Umwelt-NGOs. Über Wirkungen und Nebenwirkungen ihrer Professionalisierung
Was kann geschehen, wenn Umwelt- und Naturschutzorganisationen (NGOs) durch Professionalisierung noch erfolgreicher werden wollen, als sie schon sind? Eine Rezension von Udo E. Simonis.
Was geschieht, wenn an und für sich erfolgreiche Umwelt- und Naturschutzorganisationen meinen, noch erfolgreicher werden zu müssen? Wenn sie sich dazu einer Professionalisierung unterziehen und sich dabei einer strikten ökonomischen Rationalisierungslogik unterwerfen? Schon ein Blick in die dazu vorliegenden bisherigen Studien ergibt nichts Gutes.
Noch schlechter wird es nach Auswertung der Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlicher Organisationen und nach Einbeziehung der dazu mit Umweltexperten abgestimmten Bewertungen, wie Viola Köster sie in diesem Buch vorgenommen hat und zu einer originellen Darstellung bringt.
Indem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien verinnerlichen und einem „Managerialismus“ verfallen, verwandeln sich Umwelt- und Naturschutzorganisationen in eine Art von Reparaturbetrieb, der nur noch reaktiv auf Naturzerstörungen reagiert und die Fähigkeiten zur proaktiven, vorsorgenden Überwindung der eigentlichen Ursachen der Probleme verliert.
Die Autorin belegt diese Hypothese äußerst material- und kenntnisreich – und erweitert sie zugleich durch Rückbindung an einen großen Denker der frühen Ökobewegung – an Herbert Marcuse. Sie charakterisiert die Reaktionen als Erschöpfung und Burnout, als Ernüchterung und Resignation.
Durch traditionelle wie moderne Professionalisierung wird das „vorherrschende Realitätsprinzip“, das zur äußeren Naturzerstörung geführt hat – so Marcuse – auf die innere Natur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgedehnt, wodurch deren organisationales Protestpotential eingeschränkt und letztlich defizitär wird.
Um diesem Dilemma zu entgehen, setzt Viola Köster mit Marcuse’s kritischer Naturtheorie auf ein Dreifachprinzip: auf befreite Menschen in einer befreiten Gesellschaft und einer befreiten Natur. Und das heißt: auf eine von Empathie getragene Politik im Zeichen einer ökologischen Vision und nicht als pure Legitimation des herrschenden Rationalisierungszwangs.
Die Leserin/der Leser dieses gut und flott geschriebenen Buches wird diese Radikalität des Argumentierens genießen oder verwerfen. Sie/er wird mit diesem Buch aber auch an das hohe intellektuelle Niveau des ökologischen Diskurses erinnert, das einst mit Namen wie Herbert Marcuse verbunden war. Und dieser Lesegenuss ist ganz gewiss unstreitig.
Quelle
Udo E. Simonis 2012 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Kurator der Deutschen Umweltstiftung