Eisschmelze: Grönland hat ein trauriges Rekordjahr hinter sich
Im vergangenen Jahr hatte Grönland einen bislang nie dagewesenen Eisverlust zu beklagen. Schuld ist nicht nur die globale Erwärmung, sondern auch ein lang anhaltendes Hochdruckgebiet im Sommer – eine Folge des schwächelnden Jetstreams.
Noch bedeckt der Grönländische Eisschild rund 80 Prozent der größten Insel der Welt. Nach der Antarktis ist dies das zweitgrößte Eisreservoir der Erde. Und wie in der Antarktis bedroht der Klimawandel die Eismassen Grönlands. Seit Jahren verliert der Eisschild bedrohliche Mengen an Eis. Zwischen 2010 und 2018 gingen jedes Jahr rund 290 Milliarden Tonnen an Eis verloren. Für 2019 zeigen neue Analysen nun einen sprunghaften Anstieg schmelzender Eismassen. Forscher der Columbia University in New York und der Université de Liège ermittelten für das vergangene Jahr einen Verlust von 600 Milliarden Tonnen Wasser. Damit stieg der globalen Meeresspiegel um 1,5 Millimeter. Ein kompletter Verlust des Grönländischen Eisschilds würde zu einem weltweiten Meeresspiegelanstieg von rund sieben Metern führen.
In Grönland hat der Klimawandel bereits jetzt verheerende Auswirkungen. Neben der globalen Erwärmung wird auch der sogenannte Jetstream beeinflusst. Dieser wandert im Normalfall in wellenförmigen Bewegungen um die Nordhalbkugel und transportiert Hoch- und Tiefdruckgebiete über die Kontinente hinweg. So entsteht normalerweise eine Abfolge verschiedener Wetterbedingungen. Doch die Klimakrise schwächt den Jetstream ab, so dass dieser im vergangenen Sommer über Wochen für eine gleichbleibende Wetterlage sorgte. Deutschland hatte wieder einmal mit einer langanhaltenden Hitzewelle zu kämpfen.
Und auch in Grönland sorgte der stockende Jetstream für ein Hochdruckgebiet, das über Wochen nicht weiterzog. Dies hatte in zweierlei Hinsicht negative Auswirkungen auf die Eismassen, wie auch das Wissenschaftsmagazin scinexx detalliert beschreibt. Im Süden Grönlands sorgte das Hochdruckgebiet für viel Sonne und klaren Himmel. Wärmende Sonnenstrahlen konnten ungehindert auf das Eis treffen konnten. Auch fiel kein isolierender Schnee. Die Eisflächen tauten besonders schnell ab. Außenbereiche des Hochdruckgebietes wiederum transportierten warme und feuchte Luft vom Atlantik in den Norden. Als Folge bildeten sich im Norden ungewöhnlich dichte Wolken, die wie eine Decke darunterliegende Gebiete erwärmte.
© Bild: NASA Earth Observatory images by Joshua Stevens | Bild links: Das warme Wetter im vergangenen Sommer sorgte für das Abschmelzen riesiger Eismassen, die unter anderem ins Meer flossen. | Bild rechts: Durch das warme Wetter und abschmelzenden Eismassen bildeten sich zugleich im Landesinneren riesige Seen.
Die Folge war ein Negativrekord in der Eismassenbilanz, also dem Verhältnis zwischen Eiszugewinn durch Schneefall und Eisverlust durch Abtauen. Marco Tedesco von der Columbia University und Hauptautor der Studie vergleicht die Eismassenbilanz mit einem Bankkonto: „In einigen Perioden gibst du mehr aus, in anderen nimmst du mehr ein. Aber wenn du immer zu viel ausgibst, geht dein Konto dauerhaft ins Minus.“ Rund 375 Milliarden Tonnen Schnee fallen normalerweise in einem Jahr. 2019 waren es jedoch nur 50 Tonnen. Und diese 50 Tonnen konnten bei weitem nicht den Verlust an Eismassen wettmachen. Dabei führen die tauenden Eismassen unter anderem dazu, dass Gletscher ins Meer abbrechen und dort umso schneller schmilzen.
„Wir zerstören in wenigen Jahrzehnten Eis, dass über Jahrtausende entstanden ist“, sagt Tedesco. Darüber hinaus macht er darauf aufmerksam, dass der Jetstream in aktuellen Klimamodellen noch zu wenig Berücksichtigung findet. „Zukunftsprognosen unterschätzen den Verlust an Eismassen durch den Klimawandel höchstwahrscheinlich“, so Tedesco. Der Grönländische Eisschild gilt als einer der Kippelemente der Erde. Das immer weitere Schmelzen der Eismassen könnte bereits unumkehrbar sein und weiter zu steigendem Meeresspiegel und rasantem Temperaturanstieg führen. Es geht nun höchstwahrscheinlich darum den Prozess zu verlangsamen und sich an neue Begebenheiten anzupassen.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht
ohne Genehmigung weiterverbreitet
werden! | energiezukunft |
Heft 27 / 2019 | „Europas Energiewende“ | Jetzt lesen | Download