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Richard Mährlein

© Richard Mährlein

Klimawandel als Chance

Noch immer unterschätzen wir die Risiken des sogenannten „abrupten Klimawandels“. Das liegt auch daran, dass sich die Diskussion sehr auf die dringend zu reduzierende Emission von Treibhausrelevanten Gasen fokussiert. Appelle an uns verhallen aber ebenso, weil wir nur bedingt an dem Dilemma schuld sind. Von Matthias Hüttmann

Denn, so deutlich hat es kürzlich Genevieve Guenther formuliert, „es gibt Menschen, die bereit sind, die Zivilisation zu zerstören und Millionen von Menschen sterben zu lassen, damit das Wirtschaften mit fossilen Brennstoffen weitergehen kann. Wir wissen, wer diese Leute sind. Wir sind nicht diese Menschen.“ Viele von uns haben auch keine andere Wahl, als fossile Brennstoffe bis zu einem gewissen Grad zu nutzen. Auch gibt es sehr viele Regierungen, die dieses Wirtschaften unterstützen. Das sind nicht wir. Das entlässt uns jedoch nicht aus der Verantwortung, so Geni Hackmann, denn „Wir werden von einer unsichtbaren Hand in den Abgrund gezogen, auch weil die entscheidende Mehrheit immer noch genug zu essen hat und dauernd abgelenkt wird.“

Das Drama
Das Hochkomplexe ist für uns nicht zu erkennen. Wir überlassen es der Wissenschaft, zu erklären, warum ein grenzenloses Wachstum nicht möglich ist und unweigerlich in den Kollaps führt. Aber wie können wir darauf vertrauen, dass deren Berechnungen alle Variablen berücksichtigen und das Ergebnis mit der realen Zukunft übereinstimmen wird. Eines ist sicher: Die vielschichtigen Zusammenhänge des Lebens können nicht simuliert oder prognostiziert werden. Heuchlerisch ist es, das zum Anlass zu nehmen, skeptisch zu bleiben und nichts zu tun, ganz nach dem Motto: Solange nichts sicher ist, sollte man nicht unnötig etwas ändern. Eine andere bigotte Ausrede ist das Einfordern nach Lösungswegen von den Entdeckern der Probleme selbst. Es soll der Bote, der sagt, dass es so nicht weitergehen kann, schließlich auch Antworten parat haben. Werden diese geäußert, sind sie in der Regel so unbequem, dass sich das Ganze zu einer Argumentationskette aufschwingt, die rational erklärt, es sei unmöglich, noch die Kurve zu bekommen. 

Der Philosoph Daniel Pinchbeck betrachtet die Sachlage in seinem „Manifest gegen die Apokalypse“ auf einer langfristigeren Zeitachse, wenn er konstatiert, dass die Menschheit zwar in einer globalen Krise stecke, diese aber von uns gewollt und sogar notwendig sei, um uns weiterzuentwickeln. So sagt er, dass wir das alles initiiert haben, um den anstehenden Bewusstseinswandel herbeizuführen. Seine Hoffnung: Wir könnten unsere Welt aus dem postkolonialen Imperium, das auf Gewalt und Profit basiere, das ungerecht und technologiegläubig sei, das Ressourcen verschleudere, Spezies ausrotte und die Umwelt zerstöre, als ob es kein Morgen gäbe, in eine neue weltweite Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung transformieren und alles neu strukturieren.

Die Chance
Eines wird deutlich: Alles hängt zusammen, es gibt keine getrennten Systeme, die man isoliert schützen und bewahren kann. Der Klimawandel ist der Spiegel, der das alles offenbart. Wenn der Klimawandel weiter fortschreitet, wird er, das ist womöglich das Entscheidende, alle tangieren. Bislang waren es immer Dinge, die irgendwo irgend jemanden Anderen betroffen haben. Deshalb liegt die Chance auch in der Problematik selbst, die grenzüberschreitend, national wie auch systemisch ist. Es geht um wissenschaftliche, technische, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Ordnungen. 

Da die große Mehrheit betroffen ist und es immer weniger Privilegierte geben wird, kann das der Moment eines Wandels sein. Soll der rasante Klimawandel gestoppt werden, geht es auch um die Rodung von Wäldern, die Trockenlegung von Mooren und jede andere Veränderung von Lebensbereichen. Will man die Katastrophe nicht erleben, muss es auf allen Ebenen Veränderungen geben. Die Reduktion von CO2 ist da nur ein, wenn auch fundamentaler, Punkt. Es wird immer deutlicher, dass es nicht möglich ist, singulär zu denken, sondern ein Umdenken im Gesamtkontext erforderlich ist. 

Neue Welten entdecken
Die Überwindung des Status Quo in allen Ebenen ist dabei eine große Hürde, aber zugleich auch die Möglichkeit in gänzlich neue Bereiche vorzudringen „Where No One Has Gone Before.“ Wurde bislang gezielt versucht einzelne Spezies, die uns am Herzen liegen, vor dem Aussterben zu retten, scheiterte man regelmäßig, so lange man nicht auch deren Lebensraum bewahren konnte. Anders herum hatten erfolgreiche Schutzmaßnahmen oft zur Folge, dass beiläufig wenig attraktive Lebensformen überleben konnten. Um die große Tragödie zu begrenzen, gilt es die zunehmende Ausbeutung zu beenden, mehr Biodiversität zu ermöglichen, weniger lenkend auf die Natur einzuwirken, mehr Wildnis zuzulassen, Regionen in denen es „Nichts“ gibt, nicht als Freiraum zu betrachten, soziale Verantwortung auch außerhalb unseres Lebensbereichs und Empathie auch für „Nutzloses“ Getier zu entwickeln… sprich, als Menschen, Politiker oder Unternehmer in die Verantwortung zu gehen, die Gehirne einzuschalten und sich von dem Herrschen über das Leben zu verabschieden. Vielleicht schaffen wir es dann auch Ungleichheiten, Konflikte und anderes zu verbessern, denn Klimaschutz ist auch Friedensarbeit!

Quelle

Der Bericht wurde von
der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie
e.V. (Mattias Hüttmann) 2018
 verfasst
– der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 03/2018 |
Das Inhaltsverzeichnis  zum Download!

 

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