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Mangrovenwälder – ein übersehener Baustein im Klimapuzzle

Noch sind sie gut gerüstet gegen steigenden Meeresspiegel, der Verlust von Mangrovenwäldern hätte aber unangenehme Folgen. Von Daniela Gschweng

Hätte der Mensch nicht eingegriffen, wären die meisten tropischen und subtropischen Küsten der Erde grün. «Typisch» weisse Bilderbuchstrände sind oft Küstenabschnitte, an denen Mangrovenwald gerodet oder trockengelegt wurde. Ein touristisches Highlight, aber ein ökologischer Fehler, wie sich vielerorts herausstellt.

Als Mangroven zählen gegen 70 Arten von Büschen und Bäumen, die in der Brackwasserzone leben. Sie kommen mit Salzkonzentrationen zurecht, an denen die meisten anderen Pflanzen eingehen würden. Zweimal täglich überflutet zu werden, macht ihnen nichts aus. Mit Stürmen werden sie gut fertig, weil ihr Wurzelgeflecht gleichzeitig fest und flexibel ist. Dabei befestigen sie die Küsten und nehmen die Energie grosser Wellen auf.

Unbeachteter CO2-Schlucker

In der Klimabilanz werden Mangroven oft vernachlässigt, dabei speichern sie drei- bis fünfmal so viel CO2 wie Wälder an Land. Das sind wichtige Eigenschaften in der fortschreitenden Klimakrise. Ausgerechnet die Erderwärmung könnte den Küstenwäldern jedoch den Garaus machen – wenn der Meeresspiegel zu schnell steigt.


© pixabay.com | hbieser | Mangrovenwurzeln – hier an der australischen Küste – haben eine typisch gebogene Form.

Die Wurzeln der Mangrovenbäume sichern nicht nur die Befestigung, sie sind auch Atmungsorgan. Im Schlick, in dem sie stecken, gibt es den für ihre Zellbildung notwendigen Sauerstoff nicht ausreichend. Die Magroven bilden deshalb sogenannte Pneumatophoren, die wie ein Schnorchel funktionieren und Sauerstoff von der Wasseroberfläche aufnehmen können.

Gegen den steigenden Meeresspiegel sind die Mangroven eigentlich gut gewappnet, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Steigt das Wasser zu sehr, ertrinken sie. Das hat eine Gruppe von Forschern aus Australien, Singapore, China und den USA herausgefunden.

In der im Magazin «Science» publizierten Studie untersuchte sie Sediment-Datenbanken aus einer Zeit, in der der Meeresspiegel viel stärker stieg als heute. Vor etwa 10’000 Jahren stieg das Wasser in Folge der Gletscherschmelze um bis zu 10 Millimeter pro Jahr; erst vor 4’000 Jahren stabilisierte sich der Meeresspiegel. Derzeit steigt er um etwa drei Millimeter pro Jahr.

Ein Millimeter macht den Unterschied

«Die gute Nachricht ist, dass Mangrovenwälder einen deutlich höheren Meeresspiegelanstieg verkraften können, als wir ihn derzeit haben», sagt der Hauptautor der Studie, Neil Saintilan von der Macquarie University in Australien gegenüber «Newsweek» . Die schlechte Nachricht: Ab einem Anstieg von sechs bis sieben Millimeter kommen Mangroven mit dem Wachstum nicht mehr nach. Steigt der Wasserspiegel schneller, können sie sich nicht halten und gehen ein. Für Mangroven, die auf Korallenriffen wachsen, könnte das laut Saintilan schon ab einem Zuwachs von 5 Millimeter pro Jahr der Fall sein.

Unter dem Strich bedeutet das, dass wir mit fortschreitender Klimaerwärmung einen Grossteil der Mangroven verlieren werden. Nach derzeitigen Prognosen wird sich der jährliche Anstieg des Meeresspiegels bis 2050 auf sechs bis sieben Millimeter pro Jahr verdoppeln. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 sieht vor, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu begrenzen. Wenn sich die Menschheit an dessen Vorgaben hält, würde der Meeresspiegel nur um fünf Millimeter steigen. Danach sieht es jedoch derzeit nicht aus.

Verlust an Artenvielfalt und eine Bedrohung für Küstenbewohner

An vielen Orten ist bereits sichtbar, was eine Vernichtung der Mangrovenwälder bedeutet. Neben dem Klimawandel sind sie auch durch Siedlungsbau und Wasserverschmutzung bedroht. Besonders oft werden sie gerodet, um Garnelenzuchtbecken anzulegen, die nach einigen Jahren die Umgebung mit Chemikalien verseucht haben. Ein Hort für Malaria-übertragende Moskitos sind Mangrovenwälder übrigens– entgegen populärer Annahmen – nicht. Zumindest so lange nicht, wie der Tidehub das Wasser in Bewegung hält. Mücken bevorzugen stehende Gewässer wie Fischteiche, schlecht gewartete Bewässerungsanlagen oder Reisfelder. Mit schwankenden Salzkonzentrationen kommen ihre Larven schlecht zurecht.

Mangroven reagieren auf steigende Pegel normalerweise, indem sie sich weiter ins Festland verlagern. Anders als vor 10’000 Jahren ist ihnen der Weg ins Festland aber heute versperrt. Dort liegen Küstenbefestigungen, Siedlungen, Strassen, Industrieanlagen oder Felder.

Zwei gute Gründe, sich an das Pariser Abkommen zu halten

Mit den Mangrovenwäldern ginge nicht nur ein Kohlenstoffspeicher, sondern auch ein grosser Teil der Artenvielfalt verloren. Das für Menschen eher unwirtliche schlammig-grüne Wurzelgeflecht und Geäst der Mangroven ist für Tiere ein Paradies. In ihren Ästen leben Reptilien, Insekten und Vögel, das Wurzelgeflecht dient als Laichgrund für viele Fischarten. Mehr als 100 Millionen Menschen sind direkt von den Ökosystemen der Mangrovenwälder abhängig, zum Beispiel durch Fischerei. Immerhin dürfen diese hoffen, dass Mangroven, die warmes Wasser bevorzugen, in Zukunft auch weiter nördlich Fuss fassen.

© Mangrovenwälder bedecken laut dem «WWF» 140’000 Quadratkilometer der tropischen Küstenräume. (Bild: Wikimedia, CC)

Luftbilder grosser Überflutungen zeigen deutlich, dass es an Küsten mit grossen Mangrovenwäldern weniger Zerstörungen gibt. Eine Welle verliert bis zu 66 Prozent ihrer Höhe, wenn sie auf einen Mangrovenwald trifft, wie er an den Küsten Floridas, Australiens oder Indonesiens wächst. Steigt das Wasser zu stark, fällt in 20 oder 30 Jahren ein grosser Teil des Küstenschutzes in den Warmwassergebieten der Welt weg.

Das ist für Menschen ein durchaus bedrohliches Szenario. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt weniger als 150 km von einer Küste entfernt. Der Grossteil der urbanen Zentren befindet sich in der Nähe der Küsten. Extremwetterereignisse wie Taifune und Hurricanes werden laut vieler Prognosen in Zukunft stärker und häufiger auftreten.

Weiterführende Informationen

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Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „INFOsperber.ch“ (Daniela
Gschweng) 2020
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