Neue Bilanz für das Wasser im Toten Meer
Klimawandel könnte Wasserressourcen in Jordanien stärker betreffen als in Israel und Palästina.
Die Trinkwasserressourcen auf der Jordanischen Ostseite des Toten Meeres könnten durch den Klimawandel stärker zurückgehen als auf der Israelisch-Palästinensischen Westseite. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam, das die Wasserflüsse des Toten Meeres bilanziert hat. Die natürliche Neubildung des Grundwassers würde sich durch geringere Niederschläge in Zukunft drastisch reduzieren, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt Science of the Total Environment.
Bereits heute reichen die verfügbaren Grundwasserressourcen in der Region nicht aus, um den wachsenden Wasserbedarf von Bevölkerung und Landwirtschaft zu decken. Eine weitere Verschärfung der Lage könnte daher starke soziale, ökonomische und ökologische Folgen für die Region haben.
Wichtige Daten für die Wasserversorger
Eine zuverlässige Bestandsaufnahme ist die Basis für eine nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen rund um das Tote Meer im Grenzgebiet Israel/Palästina/Jordanien. Der am tiefsten gelegene See der Erde ist nicht nur eine der wichtigsten Touristenattraktionen im Nahen Osten, auf die unterirdischen Wasserressourcen in dessen Einzugsgebiet sind auch mehr als vier Millionen Menschen angewiesen. Die komplexe Hydrologie der Region barg lange große Unsicherheiten in der Wasserbilanz der Region und birgt diese zum Teil noch immer.
Durch verbesserte Computersimulationen konnten die Wissenschaftler nun erstmals überregional ermitteln, wieviel Wasser tatsächlich im Untergrund versickert und damit die Grundwasserspeicher regeneriert. Es sind etwa 281 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Damit ist jetzt auch die Menge bekannt, die maximal entnommen werden dürfte, um diese Ressource nachhaltig zu bewirtschaften.
Ein kompliziertes Puzzle aus vielen Einzelteilen
Zur Wassergewinnung wurde seit den 1960iger Jahren ein Großteil der Zuflüsse des Toten Meeres aufgestaut, um zu vermeiden, dass das kostbare Nass im Salzsee verloren geht. Diese scheinbare Rettung von Wasser hat aber zur Folge, dass der Wasserspiegel des Sees um etwa einen Meter pro Jahr absinkt und mit ihm die Grundwasserpegel, wodurch Jahrtausende alte Süßwasserquellen versiegen. Soviel war bisher sicher. Unklar war jedoch, wie sich die Absenkung auf die nutzbaren Grundwassermengen genau auswirkt. Deshalb kombinierte das Team von Forschern aus Deutschland, Israel, Jordanien und Palästina im Forschungsprojekt SUMAR in den vergangenen fünf Jahren umfangreiche Vor-Ort-Messungen, Fernerkundungsmethoden und Computermodellierungen.
Weg des Wassers detektivisch nachverfolgt
Die Quellen am und im Toten Meer wurden mithilfe von Infrarotsensoren per Flugzeug und Satellit sowie mit chemischen und isotopischen Methoden untersucht. „Insbesondere durch die Analyse von Seltenen Erden konnten wir die Herkunft des Wassers und dessen Wege durch den Untergrund verfolgen. So konnten wir nicht nur 37 Stellen lokalisieren, an denen Grundwässer ins Tote Meer strömen, sondern kennen nun auch deren individuelle Geschichte. Das war wichtig, um herauszufinden, wieviel Süßwasser unterirdisch in den Salzsee fließt und damit nicht mehr für die Trinkwasserversorgung zur Verfügung steht“, berichtet Dr. Christian Siebert vom UFZ.
„Gerade die letzte Passage, bevor das aus dem Gebirge kommende Wasser den See erreicht, hat uns lange beschäftigt. Hier mischen sich aus der Tiefe aufsteigende Salzwässer hinzu, Salzminerale lösen sich. Aber gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Institutes in Bremen sind wir auch den biogeochemischen Prozessen auf die Spur gekommen, welche die Grundwässer nachhaltig verändern“, so der Hydrogeologe.
Computermodelle ermöglichen eine Gesamtbilanz
Alle verfügbaren Daten landeten schließlich in Computermodellen, die die Situation des knapp 7.000 Quadratkilometer großen unmittelbaren Einzugsgebietes des Toten Meeres so genau wie nie zuvor wiedergeben konnten. Die größten Herausforderungen bestanden in der unregelmäßigen Besiedelung und der damit verbundenen lückenhaften Datenlage. Während in und um Ballungszentren wie Jerusalem und Amman die Dichte an Messstationen sehr gut ist, gibt es weite Landstriche, die nur sehr dünn besiedelt sind, damit wenig Brunnen und auch kaum Daten zur Geologie oder Meteorologie. Doch insbesondere der Regen ist von großer Bedeutung.
Die Region ist gekennzeichnet von kurzen, intensiven Niederschlägen, die häufig auf engstem Raum fallen. Deshalb wurden eigene Messstationen errichtet, um zusätzlich die daraus resultierenden Sturzfluten quantifizieren zu können. Am Grenzfluss Jordan entstand zudem eine umfangreiche Pegelmessstation in der Nähe einer der Taufstellen, zu der jedes Jahr Tausende Christen pilgern.
Düstere Prognosen für die Zukunft
Mithilfe der Modelle konnten die Wissenschaftler auch erstmals Aussagen zur möglichen Entwicklung der für die Region lebenswichtigen Grundwasserressourcen treffen: Im westlichen (israelisch-palästinensischen) Teil fällt fast doppelt soviel Niederschlag wie im östlichen (jordanischen) Teil des Einzugsgebietes. Entsprechend ist die Grundwasserneubildung momentan im Westen etwa 50 Prozent höher als im Osten. Klimaszenarien rechnen in der Zukunft mit einem Rückgang des jährlichen Niederschlages um etwa 20 Prozent.
Das hätte zur Folge, dass nur noch die Hälfte der Menge in den Untergrund gelangen würde, die heute diese wichtigen Ressourcen auffrischt. Mit etwa 45 Prozent weniger ist in der israelisch-palästinensischen Westbank zu rechnen, während die jordanische Ostseite des Toten Meeres sogar fast 55 Prozent weniger Wasser zur Verfügung hätte. Vor allem in Jordanien könnte sich die soziale und ökonomische Situation also weiter verschärfen.
Recycling als Ausweg aus der Wasserkrise
Wasser sparen und wiederverwenden könnte daher ein Lösungsansatz sein, den UFZ-Forscher zusammen mit israelischen, palästinensischen und jordanischen Kollegen weiter entwickeln: So wurde im Forschungsprojekt SMART nach Wegen gesucht, um die Wasserversorgung im Nahen Osten zu stabilisieren. Das UFZ hat dazu neue Konzepte zur dezentralen Reinigung von Abwasser entwickelt und maßgeblich am Wassermasterplan Jordaniens, einem der wasserärmsten Länder der Welt, mitgearbeitet. Dabei wurde viel Wert auf die Anpassung des Abwasser-behandlungskonzeptes an die lokalen Bedingungen und die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Verantwortlichen vor Ort gelegt und eigens ein Implementierungsbüro im Jordanischen Wasserministerium in Amman eingerichtet.
Forschung wird fortgesetzt
Nach dem Abschluss des SUMAR-Projektes werden die Untersuchungen inzwischen im Rahmen des Projektes DESERVE (DEad SEa Research VEnue) von den Helmholtz-Zentren KIT (Karlsruhe), GFZ (Potsdam), UFZ (Halle) und lokalen Partnern fortgeführt. Ziel der Meteorologen, Hydrogeologen, Geologen und Geophysiker ist es, die Umweltrisiken, die Wasserverfügbarkeit und den Klimawandel ganzheitlich zu betrachten, um Lösungsansätze für eine einmalige Region zu bieten, damit nicht nur die biblischen Stätten auch in Zukunft noch besucht werden können, sondern auch die Menschen in dieser Region weiterleben können.
Eine stabile Wasserversorgung ist also auch ein entscheidender Beitrag zur Befriedung des Nahen Ostens. Ob dies einmal der geplante Kanal leisten wird, der Wasser aus dem Roten ins Tote Meer leiten soll, ist noch völlig offen. Die möglichen Folgen dieses Wasserimports sehen Wissenschaftler wie Christian Siebert kritisch: „So können wir nicht sicher sein, ob sich das viel leichtere Ozeanwasser mit dem 10-fach salzigeren Wasser des Toten Meeres vermischt und welche biologischen und chemischen Prozesse ablaufen werden.“ Und auch die Auswirkungen auf die umliegenden Grundwässer sind umstritten.
Quelle
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ 2014