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TU Berlin | Abgestorbene Bäume im Schlosspark Schwetzingen im Frühjahr 2022.

© TU Berlin | Abgestorbene Bäume im Schlosspark Schwetzingen im Frühjahr 2022.

Historische Parkanlagen leiden unter Klimastress

Forschernde der TU Berlin haben erstmals von einem Großteil der historischen Parks und Gärten in Deutschland die Schäden an Gehölzen infolge des Klimawandels erfasst. Bundesweite Studie kommt zu alarmierenden Ergebnissen.

Der Parkschadensbericht liefert eine Grundlage, um zielführend an einer Strategie zur Erhaltung dieses wichtigen Kulturgutes arbeiten zu können. Die Studie „Modellvorhaben Parkschadensbericht. Zustandserfassung der Schäden an Gehölzen in historischen Parks in Deutschland infolge des Klimawandels“ wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Infolge der extremen Wetterphänomene der Jahre 2017, 2018 und 2019 kam es zu massiven Schädigungen in den historischen Parks und Gärten Deutschlands. Vielfach betroffen waren wertvolle alte Gehölze: Es kam zu Astbrüchen, Zusammenbrüchen und Entwurzlungen von Einzelbäumen, aber auch ein Absterben ganzer Baumgruppen und –bestände wurde beobachtet. Als primäre Ursache schienen die Extremwetterereignisse und –perioden verantwortlich zu sein, die als Teil des einsetzenden Klimawandels gedeutet werden.

Erste umfassende Dokumentation

Obwohl dieses Thema immer wieder von verschiedenen parkpflegenden Institutionen – vor allem den großen Stiftungen und staatlichen Gartenverwaltungen – thematisiert wurde, gab es bislang nur Einzelberichte. Eine umfassende Dokumentation und Auswertung zu den Auswirkungen solcher Ereignisse auf die Parks und Gärten in Deutschland fehlte. Dadurch konnte die Gesamtsituation weder objektiv beurteilt werden, noch war eine Entwicklung über die Jahre hinweg nachvollziehbar. Bislang war auch unklar, welche Art von Bäumen besonders geschädigt wurde und ob alle Teile Deutschlands gleichermaßen betroffen sind.

62 Parkanlagen aus 11 Bundesländern untersucht

Die Forscher der TU Berlin haben für den Parkschadensbericht Datensätze von 62 Parkanlagen aus 11 Bundesländern ausgewertet, dazu gehören u.a. der Park von Sanssouci, der Park von Schwetzingen und der Englische Garten in München. Dabei griffen sie auf digitalisierte Katasterdaten zurück, die für die Verkehrssicherheit der Parks (Einschätzung der Bruchgefährdung und Vitalität der Bäume) notwendig sind. Weil eine konsistente digitale Datenpflege manche Verwaltungen überfordert, konnten nicht alle historisch bedeutsamen Parkanlagen in Deutschland einbezogen werden.

Aus den vorhandenen Daten haben die Vegetationsökologen zunächst eine Analyse des Ist-Zustands im Jahr 2022 hergestellt. Ausgewertet wurde die Vitalität der einzelnen Baumarten, der Zustand der Parkanlagen insgesamt und die Abhängigkeit des Zustands von den Umweltparametern Trockenheit, Hitze in den letzten Jahren, Dürregefährdung. Um einen Vorher-Nachher-Vergleich angehen zu können, verglichen die Forscher Spektraldaten der Raumfahrtmission Sentinel-2 des Copernicus Programms der European Space Agency ESA. So konnten sie in acht Parkanlagen den Zustand der Gehölze vor und nach den Hitzejahren 2018 bis 2020 vergleichen.

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TU Berlin | Zurückgenommene Kronen in der Lindenallee im Park Sanssouci. Werden bei Altbäumen Schäden entdeckt, können ihre Kronen gekürzt werden, damit sie weniger verdunsten und mit weniger Wasser auskommen. Das soll weitere Schäden vorbeugen bzw. helfen, dass der Baum wieder ein neues Gleichgewicht zwischen Krone und Wurzel aufbaut.

59 Prozent aller Bäume geht es schlecht

„Wir konnten eindeutig eine Verschlechterung der Situation bei den Bäumen in den vergangenen Jahren feststellen. Dabei waren die Auswirkungen aber auch individuell, d.h. vor allem lokal sehr unterschiedlich bei unterschiedlichen Anlagen. Auch hier zeigt sich wieder, dass man den Klimawandel ernst nehmen muss, sich aber davor hüten sollte, generalisierend überall die gleichen Probleme zu erwarten“, so Studienleiter Norbert Kühn. Zusammen mit seinem Team errechnete er die klimatischen Wasserbilanzen (Niederschlag minus Verdunstung) während der Vegetationsperiode von 2018 bis 2020 und kam zu teils erschreckenden Ergebnissen. Über diese drei Jahre gab es ein Minus von 1057,5 mm in Baden-Baden, 985,8 mm im Park von Schloss Dyck und 985,8 mm in Moritzburg (höchste Werte). Keinen Verlust dagegen hatten die Parks in München (+260,7 mm), Linderhof (+181,5 mm) und Feldafing am Starnberger See (+209,7 mm) zu verzeichnen.

Die Forscher erfassten auch die Vitalität, also die Lebenskraft, von 157.323 Bäumen. Ca. 41 Prozent der Bäume waren vital und kaum beeinträchtigt, ca. 50 Prozent waren leicht bis mittelstark beeinträchtigt und 9 Prozent waren schwer beeinträchtigt bis tot. Das bedeutet: 59 Prozent aller Bäume in diesen historischen Parkanlagen zeigten 2022 Beeinträchtigungen. Die Anzahl der geschädigten Bäume schwankte stark, je nach Parkanlage. Räumliche Tendenzen sind nicht sichtbar. Besonders viele geschädigte Bäume (90 bis 100 Prozent) weisen die Anlagen in Liebenstein, Wiesbaden, Lichtenwalde, Hamburg Jenischpark und Kassel Schönfeld Park auf. Besonders gering geschädigte Bestände (5 bis 25 Prozent) finden sich in Pillnitz, Bad Mergentheim, Großsedlitz bei Dresden, im Stuttgarter Schlossgarten und in Rastatt.

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TU Berlin | Gekürzte Kronen im Berliner Schlosspark Schönhausen 2023.

Zukunftsbaumarten weniger gefährdet

Auch die einzelnen Baumarten waren verschieden stark geschädigt. Bei den Eichen ging es beispielsweise den fremdländischen Arten in der Regel besser (48 bis 58 Prozent ungeschädigt) als den beiden heimischen Arten (14 bzw. 28 Prozent ungeschädigt). Auffallend für die Forscher war, dass die fremdländischen Zukunftsbaumarten, also Arten, die für den Klimawandel in Deutschland favorisiert werden, in der Regel besser abschneiden als heimische Arten. Zu den Baumarten, die Hitzestress und Trockenheit besser vertragen, gehören unter anderem die Flaum- und Zerr-Eiche sowie die Hopfenbuche oder die Silber-Linde.

Gesundheit der Pflanzen nimmt insgesamt ab

In acht Anlagen konnte die Vitalität von 2017 mit der von 2020 verglichen werden. In allen Anlagen nahm die Gesundheit der Pflanzen während dieses Zeitraums ab. Besonders starke Beeinträchtigungen gab es im Hamburger Jänischpark, im Park von Schwetzingen, im Rotehornpark in Magdeburg und im Großen Garten in Dresden. In Sanssouci in Potsdam und in Schloß Dyck konnten einzelne, abgängige Bereiche identifiziert werden. Wenig Veränderungen dagegen gab es im Englischen Garten in München.

Bedeutendes Kulturerbe und Hotspot der Biodiversität

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TU Berlin | Zwei nahezu abgestorbene (heimische) Eichen im Dessauer Georgengarten im Sommer 2023.

„Wir alle sprechen von Dauerhaftigkeit, Biodiversität und Klimaanpassung“, sagt Norbert Kühn, „die historischen Gartenanlagen sind teils über Jahrhunderte liebevoll gepflegt worden. In ihnen haben sich Lebensgemeinschaften bewahrt, die in der umgebenden, intensivierten Landschaft ausgestorben sind. Ihre Bäume binden CO2 und spenden bei Hitze Schatten. Historische Gärten vereinen also all das, was wir für unsere Zukunft brauchen. Es sollte daher eine gesellschaftliche Aufgabe sein, sie auch in Zeiten des Klimawandels für uns alle zu erhalten.“ Auch in dieser Untersuchung wurde deutlich, dass die historischen Parks und Gärten ein Hotspot der biologischen Vielfalt sind. 543 verschiedene Baumarten bzw. Hybriden und 602 Sorten finden sich in den Katasterdaten der 62 untersuchten Anlagen. Zum Vergleich: In ganz Deutschland gibt es nur 92 heimische Baumarten.

Alle Parkanlagen stehen unter Stress

In allen Parkanlagen konnten geschädigte Bäume festgestellt werden (von 5,3 bis zu fast 100 Prozent des Gesamtbestands). Die Hitze und Trockenjahre 2018 bis 2020 haben sich unterschiedlich ausgewirkt. Je nach standörtlicher Vulnerabilität und Wetterverlauf ergeben sich geringe bis sehr starke Auswirkungen. Jedoch konnten in allen untersuchten Parkanlagen Verschlechterungen der Baumgesundheit in diesen Jahren dokumentiert werden. „Die Ergebnisse des Parkschadensberichts sind auch Handlungsauftrag. Weil tiefgreifende Veränderungen für Mensch, Natur und Kulturgut drohen, müssen wir viel konsequenter agieren, damit die Lage nicht noch schlimmer wird“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde.

Quelle

TU Berlin / Technische Universität Berlin 2024

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