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American Meteorological Society

© American Meteorological Society

Das Erdklima scheint außer Kontrolle zu geraten

Die Bundesregierung, große Teile der Medien und Wirtschaft in Deutschland beunruhigt dies offensichtlich nicht.

Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit wurde am 3. August 2016 in den USA der neuste Sachstandbericht über den Klimazustand der Erde veröffentlicht. Der US-Wetterdienst (National Weather Service), der zur US-Wetterbehörde NOAA gehört, hat in dem peer-reviewten Bericht die Forschungsergebnisse von 456 Wissenschaftlern aus 62 Ländern zusammengetragen. Das Ergebnis, veröffentlicht im Bulletin of the American Meteorological Society, zeichnet ein erschreckendes Bild des beschleunigt fortschreitenden Klimawandels.

Die Erderwärmung scheint völlig außer Kontrolle zu geraten. So ist das Jahr 2015 das bisher wärmste Jahr seit der Aufzeichnung der Erdtemperatur; fast alle Temperaturrekorde in den verschiedenen Weltregionen wurden gebrochen. Zudem zeichnet sich das Jahr 2016 nach bisherigen Analysen des ersten Halbjahres als neues Hitze-Rekordjahr ab, so berichtet im renommierten US-Wissenschaftsmagazin Scientific American.

Die Zunahme der Erdtemperatur hat sich enorm beschleunigt. So ist 2015 die Erdtemperatur in einem Rekordsprung um ca. 0,1 °C auf ca. 16 °C gestiegen, das bedeutet eine Erwärmung der mittleren Oberflächenerdtemperatur um ca. 1°C seit dem vorindustriellen Niveau. Sollten diese jährlichen Erwärmungsschritte auch in den nächsten Jahren erfolgen, so wird das Ziel von Paris, möglichst eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° C, bereits im Jahre 2020 erreicht sein. Just in dem Jahr, in dem die Pariser Vereinbarung erst in Kraft treten und beginnen soll, ihre Wirkung zur Begrenzung auf 1,5°C zu entfalten. Selbst wenn die Abschwächung des El Nino, der in 2015 einen großen Anteil an den Rekordtemperatursprüngen hatte, eine etwas langsamere Erwärmung als in 2015 erwarten lassen könnte, so kann dies nicht beruhigen.

Wie dann mit den weltweit noch nach dem Pariser Abkommen erlaubten hohen Emissionen bis 2050 eine Begrenzung auf 2°C erreicht werden soll, bleibt das Geheimnis der beteiligten Politiker, wie der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks. Sie legte über das Umweltministerium einen Entwurf über einen neuen nationalen Klimaschutzplan vor. Angesichts der Dramatik einer aus den Fugen zu geratenden Erderwärmung ist dieser völlig unzulänglich, da weit über 2050 hinaus noch immer Emissionen in Deutschland erlaubt sein sollen.

Dennoch werden im Kanzleramt fast alle zielführenden Verbesserungen in Frage gestellt. EurActiv spricht gar von einer Zerlegung des Klimaschutzplanes der Umweltministerin. Dies ist umso erschreckender, als sich die Chefin des Kanzleramtes, Angela Merkel, gerne als Klimaschutzkanzlerin titulieren lässt. Dies bedeutet, dass sich Deutschland unter Kanzlerin Merkel bereits weiter denn je von wirksamen Klimaschutzmaßnahmen entfernt hat und sich weiter entfernt.

Deutschland hat sich mit der in der Öffentlichkeit, mit Ausnahme weniger Umweltverbände und Wissenschaftler, weitgehenden tolerierten Sabotage einer wirksamen Klimaschutzpolitik endgültig von jeglicher Vorreiterrolle im Klimaschutz verabschiedet und befindet sich längst in der Rolle eines Anheizers der Klimakatastrophe. Es werden nicht mal mehr die völlig unzulänglichen nationalen Klimaschutzziele und Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien eingehalten. Selbst große Schadensbilanzen, wie in der diesjährigen Gewittersaison, scheinen kein Umdenken für einen wirksamen Klimaschutz hervorzurufen, weder bei Union und SPD, noch bei AfD und anderen.

Mit verantwortlicher Klimaschutzpolitik ist dies nicht vereinbar
In Österreich dagegen gibt eine ernsthafte Suche nach neuen Klimaschutzanstrengungen. Im österreichischen Parlament gibt es eine Enquete-Kommission, die sich mit neuen Klimaschutzzielen als Ausfluss aus der Pariser Vereinbarung beschäftigt. Im Beitrag von energy peace für die Enquete wird klar analysiert, dass die Konzentration von Klimagasen in der Analyse das erträgliche Maß schon weit überschritten hat und deshalb Wege zur Senkung gefunden werden müssen. Es wird Zeit, dass auch in Deutschland endlich neue Klimaschutzdiskussionen, die der dramatischen Entwicklung in der Erdatmosphäre gerecht werden, initiiert werden.

Stattdessen führen hierzulande Hauptverantwortliche von Klimagasemissionen völlig bizarre Klimaschutzdiskussionen. So hat der Verein der Kohlenimporteure (VDKI) eine Untersuchung vorgelegt, wonach Kohlekraftwerke den Ausgleich der Schwankungen von Solar- und Windenergie emissionsärmer schaffen könnten als Gaskraftwerke (siehe FAZ vom 5.8. 2016). Die Reaktion der Erdgaswirtschaft: ein Gutachten, wonach Gaskraftwerke dies mit weniger Emissionen als Kohlekraftwerke leisten könnten (siehe Taz vom 5.8. 2016). Sei es drum, wer Recht hat. Dieser groteske Streit legt zumindest offen, dass alle fossilen Kraftwerke erheblich zu den schädlichen Emissionen beitragen. Ob dabei Erdgas oder Kohle etwas emissionsärmer ist, ist für das Klima völlig unerheblich, beide sind sehr schädlich.

Darüber hinaus sind Erdgas- wie Kohlekraftwerke für den Schwankungsausgleich überflüssig. Längst ist die technologische Revolution so weit, dass ein intelligenter Mix aus 100% Erneuerbaren Energien mit modernen Speichertechnologien selbst den Ausgleich der Wind- und Solarschwankungen schaffen kann.

Vielleicht bewirkt aber der Streit um die geringe Klimaschädlichkeit von Erdgas- oder Kohlekraftwerken endlich, dass auch die Teile der Klimaschutzbewegung erkennen, dass Erdgaskraftwerke ebenfalls erhebliche Klimagasemissionen in der Größenordnung von Kohlekraftwerken verursachen und damit kein Beitrag zum Klimaschutz darstellen, wie immer noch oft behauptet wird.

Quelle

Hans-Josef Fell | 2016

 

Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG-Gesetzentwurfes

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