaflehre studieren will. Die Sprache ist verräterisch intransparent. Beim IKB erhielt nach Ausbruch der Krise 2007, jeder Vorstand weiterhin sein Grundgehalt und einen Teil der Bonuszahlungen, genannt „Mindesttantieme“. „Ähnliche Bonusregelungen gelten bei den Banken bis heute“ – 2013!
Andere Worte, die eine andere gefährliche Realität bezeichnen: Schattenbanken. Diese IKB gründete 2002 über Strohmänner eine Schattenbank, genannt Rhineland Funding im US Bundesstaat Delaware, als Steuerschlupfloch weltbekannt. Die IKB und ihre Schattenbank verwetteten Milliarden darauf, dass zehntausende von Schuldnern jahrelang in der Lage sein würden, ihre Raten zu bezahlen. Fast 90 Prozent der Papiere bei Rhineland Funding waren sog Subprime Kredite, also Kredite, für deren Rückzahlung finanzschwache Schuldner verantwortlich waren. Ein anderes Wort, das einen Trick bezeichnet: „Hebelung“. Jeder Euro der Aktionäre wird „gehebelt“.
Das Geschäft lohnt sich für die Aktionäre immer dann, wenn die Bank sich die zehn Euro zu niedrigen Zinsen leihen kann und dieses Geld zu höheren Zinsen anlegt. Gerichtlich kann man diese verbrecherischen Praktiken kaum belangen, denn im Zweifel, wenn es ernst wird, wird die Firma mühelos zu einem Vergleich vorher kommen.
Reue, das Wort allerdings, so klärt uns das Buch auf, gibt es nicht. Stefan Ortseifen wird verklagt auf Rückzahlung von 805.000 Euro. Im Juli 2010 wird er zur Zahlung einer Geldauflage von 100.000 Euro und einer Haft von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Dagegen geht aber Ortseifen in Revision. „Von Reue bei Stefan Ortseifen keine Spur“, sagt der Autor.
Irgendwann zitiert der Autor eine Bezeichnung, mit der der Bürger und Leser gemeint sein wird. Er beschreibt die üblichen Kunden der Citibank, Haspa und der Sparkasse, Lehmann Opfer allemal: Die seien im Durchschnitt 65 Jahre alt und älter. Manchmal werde von denen als „AD-Kunden“ gesprochen. A wie arm und D wie doof. Ja, das ist schon die zutreffende Bezeichnung. Der Leser fühlt sich ertappt, er würde von der Politik gern wissen, w as sie tut, um diese Verachtung der Bürger, Wähler, Kunden zu verhindern. Ein für alle mal. Das Buch gibt dafür gute Hinweise.
Quelle
Rupert Neudeck 2013Grünhelme 2013