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BOS Deutschland e.V. | Daniel Merdes, Geschäftsführer BOS Deutschland e. V.

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Das unterschätzte Gaspedal der Klimakatastrophe

Was haben aktuell die Arktis rund um den Polarkreis und Borneo – die drittgrößte Insel der Erde – gemeinsam? An beiden Orten wüten riesige Brände. Und diese Feuer brennen nicht nur Wald nieder. Was da brennt, ist vor allem der Boden: Es lodern tausende Quadratkilometer Torfmoore und heizen die Klimakatastrophe weiter an. Von Daniel Merdes, Geschäftsführer BOS Deutschland e. V.

Sie sind gigantische CO2-Speicher und gleichzeitig tickende CO2-Bomben: Torfmoore – bzw. auf Borneo die tropischen Torfmoorwälder. Ein Großteil dieser Torfmoorwälder befindet sich im weltgrößten Inselstaat Indonesien. Sie bedecken rund zehn Prozent des Landes auf einer Fläche von ca. 22 Millionen Hektar (in etwa die Größe Großbritanniens). Je nach Tiefe speichern Torfmoorwälder zwischen 3.000 und 6.000 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, also fast 50-mal so viel wie ein gleichgroßes Regenwaldgebiet ohne Torfmoorboden (120 bis 400 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar).

Das Problem: Bei der Rodung von nur einem Hektar Torfmoorwald wird 1.000-mal so viel CO2 ausgestoßen, wie bei einem Flug von Paris nach New York. Die CO2-Emissionen gerodeter Torfmoorflächen machten im Jahr 2016 die Hälfte aller indonesischen CO2-Emissionen aus.

Alles hängt zusammen

Mittlerweile können sich nur noch wenige Menschen an dem Glauben festhalten, dass Feuerkatastrophen auf Borneo oder in Sibirien ach so weit weg sind und keinen Einfluss auf unser Leben hier in Europa haben. Denn all diese Vorgänge, all diese Prozesse hängen zusammen – auch mit den Temperaturrekorden und der extremen Trockenheit seit einigen Jahren in Europa.

Doch was kann gemacht werden, um diesen Prozess des Klimawandels zu stoppen? Natürlich kann jeder einzelne seinen CO₂-Verbrauch reduzieren: Keine Flugreisen, Bahn statt Auto, wenig Fleisch, usw. Doch vor allem müssen Regierungen weltweit den Markt besser regulieren. Zum Beispiel müssen Produkte, für die Torfmoorwälder zerstört werden, vom Markt genommen werden, während andere, die Torfmoorwälder aktiv erhalten, gefördert werden sollen.

Der RSPO (Roundtable on Sustainable Palmoil) hat 2018 seine Zertifizierungskriterien revidiert. Danach ist der Anbau von Ölpalmen auf Torfmoorflächen jetzt verboten. Das ist ein erster wichtiger Schritt. Die Einhaltung des Verbots muss allerdings auch durch strenge Audits überprüft werden. Da sind die Mitglieder des RSPO gefragt.

Palmöl gehört nicht in den Tank

Auch auf EU-Ebene wurden in den letzten zwei Jahren wichtige Entscheidungen zum Problem Palmöl in Biodiesel getroffen. Palmöl gehört nun zu den Rohstoffen, die die EU-Kommission als hochemittierend einstuft, u.a. weil erwiesenermaßen viele Plantagen auf Torfmoorböden errichtet wurden. So soll der Palmölanteil in europäischem Biodiesel bis 2030 stufenweise auf null sinken.

Selbst wenn diese Entscheidung ein Wendepunkt für die indonesischen Torfmoorwälder sein könnte, muss die konkrete Durchsetzung genau beobachtet werden. Schon jetzt befinden sich in der Verordnung einige Schlupflöcher und 2021 soll die Verordnung noch einmal überprüft werden.

Schutz der Torfmoorregenwälder

Eine wichtige Grundvoraussetzung für den Schutz der noch bestehenden Torfmoorregenwälder Indonesiens ist die Kartierung des Landes. Denn Land, dessen Besitzverhältnisse nicht klar feststehen, fällt leicht neuen Plantagen zum Opfer.

Zudem hat die Regierung des Landes nach den katastrophalen Waldbränden 2015 und 2016 beschlossen, dass Regenwälder, die auf mindestens drei Meter tiefen Torfmoorböden liegen, konserviert werden sollen.

Doch ein weiterer Regierungsbeschluss wird von Experten äußerst kritisch bewertet: Der Schutz von mindestens 30 Prozent aller „Torfmoordome“. Das sind Torfmoorlandschaften, bei denen das Zentrum topographisch höher liegt, als die Gebietsränder – ähnlich einer Kuppel. Gerade Umweltverbände kritisieren diese Verordnung massiv: Sie sei genauso effektiv, wie ein Rauchverbot auf der rechten Seite eines Flugzeugs, während auf der linken Seite weiterhin geraucht werden darf.

Denn: Wenn zwar 30 Prozent eines „Torfmoordoms“ unter Schutz stehen, die verbliebenen 70 Prozent aber trockengelegt werden, dann wird im gesamten Gebiet das Wasserniveau sinken. Ein Ausstoß des im Moorboden gebundenen CO₂ ist langfristig die sichere Folge. Laut der indonesischen Regierung könnte das Wasserniveau künstlich ausgeglichen werden. Experten zweifeln aber, dass dies möglich ist.

Beschützer des Waldes

Ohnehin sollte der wirtschaftliche Vorteil von Regenwaldschutz für die lokale Bevölkerung stärker im Fokus stehen. Es sollte klargestellt werden, dass nachhaltige Bewirtschaftung und Konservierung der Torfmoorwälder langfristig besser für den Lebensunterhalt der Bevölkerung sorgt als Monokulturen, die den Boden auslaugen, mit Pestiziden belasten und langfristig zerstören.

Besonders indigene Gruppen sollten schnellstmöglich Landrechte erhalten. Studien weisen nach, dass Flächen, die von indigenen Gruppen bewirtschaftet werden, eine sehr niedrige Abholzugrate im Vergleich zu anderen Landflächen haben. Gleichzeitig werden aber nur 15 Prozent der Regenwälder und noch weniger der Torfmoorwälder so verwaltet.

Der Wahnsinn von Mawas

Wir von BOS Deutschland kennen die Folgen einer Degradierung von Torfmoorregenwäldern leider nur zu gut. Ende der neunziger Jahre träumte der damalige indonesische Präsident Suharto davon, auf Megaplantagen Reis anzubauen. Dafür wurden hunderte Hektar Torfmoorregenwald gerodet, metertiefe Kanäle angelegt, um den Boden trockenzulegen – bis das Projekt scheiterte.

Reis wurde dort nie geerntet, aber der Torfmoorregenwald zerstört. Seit knapp 15 Jahren arbeitet BOS in diesem Gebiet und versucht, die Schäden wieder zu beseitigen. 70.000 Hektar Torfmoorregenwald sind degradiert. 70.000 Hektar, die täglich mehr CO2 in die Atmosphäre ausstoßen. Und das Gebiet ist eine tickende Zeitbombe, denn Torf brennt besser als Holz. In fast jeder Trockenzeit kommt es in Mawas zu Bränden. Auch dieses Jahr ist keine Ausnahme.

Aus diesem Grund sind wir über die aktuellen Brände in der gerade erst begonnen Trockenzeit sehr besorgt und fest davon überzeugt, dass der Schutz und Erhalt der Torfmoorgebiete einer der Schlüssel für die Rettung des Weltklimas sind.

Depositphotos | GUDKOVANDREY | Orang-Utans sind akut vom Aussterben bedroht. Ihr Lebensraum - der Regenwald auf Borneo - wird für Ölpalmplantagen zerstört.
Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (Daniel Merdes) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht
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werden! | energiezukunft |
Heft 26 / Herbst 2019 | „Nachhaltige Lebensstile“ | Jetzt lesen Download |Daniel Merdes ist Geschäftsführer von BOS Deutschland. Der Verein setzt sich für den Artenschutz von Orang-Utans auf Borneo und den Schutz der dortigen Regenwälder ein.

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