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© pixabay.com | brlgachtal | Der Fuchs ist in Städten recht häufig anzutreffen.

Natur in der Stadt tickt anders

Wie überleben und entwickeln sich Tiere und Pflanzen in der Stadt? Die Stadtökologie ist ein schnell wachsendes Forschungsgebiet.

Eine Landkarte stadtökologischer Forschung gibt Überblick

Um Orientierung im Informationsdschungel zum Großstadtdschungel zu bieten, hat ein Team unter Leitung des IGB und der Freien Universität Berlin (FU Berlin) 62 Forschungshypothesen zur Stadtökologie in einer wissenschaftlichen Landkarte verortet. Darunter sind Annahmen wie die vom idealen Stadtbewohner, dem wagemutigen Städter, vom Leben auf Pump oder von der biologischen Monotonie der Städte. Wie belastbar die Hypothesen sind und auf welche Städte sie zutreffen, muss die Forschung noch zeigen. Die Übersicht bietet dafür eine wichtige Grundlage. Sie ist als offene Wikidata-Datei frei verfügbar.

Die Urbanisierung nimmt weltweit zu. Um Städte nachhaltiger zu gestalten und die Biodiversität auch außerhalb von Naturschutzgebieten zu erhalten, widmet sich die Forschung in den letzten Jahren verstärkt der Stadtökologie.

So wird zum Beispiel vermutet, dass sich einige Lebewesen aufgrund bestimmter Eigenschaften schneller und besser an die Bedingungen in der Stadt anpassen können als andere. Lernfähigkeit, Mobilität und Flexibilität zählen etwa darunter. Bekannt ist auch, dass Tiere wie Eichhörnchen und Vögel in städtischen Gebieten oft mutiger auftreten als ihre Artgenossen auf dem Land. Oder dass die Populationsdichten in Städten zwar höher sind, sich das aber nicht positiv auf die Artenvielfalt auswirkt. Gezielt Erkenntnisse zu diesen und weiteren Hypothesen zusammenzutragen, ist ein Ziel des Projekts.

„In Städten entstehen teilweise völlig neuartige Ökosysteme, dabei hat jede Stadt ihre eigene Geschichte, ihre eigenen klimatischen, landschaftlichen, aber auch kulturellen Gegebenheiten. In jeder Stadt läuft sozusagen ein eigenes ökologisches und evolutionsbiologisches Experiment ab. Die verschiedenen Erkenntnisse und Hypothesen zu bündeln und herauszufinden, wie übertragbar sie sind, ist eine Herausforderung“, erläutert Dr. Sophie Lokatis die Grundsätze der Stadtökologie. Sie hat am IGB und der FU Berlin promoviert und die Studie geleitet.

Landkarte aus wissenschaftlichen Hypothesen bildet das Gerüst für zielgerichtete Forschung

Das Team aus Stadtökolog*innen hat in dieser Studie 62 Hypothesen zur Stadtökologie identifiziert und sie in einer wissenschaftlichen Landkarte, einem sogenannten Hypothesen-Netzwerk, verortet. Diese Landkarte kann mit Informationen aus empirischen Studien verknüpft werden. Damit wollen die Wissenschaftler*innen dazu beitragen, dass die Forschung in diesem schnell wachsenden Bereich effizienter wird, vorhandene Erkenntnisse einfacher gefunden und Chancen für Kooperationen genutzt werden sowie Forschungsarbeiten besser aufeinander aufbauen.

„Wir stellen unsere Hypothesen-Übersicht offen in Wikidata zur Verfügung und hoffen, dieses Projekt in Zukunft kooperativ weiterzuentwickeln“, erklärt Prof. Jonathan Jeschke, der am IGB und an der FU Berlin forscht und Mitautor der Studie ist. „Städte können einiges tun, um die Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Wir wollen von Seiten der Forschung dazu beitragen, das Wissen über die beste Vorgehensweise leichter verfügbar zu machen“, ergänzt Dr. Tina Heger, IGB-Forscherin und ebenfalls leitende Autorin der Studie. Gemeinsam mit Jonathan Jeschke hat sie die Plattform www.hi-knowledge.org initiiert, auf der ein Netzwerk von Hypothesen zur Invasionsbiologie veröffentlicht ist.

Das stadtökologische Hypothesen-Netzwerk ist in vier Hauptthemen unterteilt: Eigenschaften und Evolution städtischer Arten; städtische Lebensgemeinschaften; städtische Lebensräume und städtische Ökosysteme.

5 faszinierende Hypothesen zur Stadtökologie

Um zu veranschaulichen, welche Forschungshypothesen es zur Natur in der Stadt gibt, haben wir beispielhaft 5 Hypothesen ausgewählt. Wie belastbar die Hypothesen sind und auf welche Städte sie zutreffen, muss die weitere Forschung noch zeigen.

Die Idee vom idealen Stadtbewohner

Einige Lebewesen passen sich aufgrund bestimmter Eigenschaften schneller und besser an die Bedingungen in einer Stadt an als andere. Das Hauptaugenmerk dieser Hypothese liegt darauf, vorherzusagen und zu erklären, welche Merkmale Arten, die in städtischen Gebieten leben, charakterisieren, und wie sich die Arten an die städtische Umwelt anpassen, beispielsweise durch eine schnelle Lernfähigkeit, Mobilität oder größere Flexibilität in Bezug auf ihre Nahrung.

© pixabay.com / Jon Pauling

Die wagemutigen Städter

Man hat herausgefunden, dass sich Tiere auch im Verhalten anpassen: sie sind in städtischen Gebieten eher mutiger als in nicht-städtischen Gebieten. Das konnte beispielsweise schon für Eichhörnchen und Vögel gezeigt werden. Dabei nimmt die Wachsamkeit ab und die Fluchtdistanz sinkt.

Die Kreditkartenhypothese

Diese Hypothese besagt, dass die geringere Variabilität der Ressourcen und das geringere Risiko, gefressen zu werden, höhere Populationsdichten in städtischen Gebieten ermöglicht. Das liegt daran, dass viele schwache Konkurrenten überleben können, obwohl sie in schlechter körperlicher Verfassung oder weniger erfolgreich bei der Fortpflanzung sind. Diese für Stadtvögel aufgestellte Annahme heißt Kreditkartenhypothese, weil die städtische Umgebung es den Tieren ermöglicht, „auf Pump zu leben“.

Das Dichte-Diversitäts-Paradoxon in Städten

In biologischen Gemeinschaften mit zunehmender Populationsdichte nimmt in der Regel auch die Anzahl der Arten zu. Obwohl die Populationsdichte in Städten in der Regel höher ist, ist die Artenvielfalt dort geringer als in naturbelassenen Gebieten.

Biotische Homogenisierung von Städten

Durch die Globalisierung ähneln sich nicht nur die Geschäfte, egal in welcher Stadt man sich gerade befindet, auch die Arten in Städten auf der ganzen Welt gleichen sich mit fortschreitender Urbanisierung an.

Doch wie auch immer die Natur in der Stadt aussieht, es gibt immer Möglichkeiten, sie zu schützen und zu fördern und so ganz eigene und besondere urbane Ökosysteme entstehen zu lassen.

Quelle

Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) im Forschungsverbund Berlin e.V. 2023

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