Emissionen deutscher Anlagen erreichten 2021 fast wieder Niveau vor COVID-19-Pandemie
Trotz hoher CO2-Preise im Europäischen Emissionshandel starker Zuwachs der Emissionen aus Kohleverbrennung.
In 2021 emittierten die rund 1.730 im Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) erfassten stationären Anlagen in Deutschland rund 355 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente (CO2₂-Äq). Dies entspricht einem Anstieg um 11 Prozent gegenüber 2020. Damit wurde das Niveau von 2019 vor der COVID-19-Pandemie nur um etwa 8 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente unterschritten.
Das berichtet die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt (UBA) ausführlich in ihrem aktuellen Bericht über die Treibhausgasemissionen der emissionshandelspflichtigen stationären Anlagen und im Luftverkehr für Deutschland im Jahr 2021 (VET-Bericht 2021). Nach dem konjunkturellen Einbruch 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie führte die wirtschaftliche Erholung im vergangenen Jahr maßgeblich zu dieser Entwicklung.
Dirk Messner, Präsident des UBA: „Der Wiederanstieg der Emissionen im Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Pandemie, war erwartbar, jedoch nicht dessen Ausmaß. Unsere Zahlen zeigen, dass das Emissionsniveau von 2019 fast wieder erreicht wurde. Der vor Beginn der COVID-19-Pandemie beobachtbare Trend zu starken Emissionsrückgängen in den deutschen ETS-Anlagen scheint damit vorerst gestoppt. Hier müssen wir entschieden gegensteuern und die schnellere Abkehr von fossilen Energien vorantreiben. Das gilt umso mehr als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Denn ambitionierter Klimaschutz hilft uns auch gegen unsere Energieabhängigkeit von Russland. Ein reformierter Emissionshandel kann hierfür maßgebliche Impulse setzen.“
Jürgen Landgrebe, Leiter des Fachbereichs V Klimaschutz, Energie, Deutsche Emissionshandelsstelle: „Im Rahmen der laufenden Verhandlungen zur Neuausrichtung der europäischen Klimapolitik müssen Rat und europäisches Parlament jetzt konsequent auf eine ambitionierte Reform des Emissionshandels setzen. Dafür ist insbesondere entscheidend, dass die Emissionsobergrenzen im EU-ETS deutlich abgesenkt werden. Mit stark gestiegenen Auktionserlösen aus dem EU-ETS schaffen wir außerdem erhebliche finanzielle Spielräume in der EU. Diese Mittel müssen für eine gezielte Unterstützung und soziale Abfederung der gesellschaftlichen Anstrengungen zur Dekarbonisierung genutzt werden. Damit bleibt der Emissionshandel ein zentraler Eckpfeiler der europäischen Klimapolitik.“
Energie: Im Jahr 2021 stiegen die Emissionen der deutschen Energieanlagen erstmals seit 2013 wieder an. Sie lagen gegenüber dem Vorjahr mit 235 Millionen Tonnen Kohlendioxid um 14 Prozent höher. Gründe dafür waren eine gestiegene Stromnachfrage aufgrund der konjunkturellen Erholung sowie zunehmende Emissionen aus der Verbrennung von Stein- und Braunkohle. Letzteres lag an der deutlich geringeren Einspeisung der Windkraftanlagen sowie dem überproportionalen Preisanstieg bei Erdgas, welcher trotz der hohen CO₂-Preise den Einsatz von Stein- und Braunkohlekraftwerken gegenüber den Erdgasanlagen wirtschaftlich begünstigte.
Industrie: Die Emissionen der energieintensiven Industrie in Deutschland erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent auf 120 Millionen Tonnen CO₂-Äq. Damit stiegen die Emissionen nach zwei Jahren mit konjunkturbedingten Emissionsrückgängen wieder an und erreichten fast wieder das Niveau vor der COVID-19-Pandemie. Die größten Anstiege erfolgten in der Eisen- und Stahlindustrie mit plus 13 Prozent, gefolgt von Industrie- und Baukalk mit plus 9 Prozent. In beiden Branchen waren auch die pandemiebedingten Emissionsrückgänge im Jahr 2020 am größten. In der chemischen Industrie, der Zementklinkerherstellung und der Papier- und Zellstoffindustrie stiegen die Emissionen geringfügig an mit Werten zwischen 2 und 3 Prozent. Demgegenüber sanken die Emissionen der Raffinerien geringfügig um rund 2 Prozent. Die Emissionen der Nichteisenmetallindustrie blieben in etwa gleich.
Emissionen im Luftverkehr: Die Emissionen der von Deutschland verwalteten Luftfahrzeugbetreiber betrugen in 2020 etwa 4,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Dies entspricht einem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent. Zurückzuführen ist das auf die Erholung des Luftverkehrssektors im vergangenen Jahr nach dem starken Rückgang der Transportleistungen im Jahr 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie.
Deutschland und Europa: Die Emissionen aller am EU-ETS teilnehmenden Anlagen (in den 27 EU Mitgliedstaaten und Island, Liechtenstein, Norwegen) stiegen 2021 in geringerem Maße als in Deutschland: Nach Angaben der Europäischen Kommission stiegen die Emissionen in 2021 um 7 Prozent an und beliefen sich auf rund 1,31 Milliarden Tonnen CO₂-Äq. Ursächlich für diese Entwicklung war wie in Deutschland eine wieder anziehende Konjunktur im zweiten Pandemiejahr, so dass die Emissionen bei der Stromerzeugung um rund 8 Prozent und die Emissionen der Industrieanlagen um rund 5 Prozent im Vergleich zu 2020 anstiegen. Gegenüber 2005 sind die ETS-Emissionen europaweit um rund 38 Prozent und damit noch stärker zurückgegangen als in Deutschland mit etwa 31 Prozent. Das aktuelle Emissionsniveau im EU-ETS liegt damit bereits nah an der aktuell geltenden Zielvorgabe für 2030 (minus 43 Prozent), was den großen Spielraum für eine Ambitionssteigerung im EU ETS unterstreicht.
Emissionshandel und Gesamtemissionen: Der relative Anstieg der Emissionen im Emissionshandelssektor fällt deutlich stärker aus als der Anstieg der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Die Vorjahresschätzung des UBA vom März weist für die gesamtwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen einen Anstieg von rund 33 Millionen Tonnen CO₂-Äq bzw. 4,5 Prozent aus.