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Landraub – Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus

Überall wird Land gekauft. Über die alte-neue neokolonailistische Krankheit Landgrabbing. Von Rupert Neudeck

Das ist große Klasse, was ein Reporter allein leisten kann, der sich unanhängig von allem bewegt und sich keine Routen von quotensüchtigen Fernsehredakteuren vorschreiben lassen muss. Stefano Liberti hat uns ein glänzendes Buch geliefert, das ganz ungewöhnliche globale Strukturen aufweist. Immer geht es um Landraub, immer geht es auch um Kolonialismus, ob er sich in Chicagos Weizenbörse oder in Genf im Moloch des Schweizer und UN-Finanzkapitalismus aufhält, ob er in Äthiopien das „Eldorado der Investoren“ besucht oder sich die die Scheichs und Landgrabbing Matasdore in Saudi Arabien ansieht.

Er beschreibt nicht nur objektiv, mit Zahlen und Tabellen, was alles am Markt sich tut, er beschreibt auch magnetische Figuren an der Börse und in Genf. So z.B. die Susan Payne, Gründerin und Geschäftsführerin der Emergent Asset Management mit magnetischer Wirkung, kupferrotem Haar. Sie hat einen Blick, der fesselt und festhält. Susan Payne beschreibt Anbauflächen in Afrika als eine „der aufregendsten Investitionsmöglichkeiten“: „Afrika ist die neue Grenze. Die Anbauflächen kosten wenig und „mit den notwendigen Investitionen in Technologie kann man die Produktivität steigern, hervorragende Gewinne erzielen und der einheimische Bevölkerung Nutzen bringen“. Afrika sei dazu bestimmt zu wachsen. „Und wir müssen an diesem Wachstum teilhaben“.

Ackerland wird in Afrika verscherbelt. In Sambia bezahlt man zwischen 800 und 1000 US Dollar pro Hektar und Jahr, während man in Argentinien 5000 und in Deutschland 24.000 US Dollar zahlen muss. Das ist der alte verruchte Optimismus der Kapitalanleger: Wir investieren, sagt Payne, „schaffen Arbeitsplätze, erhöhen die Ernährungssouveränität der Orte, an denen wir tätig sind“.

Ihre Philosophie umfasst die drei P’s: Profit, Planet, Population. Sie bekommt von allen was, weil sie ja keine Bedingungen stellt. Daran ist der Kontinent in den letzten 40 Jahren zerbrochen, man hat mit Mobutu Geschäfte gemacht wie heute mit Mugabe, sans gene. So hat sie gerade in Simbabwe 9000 Hektar gekauft, also in einem Land, in dem es wenig ratsam ist, als Weiße und dann noch als Britin Geschäfte zu machen. Aber a frere cochon oder als Soeur cochon kann man machen.

Der Autor besucht eine unglaublich hochkarätige Konferenz in Riad in Saudi Arabien, in der sich die Regierungen Afrikas mit allem Land, das sie frei zur Verfügung haben, unter Au0ßerachtsetzung der hunderte von Millionen von Kleinbauern, einfach dem großen Kapitalstinkenden Saudi Arabien anbiedern.

Die agroindustriellen Großbetriebe nehmen den Kleinbauern Äcker, Wasser und Märkte weg. Das sagt ein großer Unternehmer aus Südamerika. „Ich glaube, dass die Welt vor allem eine Landwirtschaft braucht, die effektiv und in großem Maßstab produziert. Aber es ist einfach nicht möglich, dieses Modell voranzutreiben, ohne dass jemand verliert“.

Die enteigneten Bauern werden als billige Arbeitskräfte in die Städte strömen und dort keine Arbeit bekommen. Es wird in Afrika eine lange Liste von verlieren geben.

An der Börse von Chicago erlebt der Autor einen Tummelplatz von mehr oder weniger risikofreudigen Spielern. An diesen Börsen wird über das Schicksal von hunderten von Millionen Menschenentscheiden. Die Immobilienblase platzt und enthüllt der Welt die Existenz toxischer Finanzderivate. Der Aktienmarkt bricht zusammen. Sie Investoren weichen auf sichere Fluchtanlagegüter wie GOLD, Silber und Grundnahrungsmittel aus.

Alle wollen aber unschuldig sein. Wenn Hungerrevolten ausbrechen wie in Ägypten, Haiti, Elfenbeinküste und den Philippinen, dann landet die Börse in Chicago auf der Anklagebank. Hier werden die preise festgelegt. Von hier geht diese abnorme Flutwelle aus, die die Weltbevölkerung überrollte. Überall hört der Autor den Singsang, Warum-die –Dinge-so-sind-wie sie-sond. Spekulation ist hier in Chicago kein Schimpfwort, Die Spekulanten haben die Aufgabe den Liquiditätsfluss zu suchen und das zu ermöglichen, was wir mit hedging bezeichnen. Ohne die Spekulanten, die das Risiko übernehmen, wäre das hedging nicht möglich und der Markt würde nicht funktionieren“.

Dann kam noch die Entdeckung hinzu der grünen Treibstoffe für unser sakramentales Auto. 2006 gibt es eine Rede von George W. Bush zur Lage der Nation. Das Hauptproblem, so sagt er, sei Amerikas Abhängigkeit vom Öl.. America is addicted to oil“. Und deshalb will er bis 2022 den Anteil des verfügbaren Äthanols an den US-Tankstellen versiebenfache.

Diese Produktionsförderung ergänzte schon vorhandene staatliche Fördermittel für Unternehmen, die Tankstellen mit Äthanol beliefern. Iowa wird geradezu zum Kuweit der USA. Sie machen dort schon ein 250-Rennen 2007 Iowa Corn Indy 250. Die Rennwagen werden zu 98 Prozent mit Äthanol betankt. „Die zwei Prozent Benzin werden nur hinzugefügt, um die Flüssigkeit für Menschen ungenießbar zu machen, weil ein Gesetz der USA daraus besteht, Treibstoffe verbietet, die zu 100 Prozent aus Alkohol bestehen.

Aber der Autor benennt auch die Gegenkräfte. Es bestehe ein Wettbewerb zwischen  800 Millionen Menschen, die ein Auto besitzen, und 800 Mio. Menschen, die dem Risiko der Unterernährung ausgesetzt sind. „Wir stehen an einem Scheideweg“, sagt Lester Brown. „Um ein bisschen weniger für unsere Autos auszugeben, lassen wir Millionen Menschen auf der südlichen Halbkugel hungern. Wir müssen der Realität ins Auge blicken. Sind wir bereit, ein solches Verbrechen zu begehen?“

Doch die Supermacht USA sieht es anders. „Wir haben den Mais und können den Treibstoff produzieren“. Aus einem Hektar Ackerfläche lassen sich jährlich 500 Gallonen Äthanol erzielen. „Wenn Du in Iowa herumfährst, siehst du diese Abertausende von Hektar, die mit Mais bepflanzt sind. Aber du siehst keinen einzigen Soldaten, um diese Felder zu verteidigen. Du wirst auch keinen jungen Mann tot in einem Plastiksack zurückkommen sehen, weil er diese Felder verteidigt hat. Warum sollen wir unsere Kinder losschicken, um die Erdölfelder im Irak zu verteidigen, während wir hier zu Hause in Ruhe unseren Treibstoff herstellen können.“

Am Schluss geht der Autor noch nach Brasilien, wo der Kampf der fünf Konzerne um Soja und Zuckerrohr tobt: Cargill, ADM, Bunge, Louis Dreyfus und Avipal. Allein Cargill und ADM beherrschen 65 Prozent des Weltgetreidemarktes. Sie kontrollieren auch den Input. Dünger, Pestizide, saatgut.

Einer aus dem Verwaltungsrat von Cargill sagt es zum Autor: „Wir produzieren Phosphordünger in Tampa, Florida. Dieser wird beim Sojaanbau in Argentinien und USA eingesetzt. Das Soja wird weiterverarbeitet zu Tierfutter und Öl. Das Futter wird nach Thailand geschickt, um damit Hühner zu füttern, „die wir verarbeiten, kochen und verpacken, um damit die Supermärkte in Japan und Europa zu beliefern“.

Der brasilianische Westen wird immer noch von den Multis erobert. Und dort hörte er die neue Botschaft: „Im Laufe der nächsten sieben Jahre wird Mato Grosso do Sul der größte Äthanol Hersteller der Welt werden“. Cargill, ADM und Bunge sind in das Geschäft mit den neuen Treibstoffen eingestiegen und halten Anteile an den örtlichen Raffinerien, nicht nur im Mato Grosso do Sul. Im August 2010 sah sich die Bundesregierung allerdings gezwungen, eine Grenze von 5000 Hektar beim Landkauf durch Ausländer einzuführen.

Das Buch macht Sorgen, weil es beschreibt, wie schrankenlos diese Mutis und Großkonzerne die Welt aufteilen und beherrschen.

Man sagt, es sei gar nicht notwendig zwischen Nahrung und Treibstoff zu entscheiden. Denn die mit Zuckerrohr bepflanzten Anbauflächen betragen gerade mal fünf Prozent der Gesamtfläche. Aber es gibt die Gegenkräfte, die Bewegung Sem Terra und die Bauernvereinigung Ostafrikas und der Bauern und Landarbeiterverband Indonesiens die Widerstand angesagt haben.

In Madagaskar hat eine populäre politische Bewegung es schon geschafft, die Regierung zu stürzen, nach dem diese mit einer koreanischen Größtfirma einen Deal über ein großes Stück Land-Kuchen von Madagaskar getätigt hatte.

Quelle

Rupert Neudeck 2012Grünhelme 2012

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