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unsplash.com | Arto Marttinen | Tokio

© unsplash.com | Arto Marttinen | Tokio

Bis 2050 rutschen klimatisch nördliche Städte 1000 km Richtung Süden

Unter dem Szenario einer Temperaturerhöhung um 1,5 Grad würde sich Hamburg den jetzigen Bedingungen von San Marino und Berlin denen von Canberra nähern, der heißeste Sommermonat könnte um 5 Grad wärmer sein. Von Florian Rötzer

 Unter welchen klimatischen Bedingungen werden die Menschen leben, wenn die Klimaerwärmung weiter voranschreitet? Wissenschaftler des Crowther Lab an der ETH Zürich haben versucht zu berechnen, wie sich das Klima für Großstädte auf der Welt bis 2050 verändern könnte. Ausgangspunkt war für die Wissenschaftler, wie sie in ihrer Studie schreiben, dass es eine „Konsenskluft“ zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und der öffentlichen Meinung gibt.

Die meisten Menschen würden aufgrund der vereinzelten Berichterstattung nicht wirklich nachvollziehen können, wie ein Anstieg um 2 Grad Celsius das Alltagsleben verändern wird. Visualisierung könne helfen, daher haben die Autoren die heutigen klimatischen mit denjenigen zu vergleichen, die nach 2050 zu erwarten sind. Um das nachvollziehbarer zu machen, legten sie Stadtpaare in verschiedenen bioklimatischen Regionen der Welt an, um zu ermitteln, ob die jetzigen Klimabedingungen bleiben oder sich denen einer anderen Stadt nähern. Bei 77 der Städte verschiebt sich das Klima, allgemein rutschen die Städte der nördlichen Halbkugel in Richtung der subtropischen Klimazone. Beispielsweise wird sich das Klima in London demjenigen angleichen, das jetzt Barcelona hat.

Zugrundgelegt wurde dafür mittleres Szenario nach dem RCP 4,5 (Repräsentativer Konzentrationspfad), wie er im 5. IPCC-Bericht festgelegt wurde. Hier steigt die Treibhauskonzentration gegen Ende des Jahrhunderts nicht weiter an, die Temperatur würde um etwa 1,5 Grad steigen, würde also noch in etwa der Begrenzung nach dem Pariser Klimaabkommen entsprechen, um das Schlimmste zu vermeiden. RCP 4,5 setzt optimistisch voraus, dass schnell neue Techniken und Strategien zur Reduktion der Treibhausgase zur Anwendung kommen und effektiv sind. Zum Vergleich wurden von 520 Städten mit einer Bevölkerung von über einer Million 19 bioklimatische Variablen für Temperatur und Niederschlag herangezogen.

Ein Fünftel der Städte werden bislang unbekannte klimatische Bedingungen haben

Trotz des gemäßigten und wahrscheinlich zu optimistischen Szenarios dürfte es nach den Wissenschaftlern zu großen Veränderungen kommen. Danach wird nur für 23 Prozent der Städte das Klima weiter ihrem aktuellen gleichen, der Rest der Städte nähert sich klimatischen Bedingungen anderer Städte an. Und dazu werden nach dem Modell 22 Prozent der Städte ein Klima aufweisen, das bislang noch nicht bekannt ist. Das trifft vor allem für die Städte in den Tropen zu. 64 Prozent von ihnen erfahren vor allem wegen der steigenden Trockenheit bislang nicht existierende Klimabedingungen. Das würde dramatische Veränderungen für Politik, Wirtschaft und Infrastruktur nach sich ziehen. In den Tropen werden steigt der Niederschlag im regenreichsten Monat um 5 Prozent und die Dürre in den trockensten Monaten um 14 Prozent.

Die stärksten Temperaturveränderungen wird es für die Städte auf der nördlichen Halbkugel geben. In Europa werden Sommer und Winter wärmer, nämlich durchschnittlich um 3,5 bzw. 4,7 Grad. Das würde bedeuten, dass die Städte klimatisch um die tausend Kilometer Richtung Süden rutschen, jährlich sind das 20 km unter den gegenwärtigen Klimabedingungen. Das Klima in Madrid würde 2050 dem in Marrakesch, das wiederum um 2,9 Grad wärmer würde, ähneln, das in London dem von Barcelona. Stockholm wäre vergleichbar mit Budapest jetzt, Moskau mit Sofia, San Francisco mit Lissabon, Tokio mit Changsta, Reykjavik mit Wellington.

Hamburg würde San Marino gleichen und durchschnittlich 1,4 Grad wärmer sein, der wärmste Monat könnte 5,4 Grad wärmer werden. Berlin nähert sich mit einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 1,8 Grad dem australischen Canberra an. Der heißeste Monat im Sommer könnte 6,1 Grad wärmer sein, der kälteste Monat im Winter um 2,5 Grad. München würde sich nicht so stark verändern und 1,2 Grad wärmer werden, der wärmste Sommermonat könnte aber auch um um 4,6 Grad heißer sein. Wien würde Skopje mit einem Temperaturanstieg 2,3 Grad gleichen und einem um 7,6 Grad heißeren wärmsten Sommermonat haben. Zürich nähert sich Mailand mit einem Anstieg von 2,2 Grad an, der wärmste Sommermonat wäre um 5,6 Grad wärmer.

Insgesamt sei der Trend, dass die Zeiten mit geringen Niederschlägen noch trockener und die mit hohen noch feuchter werden. Die Temperaturunterschiede zwischen den Jahrzeiten nehmen ab, die täglichen Unterschiede zwischen maximalen und minimalen Temperaturen nehmen zu.

Plos.org/CC BY-SA-4.0
Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „TELEPOLIS“ (Florian Rötzer)
2019
 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung von Florian Rötzer 2019 weiterverbreitet
werden! 

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