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oekom e. V. – Verein für ökologische Kommunikation

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Klimaschutz – Neues globales Abkommen in Sichtweite?

Wird es in 2015 ein globales Abkommen zum Schutz des Klimas geben? Zu einem aktuellen Buch des Vereins für ökologische Kommunikation eine Rezension von Professor Udo E. Simonis

Das Jahr 2015 ist ein Jahr wichtiger umweltpolitischer Entscheidungen: Wird es zu einer Verständigung über global relevante Entwicklungsziele kommen und wird eine universelle, global kodifizierte Klimapolitik entstehen? Im September 2015 werden die Vereinten Nationen die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) diskutieren, im Dezember wird sich in Paris entscheiden, ob ein neues, globales Klimaschutzabkommen zustande kommen wird. Ein Jahr vor diesen Großereignissen eine überzeugende Analyse vorzulegen und eine verlässliche Prognose zu formulieren, ist ein großes Wagnis, denn alles erscheint möglich: Erfolg wie Desaster.

Viele junge und einige ältere Autorinnen und Autoren haben dennoch auf Einladung des Vereins für ökologische Kommunikation den „Ritt auf dem Tiger“ gewagt: In 18 Beiträgen haben sie ausgelotet, wo nationale und internationale Klimapolitik stehen und welche Hindernisse noch beseitigt werden müssten, damit die damit verbundenen Hoffnungen nicht erneut, wie so oft in der Vergangenheit, wieder im Winde verwehen. Zwanzig internationale Klimakonferenzen hat es schon gegeben. Was müsste geschehen, dass die nächste Konferenz den Durchbruch bringt? Auf durchschnittlich weniger als fünf Textseiten kann man einen der dabei relevanten Punkte nicht vertiefend analysieren wollen; man kann aber die Argumente sammeln und zuspitzen, um die es dabei geht oder gehen sollte.

Klimapolitik könne nicht ohne die Zivilgesellschaft gelingen, so heißt es im ersten Beitrag des ersten Kapitels, das mit dem vielsagenden Wort „Kipppunkte“ überschrieben ist. Wer möchte dem widersprechen? Doch was ist dann die Rolle des Staates und der Staatengemeinschaft? Wenn Vielfalt der gesellschaftlichen und staatlichen Akteure wichtig ist, wie schafft man die geeignete Symbiose, die beste Kooperation und Koordination? Die Wissenschaft habe dazu verlässliche Navigationshilfen geschaffen, so heißt es in einem anderen Beitrag. Doch wird wissenschaftliche Erkenntnis von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hinreichend verstanden – und genutzt?

Das Konzept der „Kippelemente“ könnte für rasches Handeln bei der Stabilisierung des Klimasystems hoch relevant sein. Doch wie lässt es sich polit-strategisch nutzen? Dass der stattfindende Klimawandel keineswegs schon Allgemeinwissen ist, zeigt eine Betrachtung von sage und schreibe 97 klimaskeptischen Sachbüchern. Sie werden glücklicherweise nicht alle dokumentiert, weil das dann das frühzeitige Ende der Diskussion hätte bedeuten können.

Bremser sitzen aber nicht nur am Schreibtisch, sie sitzen auch anderswo – beispielsweise in Brüssel. Für die EU-Kommission wird daher eine Zeitenwende der Klimapolitik eingefordert. Doch da sind auch noch die individuellen Konsumenten: Warum fällt es ihnen, trotz besseren Wissens, so schwer, auf einen CO2-neutralen Lebensstil umzuschwenken? Das mag schwierig sein, aber es ist möglich, so die mit Beispielen belegte Antwort.

Auch das zweite Kapitel des Buches hat einen assoziativen Titel: „Sturmhöhen“. Zu den professionellen Verhandlungsbeobachtern des internationalen Klimadiskurses gesellen sich zunehmend auch radikale Gruppierungen. Das geht nicht immer friedlich aus. Neben der internationalen Klimabewegung gibt es zunehmend mehr regionale Klimabewegungen, in Afrika und auch und besonders in Lateinamerika. In Europa dagegen, so wird moniert, seien die Bewegungen zwar zunehmend professionell, aber keineswegs immer bürgernah. Ausgegrenzt, aber unbeirrt, so die Charakterisierung der lokalen Aktivitäten in den klimapolitischen Bremserländern Australien, Japan und Kanada.

Dem Protest der Inselbewohner gilt ein eigener Beitrag, der mich am meisten beeindruckt hat: Wie denken und argumentieren die Menschen in Tuvalu, Kiribati und anderen kleinen Inselstaaten über den für sie lebensbedrohlichen Klimawandel und wie kämpfen sie – die „climate warriors“ – für eine verantwortlichere internationale Klimapolitik? Dass sich auch mehr und mehr Jugendliche gegen den Klimawandel engagieren und selber aktiv und laut werden, erfreut eine Autorin besonders.

„Tauwetter“ heißt der Titel des dritten und letzten Kapitels des Buches. Weil das globale Klimaregime bisher den Realitätstest nicht bestehe, plädiert der Autor des ersten Beitrags verklausuliert für eine Verlagerung der Klimafrage aus dem UN-System und für die Bildung von bilateralen staatlichen Klimaallianzen, – kein guter Rat kurz vor der immerhin möglichen Vereinbarung eines neuen multilateralen Klimavertrages, dem universell geltenden „Paris-Protokoll“. Doch wenn dieser neue Anlauf scheitern sollte, dann könnte dieser „Klimaskeptiker“ die Notlösung für die Vermeidung der Klimakatastrophe beschrieben haben.

Ein Jahr vor der Konferenz von Paris haben sich die Großemittenten USA und China auf nachprüfbare Klimaschutzziele verständigt. Es ist das „Ende der Verweigerung“, wie der Titel des Beitrages zu Recht sagt. Ob es aber auch die Anerkennung international starker Regeln und abgestimmter Maßnahmen bedeutet, muss sich erst zeigen.

Was sonst noch an großen Transformationen ansteht, ist das Thema des letzten Beitrages, eine schaurige Bilanz und ein Appell zu mehr Mut zugleich. Setzte sich der derzeitige Emissionstrend ungebremst fort, sei zu erwarten, dass die Mitteltemperatur bis Ende des Jahrhunderts um 3,7 bis 4,8 Grad Celsius ansteigen werde. Eine derart wärmere Welt sei eine unerträgliche Welt, aber keineswegs eine selbsterfüllende Prophezeiung, weil ein reichhaltiges Portfolio von emissionsfreien Technolohgien und Verhaltensweise verfügbar sei oder sein werde, um den Scheitelpunkt der globalen Emissionskurve rasch zu erreichen und danach die Treibhausgasemissionen stetig zu verringern. Doch die politischen Realitäten seien noch immer ernüchternd: Auf der einen Seite fehle es in vielen Industrieländern an einer Vision für eine ökologische Wende, auf der anderen Seite konzentriere sich der Diskurs in vielen Entwicklungsländern auf den Klimawandel als historische Schuldfrage, verbunden mit der Absicht, möglichst hohe Ausgleichszahlungen für eigenes Handeln zu erreichen. Letztendlich werde die Kombination aus zivilgesellschaftlichen Impulsen und politischer Führungsstärke über Erfolg und Misserfolg des Klimagipfels von Paris entscheiden.

Kein Zweifel: Die zivilgesellschaftlichen Impulse aus der deutschsprachigen Welt könnten verstärkt werden, wenn dieses ideenreiche Buch möglichst viele Leserinnen und Leser findet. Es bliebe dann aber immer noch die Frage, woher die nötige politische Führungsstärke kommen kann – denn Bücher, auch knappe Bücher, zu lesen, wird nicht zu den Prioritäten von Politikern gehören.

oekom e. V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hg.): Klimaschutz. Neues globales Abkommen in Sichtweite?

Inhalt: Inhaltsverzeichnis
Leseproben:

Martin Kaiser, Daniel Mittler: Zeit für eine freundliche Übernahme – Klimapolitik und Zivilgesellschaft Artikel lesen
Maria A. Martin: Das riskante Spiel mit dem Gleichgewicht – Kippelemente im Klimasystem Artikel lesen
Johanne Hammelbeck: Wenn fünf vor zwölf zum Alltag wird – Klimawandel und Jugend Artikel lesen

Quelle

Udo E. Simonis ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Redakteur des Jahrbuch Ökologie

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