„Erst die Dürre, dann der Bürgerkrieg“
Ausgetrocknete Flüsse, übernutzte Grundwasser-Vorräte und ein schlechtes Management durch Assads Leute: Professor Stefan Rahmstorf erklärt, was die Fluchtursachen in Syrien sind und warum durch die globale Erwärmung die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen wird.
klimaretter.info: Herr Professor, der Bürgerkrieg in Syrien eskaliert und erzeugt immer mehr Flüchtlinge. Der Konflikt begann aber schon vor vier Jahren, nach einer schweren Dürreperiode im Land. Haben Dürre und Gewalt etwas miteinander zu tun?
Stefan Rahmstorf: Der Ausbruch von Unruhen und Gewalt hat natürlich immer eine ganze Reihe von Ursachen, darunter vor allem politische und gesellschaftliche Voraussetzungen. Eine wohlhabende, stabile Demokratie wie die USA kommt auch mit einer Dürre zurecht. Leider gibt es auf der Erde aber auch viele verletzliche und schwache Staaten, wo Naturkatastrophen oder Ernteausfälle durchaus ein Auslöser für Instabilität sein können – besonders wenn die Regierung bei der Bewältigung der Situation versagt oder überfordert ist. Ein 2013 in der FachzeitschriftScience publizierter Überblick über 60 einzelne Studien zeigte, dass Abweichungen von normalen Niederschlägen und erhöhte Temperaturen systematisch die Gefahr von Konflikten erhöhen.
klimaretter.info: Gibt es konkrete Hinweise zu Syrien?
Eine weitere Studie hat belegt, dass zahlreiche gewaltsame Proteste in Nordafrika und dem Nahen Osten in den Jahren 2008 und 2011 gerade mit den beiden großen Spitzen der Nahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt zusammenfallen. Auch die Weltbank findet in einem Report aus dem letzten Jahr einen Zusammenhang des Arabischen Frühlings mit den durch Missernten bedingt hohen Nahrungsmittelpreisen plausibel, wenn auch kaum beweisbar.
Was die Lage in Syrien angeht: Fakt ist, dass das Land in den Jahren 2007 bis 2010 von der schlimmsten Dürre in der mehr als 100-jährigen Geschichte der dortigen Wetteraufzeichnungen heimgesucht wurde. Ernten blieben aus, sehr viel Vieh verendete.
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Quelle
KLIMARETTER.INFO | Interview: Joachim Wille 2015 | Stefan Rahmstorf, Jahrgang 1960, ist Ozeanograf und einer der führenden Klimaforscher im deutschsprachigen Raum. Er gehört zu den Leitautoren des 2007 veröffentlichten Vierten Sachstandsberichts des Weltklimarates IPCC. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erforscht er die Wechselwirkungen zwischen Ozeanen und globaler Erwärmung. Im Jahr 2000 übernahm er die Professur für das Fach Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Rahmstorf ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Buchautor und mehrfach ausgezeichnet.