Klimawandel könnte Schneechaos begünstigen
Klimaexperten schließen einen Zusammenhang zwischen dem Schneechaos in Bayern und den globalen Klimaveränderungen nicht aus. Weil wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann, kann es auch mehr Niederschläge geben wie Regen – oder Schnee. Hinzu kommt, dass die Temperaturen relativ hoch sind – und den Schnee erst recht zum Problem machen.
Die Lage ist dramatisch. Fünf bayerische Landkreise haben den Katastrophenfall ausgerufen, die Lawinengefahr ist nicht gebannt, viele Straßen sind gesperrt, eine Reihe Zugverbindungen unterbrochen, mancherorts fällt der Schulunterricht aus. Es schneite tagelang.
Das ist in einem normalen Winter nun wirklich kein ganz seltenes Ereignis. Ungewöhnlich ist jedoch, dass die sogenannte Stau-Wetterlage, die das Schneechaos in Bayern, Österreich und der Schweiz versursacht, sehr lange anhält und beständig Niederschläge nachliefert – Winde mit viel Feuchtigkeit kommen von Norden und prallen auf die Gebirge. Zudem ist der Schnee sehr schwer, was aus den relativ milden Temperaturen rund um null Grad in den betroffenen Gebieten herrührt.
Klimaexperten schließen einen Zusammenhang zwischen dem Schneechaos und den globalen Klimaveränderungen nicht aus. Die relativ milden Temperaturen auch in den Alpen passten durchaus in das Bild der Erderwärmung, sagte der Kieler Professor Mojib Latif gegenüber Klimareporter°. „Das ist auch eine Ursache für die große Bedrohung durch den nassen Schnee, denn der ist schwer und gefährdet Bäume und Dächer.“
Wärmere Luft kann grundsätzlich mehr Wasser in Form von Wasserdampf aufnehmen – pro Grad Erwärmung sind es sieben Prozent. Bei entsprechender Wetterlage können deswegen Niederschläge stärker ausfallen – je nach Temperatur entweder als Regen oder eben als Schnee.
„Klimawandel heißt mehr Feuchtigkeit“
„Die Atmosphäre ist wärmer geworden, deshalb gibt es mehr Feuchtigkeit“, sagt auch der Meteorologe Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er verweist darauf, dass die massive Nordanströmung über die Nordsee verläuft, in der für die Jahreszeit noch relativ milde Temperaturen herrschen.
„Das ist das Potenzial für Feuchtigkeit“, so Hoffmann gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. Und diese Windströmung laufe genau gegen die Mittelgebirge und dann gegen die Alpen. Hoffmann zufolge verstärkt der „Gebirgseffekt“ solche Ereignisse. „Man hat quasi Stauniederschläge an der Vorderseite der Gebirge.“
Im Sommer führten diese Niederschläge zu Hochwasser, im Winter zu intensiven Schneefällen. Bei den aktuellen Temperaturen habe man eher nassen Schnee. „Dazu kommt noch das Wechselspiel zwischen Frost und Tau, dadurch wird die Schneelast noch stärker.“
Der Experte verweist darauf, dass 2018 in Deutschland das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war; alle Monate seit April lagen über den Mittelwerten. Das habe auch das Meerwasser stärker als üblich erwärmt, so Hoffmann. „Wenn sich die Strömung klimabedingt verändert und es häufiger zu Nord-Süd-Wetterlagen kommt, verstärkt das den Gebirgseffekt.“
Eine Rolle könnte hier auch das in der Klimaforschung diskutiert Phänomen spielen, dass die Wetterlagen insgesamt dauerhafter werden, weil der „Jetstream“ schwächer wird – ein Starkwindsystem, das entscheidet, wo und wie schnell Hoch- und Tiefdruckgebiete sich vorwärts bewegen. Das Phänomen wurde auch schon im Zusammenhang mit dem lang anhaltenden Hitze- und Trockheitssommer 2018 diskutiert.
Nicht an jedem Schneechaos ist der Klimawandel schuld
Hoffmann hält es für wahrscheinlich, dass extreme Wetterereignisse künftig häufiger auftreten. „Starkregen oder starker Niederschlag in Form von Schnee werden durch den Klimawandel eher begünstigt.“ Das könne im Hochgebirge genau zu den Folgen führen, wie sie jetzt zu sehen sind.
Allerdings warnt der Experte davor, jetzt einfach eine Gleichung „Klimawandel = Schneechaos“ aufzumachen. „Das hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab und ist keinesfalls monokausal.“
Tatsächlich gab es auch in früheren Jahren in den Alpen öfter Winter mit sehr viel Schnee, aber meist bei deutlich kälteren Temperaturen. Der Schnee sei dann leichter gewesen, und das habe „nicht so viele Probleme verursacht“, erläutert der Meteorologieprofessor Peter Höppe gegenüber dem Münchner Merkur. Die aktuelle Lage komme den Menschen auch deswegen so ungewöhnlich vor, weil sie in den vergangenen Jahren eine Reihe von sehr milden Wintern erlebten.
Allerdings habe es zum Beispiel 2006 eine ähnliche Situation mit extrem viel Schnee in Bayern und Österreich gegeben. „Damals gab es große Schäden, unter anderem ist das Dach der Eishalle in Bad Reichenhall aufgrund des hohen Schneedrucks eingestürzt“, sagte Höppe, der früher Leiter der Geo-Risikoforschung der Münchener Rückversicherung war.
Längerfristig, da sind sich die Klimaforscher einig, wird es in Bayern und im restlichen Alpenraum allerdings auf jeden Fall weniger Schnee geben – vor allem in den niedrigeren Lagen. Eine Untersuchung des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft hat gezeigt, dass sich die „Schneedecken-Dauer“ dort bereits von 1950 bis 1995 um bis zu 40 Prozent und in mittleren Lagen um zehn bis 20 Prozent verkürzt hat.
Studien zu den Schweizer Alpen wiederum zeigen, dass die Schneefälle seit den 1980er Jahren beständig abgenommen haben – besonders in Höhen unter 1.300 Metern. Ein Trost für die Menschen, die jetzt unter dem Schneechaos leiden, ist das freilich nicht.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2019 verfasst – der Artikel
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