‹ Zurück zur Übersicht
NASA GISS Abweichung der örtlichen Temperatur vom jeweiligen lokalen Mittelwert für die Jahre 1951 bis 1980 für die drei Frühlingsmonate März, April, Mai. Im globalen Mittel war der nordhemisphärische Frühling um 1,1 Grad Celsius zu warm.

© NASA GISS Abweichung der örtlichen Temperatur vom jeweiligen lokalen Mittelwert für die Jahre 1951 bis 1980 für die drei Frühlingsmonate März, April, Mai. Im globalen Mittel war der nordhemisphärische Frühling um 1,1 Grad Celsius zu warm.

„Der Zustand des Klimasystems ist alarmierend“

Die Energie- und Klimawochenschau von Wolfgang Pomrehn: Von steigenden Temperaturen, sterbenden Korallen, überschwemmten Flusstälern und einem Landtag, der sich (fast) geschlossen der Zukunft verweigert. 

Auch der Mai war im globalen Maßstab einer der wärmsten je beobachteten Monate, wie die neuen Daten der Goddard Instituts for Space Studies der NASA (GISS) zeigen.

Das tropische Wetter- und Ozean-Phänomen El Niño ist inzwischen abgeklungen und damit geht auch die globale Mitteltemperatur etwas zurück. Mit 0,93 Grad Celsius über dem globalen Maidurchschnitt der Jahre 1951 bis 1980 liegt sie aber immer noch sehr hoch und macht den zurückliegenden Mai damit zum wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Damit war dieser der nunmehr achte Monat in Folge, in dem ein neuer Monatsrekord aufgestellt wurde.

Das vergangene Jahr war mit 0,86 Grad Celsius über dem Referenzwert im globalen Mittel mit erheblichem Abstand das bisher wärmste Jahr gewesen. In den ersten fünf Monaten des neuen Jahres lag die Temperatur allerdings bisher bereits 1,15 Grad Celsius über dem Referenzwert. Das heißt das laufende Jahr ist auf dem besten Wege erneut alle Rekorde zu brechen.

Zustand alarmierend

Die obige Verteilung der Temperaturabweichungen im Frühling zeigt mehrere interessante Einzelheiten. Erstens waren verschiedene ohnehin schon warme und trockene Regionen in Nordafrika, Westasien und dem Nordosten Brasiliens deutlich zu warm, was die dortigen notorischen Wasserprobleme verschärft haben dürfte. Zweitens ist die Erwärmung in der Arktis besonders stark, wo, wie berichtet (Wenig Eis am Nordpol), das Eis derzeit schneller als je zuvor zurückgeht. Und drittens sind die Gewässer südöstlichen von Grönland weiter zu kalt, was auf eine Verlangsamung des Golfstroms schließen lässt, die seit einiger Zeit beobachtetet wird.

„Der Zustand des Klimasystems ist alarmierend“, meint mit Verweis auf die neuesten GISS-Daten David Carlson, der bei der Weltmeteorologie Organisation WMO das Welt-Klimaforschungsprogramm leitet. „Ungewöhnlich hohe Temperaturen; Schmelzraten des Eises in März und Mai, wie wir sie normaler Weise nicht vor Juni sehen; Niederschläge, wie wir sie nur einmal pro Generation erleben. Der Super-EL-Niño ist nur ein Teil der Erklärung. Unnormal ist die neue Norm.“

Besonders Besorgnis erregend seien die schnellen Veränderungen in der Arktis, denn was dort passiere, habe weltweite Auswirkungen. Die Frage sei, ob das gegenwärtige Tempo der Veränderungen anhalte oder sich vielleicht sogar noch beschleunige. „Wir bewegen uns im unbekannten Gelände“, so Carlson. Die WMO weist unter anderem auch auf die schwere Schädigung von Korallenriffen in vielen Weltmeeren hin, die eine Folge von zu hohen Wassertemperaturen sowie von Wasserverschmutzung und ähnlichem sind. Stark betroffen ist unter anderem auch das Great Barrier Reef vor Australiens Westküste.

Ungewöhnliches Timing

Hierzulande ist nach den schweren Niederschlägen Ende Mai und Anfang Juni das Wasser in den Hochwassergebieten inzwischen wieder abgelaufen und die Aufräumarbeiten haben begonnen. Die Hochwassergefahr ist allerdings noch nicht gebannt. Die Böden sind vielerorts vollgesogen und jeder zusätzliche Schauer rauscht daher ziemlich ungebremst direkt in Bäche und Flüsse.

Bei den westlichen Nachbarn in Belgien und vor allem in Frankreich fielen die Unwetter Ende Mai Anfang Juni noch deutlich heftiger aus. In Frankreich wurden Schäden in Höhe von 900 Millionen bis 1,4 Milliarden Euro angerichtet. Fünf Menschen starben dort. In Paris musste das weltbekannte Museum Louvre gesperrt werden. Dort stieg die nach Nordwesten zum Ärmelkanal fließende Seine auf 6,1 Meter über ihr Normalniveau. Das war der höchste Stand seit 34 Jahren, aber immer noch deutlich unterhalb der Rekordflut vom Januar 1910, als acht Meter erreicht wurden.

Das Becken der nach Westen zum Atlantik fließenden Loire war ebenfalls von schweren Niederschlägen und nachfolgenden Überschwemmungen betroffen. Während die hohen Wasserstände durchaus ihrer Vorläufer hatten, so doch nur ein einziges Mal zu dieser Jahreszeit. Für gewöhnlich sind derartige Unwetter in Frankreich bisher fast ausschließlich im Winter oder im zeitigen Frühjahr aufgetreten. Nur in zwei dokumentierten Fällen, im Juli 1659 und im Juni 1856, traten vergleichbare Wassermassen außerhalb der Monate Dezember bis März auf, berichtet die Seite Climate Central.

Klimawandel schuld?

Dort wird auch über eine Untersuchung einer Gruppe von Wissenschaftlern informiert, die der Frage nachgingen, ob ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen und dem Klimawandel herzustellen ist. Für Frankreich wurde konkret das auftreten dreitägiger Niederschlagsereignisse und für Süddeutschland eintägige Niederschlagsmengen untersucht.

Hierfür hat man zum einen aus den Wetterdaten für verschiedene Regionen den Trend der entsprechenden Ereignisse bestimmt. Außerdem wurden regionale Klimamodelle mit der Randbedingung unveränderter Treibhausgaskonzentrationen in zahlreichen Durchgängen berechnet, um eine Wetterstatistik in einer Welt ohne menschliche Eingriffe zu haben. Anschließend konnte verglichen werden, wie häufig die entsprechenden Ereignisse in der realen und wie häufig in der Welt ohne menschliche Treibhausgasemissionen vorkommen.

Das Ergebnis: In Frankreich ist durch den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit der extremen Niederschläge um mindestens 40 Prozent gestiegen, im Seine-Becken vermutlich um etwa 80 Prozent und im Becken der Loire gar um rund 90 Prozent. Für Deutschland waren die Ergebnisse hingegen weniger eindeutig. Hier ließ sich kein statistischer Zusammenhang zwischen den beobachteten Unwettern und der menschgemachten Klimaveränderung nachweisen.

Freunde der Braunkohle in Brandenburg

Derweil hat sich in Brandenburg der Staub der Anti-Braunkohle-Proteste vom Pfingstwochenende immer noch nicht gelegt. Wir hatten letzte Woche bereits über eine Dokumentation rechtsradikaler Gewalttaten gegen die Demonstranten und Blockierer berichtet. Am Freitag vergangener Woche debattierte nun der Landtag über die Energiepolitik im Land und in diesem Zusammenhang auch über die Proteste.

Ralf Holtzschuher als Hauptredner der regierenden SPD nutzte dabei vor allem die Gelegenheit, eine Lanze für die Braunkohle zu brechen. Der Ausstieg aus der Kohle ist für ihn nur ein Fernziel, das „irgendwann mal“ erreicht werde. Er habe zwar keinen Zweifel, dass es einen Klimawandel gebe, und es sei wohl so, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgase „dazu beitragen“. Dafür gebe es aber keinen „wissenschaftlich exakten Beweis“. Eine etwas eigenwillige Art, die Ergebnisse von fast 200 Jahren Forschung auf diesem Gebiet zusammen zu fassen.

Vielleicht hätte er sich zuvor ein wenig bei den Klimawissenschaftlern vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung schlau machen sollen, das unweit des Landtags angesiedelt ist. Der dort forschende und an der Potsdamer Uni Physik der Ozeane lehrende Stefan Rahmstorf meint zu den Äußerungen des SPD-Politikers gegenüber Telepolis:

Exakte Beweise gibt es bekanntlich nur in der Mathematik und nicht in der Physik. Dass die Treibhausgas-Emissionen die Hauptursache der globalen Erwärmung sind (und nicht nur dazu beitragen) ist seit langem wissenschaftlicher Konsens, weil die Belege erdrückend sind. Daran zweifeln nur noch einige Versprengte wie die AfD und Donald Trump. Sämtliche Staaten – bis hin zu China und Saudi Arabien – erkennen diese Fakten an, wie das rechtlich bindende Pariser Klimaschutzabkommen zeigt.

Stefan Rahmstorf

In der Debatte war viel von der Verteufelung der Braunkohle die Rede und Holtzschuher behauptete, Klimaschützer würden die Bergleute als Klimakiller diskreditieren. CDU, Freie Wähler und AfD hatten die Gelegenheit genutzt, Anträge zu erhöhten Mindestabstand für Windräder von Wohnhäusern einzubringen, von denen keiner eine Mehrheit fand. Allerdings machte die Debatte deutlich, dass auch den SPD-Abgeordneten der Ausbau zu schnell geht. Sie warnten, dass die Windenergie ihre Akzeptanz verliere und lobten daher die geplante Novelle des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (siehe u.a. EEG: Kabinett verabschiedet Gesetzentwurf), mit dem der Ausbau künftig rabiat begrenzt werden könnte.

In Brandenburg gibt es offenbar, wie auch in anderen östlichen Bundesländern, das Problem, dass die Windparks meist von ortsfremden und oft von Kapitalfonds errichtet werden. Bürgerbeteiligung ist selten und daher bleibt im Vergleich zu Schleswig-Holstein oder Niedersachsen weniger von den Erträgen in den Gemeinden hängen. Mit dem neuen EEG wird die Bürgerbeteiligung künftig deutlich erschwert. Das wurde allerdings in der Landtagsdebatte weder von den Grünen noch von den Regierungsfraktionen der SPD und der Linkspartei problematisiert. Von AfD, CDU und Freien Wählern auch nicht, aber von dieser Seite war derlei auch nicht zu erwarten.

Mythos Brückentechnologie

SPD-Sprecher Holtzschuher verstieg sich hingegen zu der Behauptung, die erneuerbaren Energieträger trügen „weniger als fünf Prozent zur sicheren Stromversorgung“ bei. Braunkohle werde daher noch lange als Brückentechnologie benötigt. Wir baten Volker Quaschning, der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin forscht und lehrt, dies für Telepolis zu kommentieren.

Wir haben in Deutschland erhebliche Kraftwerksüberkapazitäten. Neben der Kernenergie könnten daher sofort auch zahlreiche Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Aufgrund der schlechten Flexibilität sind Braunkohlekraftwerke nicht geeignet, die zunehmenden Fluktuationen durch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszuregeln. Das ist auch eine der Hauptursachen, warum derzeit der Ausbau erneuerbarer Energien weiter verlangsamt wird, obwohl wir mit den heutigen Zubauzahlen schon keinerlei Chance haben, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen.

Die Braunkohle unter diesem Hintergrund als Brückentechnologie zu bezeichnen, zeugt von mangelndem technischen und klimapolitischen Sachverstand. Für eine nachhaltige Energieversorgung benötigen wir einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien in Kombination mit Speichern und regelbaren Lasten infolge der Sektorkopplung. Gleichzeitig gilt es, einen sozialverträglichen Kohleausstieg spätestens bis zum Jahr 2030 umzusetzen. Versäumen wir jetzt, umgehend die nötigen Schritte zeitnah einzuleiten, wird der unweigerlich kommende Kohleausstieg am Ende noch viel größere soziale Härten hervorrufen.

Volker Quaschning

Von den Angriffen rechter Schläger mit Baseballschlägern und anderer gefährlicher Ausrüstung auf die Pfingstproteste war in der Landtagsdebatte übrigens wenig zu hören. Nur Grüne und Linkspartei erwähnten sie kurz. Ansonsten wurde viel über „angebliche“ Klimaschützer, Extremisten und „Ökoterroristen“, letzteres von Seiten der AfD, gesprochen.

Mit dem Stimmen der Regierungsfraktion wurde schließlich ein gemeinsamer Antrag von SPD und Linkspartei angenommen, in dem die „besondere Bedeutung“ der Braunkohle für die Energiewende betont wurde und von „Ausschreitungen im Rahmen der Aktion ‚Ende Gelände'“ die Rede war. In aller letzter Minute hatte man nach entsprechender Kritik noch einen Satz eingefügt, mit dem die „Angriffe rechter und neonazistischer Kräfte auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrerer Protestveranstaltungen“ verurteilt wurden. Alles andere wäre dann wohl doch zu peinlich gewesen.

NSIDC | Eisbedeckung des arktischen Ozeans im Mai aus Satellitendaten seit 1978. In diesem Jahr hat der Rückgang besonders früh ein gesetzt.NASA | Niederschlag zwischen dem 22. Mai und dem 6. Juni. Je heller desto mehr. Auf den Flächen, die weiß gekennzeichnet sind, sind bis zu 480 Millimeter, das heißt, bis zu 480 Liter pro Quadratmeter, niedergegangen. Da die Daten mit Wetterradars und ähnlichem ermittelt wurden, kann örtlich sogar noch mehr gefallen sein.NASA | Auch der Südosten Texas wurde dieser Tage von schweren Überschwemmungen heimgesucht.
Quelle

Der Bericht ist von Wolfgang Pomrehn 2016 | TELEPOLIS verfasst und darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden!

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren