Klimawandel und Ozeanversauerung sind die größten Bedrohungen der Ozeane
Schutzgebiete sollen die Anpassung an den Klimawandel erleichtern und seine Folgen abmildern.
Klimawandel und Ozeanversauerung sind die größten Bedrohungen der Ozeane. Wissenschaftler leisten mit einer innovativen Kombination von Ökosystemmodellen Planungshilfe für Schutzgebiete, die die Anpassung an Klimawandel und seine Folgen erleichtern.
Die richtige Größe und Platzierung von Schutzgebieten im Meer, die in der Lage sind, die Folgen des Klimawandels abzumildern und die Anpassung an geänderte Lebensbedingungen zu erleichtern, ist eine Herausforderung. Sie kann nur gelingen, wenn wir verstehen, wie die Meeresökosysteme auch in Zeiten des Wandels funktionieren. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der vielen menschlichen Aktivitäten wie Fischerei, Offshore Energiegewinnung, Schifffahrt oder Öl- und Gasförderung.
Alle Elemente der marinen Nahrungsnetze vom Plankton bis hin zu Raubfischen und Meeressäugern sind vom Wandel der Umweltbedingungen und der Wirkung wirtschaftlicher Nutzung direkt oder indirekt betroffen. Allerdings nicht alle gleich stark – und vor allem nicht flächendeckend gleich über die gesamte Nordsee. In einer neuen Studie hat sich nun ein internationales Wissenschaftlerteam der Herausforderung gestellt und Simulationen durchgeführt, wie sich die Ökosysteme in Nordsee und im Nordostatlantik unter Klimawandel und verschiedenen Nutzungsszenarien in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden. Besonders ist dabei der Ansatz, nicht nur die höheren Ebenen der Nahrungspyramide wie Fische oder marine Säuger zu betrachten, die häufig das Ziel von Schonmaßnahmen sind, sondern auch die zukünftige Entwicklung ihrer Nahrungsressourcen.
Dr. Anne Sell und Dr. Friedemann Keyl vom Thünen-Institut für Seefischerei haben ein besonderes Augenmerk auf die kommerziell wichtigen Speisefischbestände gelegt: „Gerade Fische haben einen großen Aktionsradius, der sich nicht an statischen Schutzgrenzen orientiert. Verbreitungsschwerpunkte von Fischbeständen verlagern sich, wenn sich die Verteilung ihrer Nahrungsressourcen oder die klimatischen Bedingungen ändern. Entsprechend werden sich auch Fischereiaktivitäten verlagern, wozu auch neu entstehende Offshore-Windenergieanlagen beitragen. Aktuelle Planungen von Schutzgebieten in der Nordsee berücksichtigen diese langfristige Dynamik im Ökosystem nicht.“
Damit Planer diese künftig einbeziehen können, haben die beteiligten Wissenschaftler ein umfangreiches Ensemble von Modellen verwendet, die jeweils für einzelne Komponenten des Systems, z.B. für bestimmte Fischarten, Entwicklungen beschreiben, die unter den Zukunftsszenarien des International Panel of Climate Change (IPCC) zu erwarten sind. So konnten sie Zonen identifizieren, die als „hotspots of change“ den stärksten Änderungen unterliegen werden – also am sensibelsten auf den Klimawandel reagieren und Zonen, die sich auch unter Klimawandel nur langsam verändern. Viele der erstgenannten Gebiete gehören zu den produktivsten Regionen im Nordostatlantik und werden vielen Arten eine neue Heimat bieten, während die stabileren Gebiete für Ökosystemkomponenten, die sich dem rapiden Wandel nur langsam anpassen können, Ruhepole darstellen.
Beide Komponenten sind also für die Anpassungen der Ökosysteme an den Klimawandel und seine Folgen von entscheidender Bedeutung. Ersteres trifft etwa auf die südliche Küste Norwegens und den Übergang von der Nordsee ins Skagerrak zu, während die erweiterte Deutsche Bucht in der südlichen Nordsee in die Kategorie der sich nur wenig und langsam ändernden Gebiete fällt.
Um potenzielle Konflikte hervorzuheben, stellten die Forscher der räumlichen ökologischen Analyse die geplanten Nutzungen gegenüber, z.B. den Bau von Windkraftanlagen oder die Einrichtung von Meeresschutzgebieten. Die Autoren dieser Studie plädieren dafür, den langfristigen Veränderung der Meeresökosysteme in der zukünftigen Nutzungsplanung Priorität einzuräumen, damit Gebiete besonders hoher Produktivität wie auch Gebiete besonderer Stabilität ihren zentralen Rolle für die Anpassung und das Funktionieren der Ökosysteme gerecht werden können.
Dr. Friedemann Keyl und Dr. Anne Sell waren als Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Seefischerei maßgeblich an der Analyse beteiligt, die im Rahmen des EU-Projekts „Vectors of Change in Oceans and Seas Marine Life, Impact on Economic Sectors“ (VECTORS) entstanden ist. Mit ihrer Analyse haben die Forscher eine Grundlage geschaffen, um zukünftige Entwicklungen in den Meeresökosystemen der Nordsee in den politischen Planungsprozessen berücksichtigen zu können.
Quelle
Bundesforschungsinstitut für
Ländliche Räume, Wald und Fischerei | 2016