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Japan setzt weiter auf Atomenergie – trotz hohem Erdbebenrisiko

Japan setzt in seinem Energiemix zukünftig wieder auf Atomenergie. Auswertung von Dr. Jörg Schmid (IPPNW).

Im Mai 2023 hob die japanische Regierung die technische Laufzeitbegrenzung von 60 Betriebsjahren für die bestehenden Reaktoren auf – einzig Sicherheitsüberprüfungen bestimmen jetzt das Abschaltdatum. Bis 2030 sollen so mindestens 30 Reaktoren wieder Strom einspeisen. Anfang Februar 2024 befanden sich in Japan zwölf Atomreaktoren am Netz, weitere 23 sind betriebsbereit, aber noch abgeschaltet.

Die Hochrisikolage Japans als Erdbebengebiet wird dabei bagatellisiert. Das jüngste Erdbeben am 1. Januar 2024 mit der Stärke 7,6 auf der Halbinsel Noto betraf erneut einen Atomstandort – diesmal das AKW Shika mit zwei noch abgeschalteten Atomreaktoren. Es überschritt deren bauliche Erdbeben-Auslegung und in beiden Reaktoren wurden Transformatoren beschädigt. Noch 2023 hatte die Atomaufsicht bestätigt, dass sich keine geologischen Verwerfungen unter dem AKW befinden – diese Einschätzung wurde durch die Wirklichkeit konterkariert. Insgesamt muss sich die Atomaufsicht Fragen zur eigenen fachlichen Unabhängigkeit bzw. zur Einbindung in die Atompläne der Regierung stellen lassen.

In Fukushima hat die Verklappung des kontaminierten Kühlwassers am 24. August 2023 begonnen – mit Rückendeckung der IAEO, aber gegen den Protest von Pazifik-Anrainerstaaten sowie von regionalen Fischer*innen und Umweltschützer*innen. Das verstrahlte Wasser enthält bei der Einleitung noch zahlreiche die Gesundheit gefährdende Nuklide (u.a. Strontium-90), weshalb über die nächsten Jahrzehnte eine permanente Umweltbelastung des Meeres erfolgen wird.

Weitere Zunahme der Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen

In die aktuelle Veröffentlichung der Fukushima-Schilddrüsenuntersuchung (1) vom November 2023 sind zahlreiche Nachmeldungen von Krebserkrankungen aus 2022 eingegangen, weshalb sich die Anzahl (Inzidenz) der Neuerkrankungen in der fünften Survey-Runde erhöht hat. Neue Daten aus der sechsten Survey-Runde liegen erst rudimentär vor.

Die Inzidenz von Schilddrüsenkrebs betrug bei Personen unter 25 Jahren vor dem Super-GAU in ganz Japan 0,59/100.000 im Jahr. Bezogen auf das ursprüngliche Untersuchungskollektiv von 300.000 Kindern, wären bis heute (2014-2023) etwa 18 erkrankte Kinder zu erwarten gewesen (3 x 0,59 x 10 = 17,7). Demgegenüber wurden nun seit 2014 offiziell 180 Krebsfälle gezählt. Die Inzidenzen (vgl. Tabelle) sind im Mittel um den Faktor 20 höher als erwartet (12,0 / 0,59 = 20,3) .

Politisch besteht kein Interesse an einer umfassenden Datenerhebung oder gar an einem Studiendesign zum Beispiel mit Erhebung bzw. dem Ausschluss von Begleitfaktoren („Confoundern“). Aus der offiziellen Studie fallen diejenigen Kinder heraus, die zwischen den Screenings untersucht oder operiert bzw. an externen Kliniken behandelt wurden. Auch werden Jugendliche von damals, die in die Altersklasse über 25 hineingewachsen sind, seit 2017 in einer separaten Studie (Age 25 Milestone Study) geführt. Seit 2022 werden analog die 30-Jährigen in einer eigenen Studie erfasst und fließen damit ebenso nicht mehr in das Studienergebnis ein. Würden allein diese „ausgelagerten“ Erkrankten hinzugerechnet, kämen noch 35 externe Fälle, 22 Fälle aus der Milestone 25-Studie sowie drei Fälle aus der Milestone 30-Studie hinzu. Insgesamt würde sich so die Gesamtzahl der bisher Erkrankten von 180 auf 205 erhöhen.

Die offizielle Statistik unterschätzt somit die tatsächliche Inzidenz.Es handelt sich um kleine Erkrankungszahlen. Gleichwohl zählen Schilddrüsenveränderungen als ein wichtiger Marker für die gesundheitlichen Folgen eines radiologischen Unfalls. Die Aussage der Universität Fukushima zum Studienergebnis bleibt über die Jahre unverändert: Ein Zusammenhang der Krebserkrankungen mit der radioaktiven Verstrahlung durch den Super-GAU wird nicht gesehen. Damit bleiben die Studienautoren ganz auf Linie der Regierung – eine andere Sichtweise würde die zukünftigen Atompläne Japans gefährden.

(1) http://fukushimavoice-eng2.blogspot.com (letzter Zugriff: 22.01.24)

Quelle

IPPNW 2024 / Dr. Jörg Schmid ist IPPNW-Mitglied und Ansprechpartner für den Arbeitskreis Atomenergie.

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