Neue Studie: Kohlekraftwerke stoßen zu viel Stickoxide aus
In einer neuen Studie haben die Klima-Allianz Deutschland und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland untersuchen lassen, wie viel Stickoxide (NOx) die größeren deutschen Kohlekraftwerke ausstoßen und wie der Ausstoß des giftigen Gases gesenkt werden könnte.
Das Ergebnis der Ökopol-Studie: 73 Prozent der Braunkohlekraftwerke, darunter Blöcke von Neurath und Niederaußem am Tagebau Hambach, schaffen nicht einmal das Mindestniveau der neuen EU-Standards. Würden die Blöcke mit einem Katalysator ausgestattet, könnten ihre Stickoxid-Emissionen um mehr als die Hälfte oder 55.700 Tonnen pro Jahr gesenkt werden. Die Studie zeigt, dass die ältesten Kraftwerksblöcke auch die dreckigsten und gesundheitsschädlichsten sind. Für Klima-Allianz Deutschland und BUND folgt daraus, dass diese Blöcke im Zuge eines Kohleausstiegs als erstes vom Netz gehen sollten.
„Jeder PKW muss die Stickoxide in seinen Abgasen mindern. Für Braunkohle-Kraftwerke gilt dies bislang nicht. Die deutsche Energiewirtschaft hat seit zwanzig Jahren nichts getan, um ihren Stickoxidausstoß zu mindern. Braunkohlekraftwerke verursachen zwei Drittel des Gesamtausstoßes an Stickoxiden der Kohlewirtschaft. Die Kraftwerksbetreiber versuchen nun, eine ambitionierte Umsetzung der neuen EU-Schadstoffgrenzen zu verhindern. Wenn die Bundesregierung dem nachgibt, schadet sie der Umwelt und setzt die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel. Kohlekraftwerke müssen entweder strenge Schadstoffgrenzen einhalten oder abgeschaltet werden“, erklärt Fabian Hübner, Kohle-Experte der Klima-Allianz Deutschland.
Die Ergebnisse der Studie dürften auch die Mitglieder der Kohlekommission interessieren. „Die Entscheidung über einen Fahrplan für den Kohleausstieg muss Hand in Hand mit den neuen EU-Vorschriften zur Luftreinhaltung gehen. Die Kohlekommission braucht konkrete Angaben von der Bundesregierung, wie ambitioniert die neuen EU-Schadstoffgrenzen in Deutschland umgesetzt werden. Dies wäre ein wichtiger Baustein für den Ausstiegsfahrplan, den die Kommission vorschlagen soll. Aber die Bundesregierung lässt ihre Kommission weiter im Dunkeln tappen“, erklärt Tina Löffelsend, Energie-Expertin beim BUND. Mit Katalysatoren können die Stickoxide aus der Braunkohleverbrennung auf weniger als ein Drittel der heutigen Emissionen reduziert werden. Nur Kraftwerke, bei denen sichergestellt wäre, dass sie nur noch wenige Jahre laufen, könnten mit weniger aufwendigen Maßnahmen davonkommen. „Das bedeutet aber zugleich mehr Schadstoffausstoß“, warnt Löffelsend.
Auch Steinkohlekraftwerke könnten der Ökopol-Studie zufolge ihre NOx-Emissionen noch einmal um knapp die Hälfte mindern, wenn sie ihren Katalysator voll ausschöpften. Für sie ist ein Katalysator bereits seit den 1980er Jahren Pflicht. Die Kosten für zusätzliche Maßnahmen zur Entstickung, sei es durch Katalysator-Technik oder nur durch die Eindüsung von Harnstoff oder Ammoniakwasser, sind insgesamt sehr gering. Sie bewegen sich im Bereich von 0,036 Cent pro Kilowattstunde, wenn jeweils nur die eine oder andere Technik eingesetzt würde. „Das sind äußerst geringe Kosten für einen großen Gewinn für die Gesundheit der Bevölkerung. Ausnahmen von der Regel sind daher nicht zu rechtfertigen,“ so Hübner. „Scheuen die Betreiber den technischen Aufwand, sollten sie ihre Anlagen vorzeitig stilllegen.“
Für die Studie wurden die NOx-Emissionsdaten von 40 Braunkohlekraftwerken und 68 Steinkohlekraftwerken ab 100 MW elektrischer Leistung bei den Betreibern abgefragt und vom Beratungsinstitut Ökopol ausgewertet. Sie enthält neben den Kostenabschätzungen auch Empfehlungen für die Umsetzung der neuen EU-Schadstoffgrenzen in deutsches Recht. Die technische Umsetzung muss mit einem klaren Ausstiegsfahrplan verbunden werden. In alle Kraftwerke, die noch mehrere Jahre laufen, sollten die Betreiber einen Katalysator einbauen, damit sie die ambitioniertesten Schadstoffgrenzen einhalten.
Hintergrund: Die deutschen Kohlekraftwerke stoßen erhebliche Mengen giftiger Stoffe wie Schwefel, Stickoxid und Quecksilber aus und belasten damit die Luft und Gesundheit der Menschen in ganz Europa. Die EU-Mitgliedsstaaten haben deshalb neue Schadstoffgrenzen für Kohlekraftwerke beschlossen. Diese müssen ab 2021 eingehalten, in Deutschland aber zuvor konkretisiert und in nationales Recht umgesetzt werden. Die Bundesregierung hat die gesetzliche Umsetzungsfrist im August verstreichen lassen.
Die Studie können Sie hier herunterladen.
Quelle
Klima-Allianz Deutschland 2018 | Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland 2018