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pixabay.com | HeikoStein

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Studie beleuchtet Hitzestress in Wäldern

Dichtes Blätterdach schützt vor steigenden Temperaturen – Ökologen der Universität Jena erforschen in internationalem Team die Klimaerwärmung des Waldes.

Ein Großteil aller landlebenden Tier- und Pflanzenarten weltweit lebt in Wäl­dern und dort oft im Unterwuchs oder im Boden. Standardisierte Wetterstationen, die wertvolle Informationen zur Klimaerwärmung sammeln, stehen allerdings in der Regel auf freiem Feld und messen Temperaturen in etwa zwei Meter Höhe. Die von ihnen geliefer­ten Daten sind somit für den Wald – eines der wichtigsten Ökosysteme der Erde – nur bedingt aussagekräftig. Denn wie jeder weiß, der schon einmal im Schatten von Bäumen spazieren gegangen ist, herrscht hier ein anderes Klima. Ein internationales Forschungs­team hat nun erstmals die Klimaerwärmung unter dem Kronendach – und damit den Un­terschied zum Freiland – mit handfesten Zahlen bestimmt. Ihre Ergebnisse veröffentlich­ten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter ihnen Experten der Friedrich-Schiller-Universität Jena, im renommierten Forschungsmagazin „Science“.

Datenschatz aus 100 Wäldern weltweit

Die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung der Eidgenössischen Forschungsan­stalt für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz und der Universität Cambridge berichten, dass die im freien Feld gemessene Klimaerwärmung die Temperaturent­wick­lung unter dem Blätterdach nur unzureichend wiedergibt. Denn wird das Kronendach dichter, verringert es für die darunter lebenden Organismen die Klimaerwärmung. Lichtet es sich, wird es sprunghaft wärmer. „Das ist wichtig zu wissen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität zu verstehen. Außerdem können wir somit auch die Konsequenzen für die Verjüngung der Bäume nachvollziehen, denn die Temperaturun­terschiede beeinflussen ebenso die nachwachsenden Bäume, die den Fortbestand des Waldes in seiner jetzigen Form sichern“, erklärt Dr. Markus Bernhardt-Römermann von der Universität Jena, der als Mitglied des Leitungsteams des einzigartigen internationalen Netzwerks forestREplot gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an 100 Standorten weltweit Daten gesammelt hat. Berücksichtigt wurden auch Wälder aus Deutschland, insbesondere aus Thüringen. Die Waldökologen maßen die Temperaturen im Waldesin­neren und kombinierten diese in einem Computermodell mit bis zu 80 Jahre zurückrei­chenden Informationen über die Baumkronendichte des Waldes.

Rückstand bei der Klimaanpassung

Auf die im Wald lebenden Arten kann der Temperaturunterschied zwischen Freiland und dem kühlenden Blätterdach der Bäume allerdings gravierende Auswirkungen haben: „Sämt­liche Organismen haben ein Temperaturoptimum, in dem sie am besten gedeihen. Wenn sich das Klima erwärmt, profitieren wärmeliebende Arten und verdrängen die an kühlere Bedingungen angepassten“, erklärt Markus Bernhardt-Römermann. „Das Tempe­raturoptimum von Waldorganismen liegt jedoch deutlich unter den tatsächlich gemesse­nen Temperaturen. Das bedeutet: Sie passen sich nicht so schnell an die generell verän­derten klimatischen Bedingungen an. Stattdessen leben viele Arten – in Bezug auf den globalen Klimawandel – in einem zunehmend suboptimalen Temperaturbereich.“

Das bedeutet, dass ein Verlust der schützenden Baumkronen – etwa durch Schädlingsbefall, Sommertrockenheit oder durch die Forstbewirtschaftung – eine zusätzliche, drastische Er­wär­mung für die darunter wachsenden Pflanzen nach sich ziehen würde, auf die sie schlecht vorbereitet sind. Plötzlich läge ihr bisher kühler, schattiger und meist auch luftfeuchterer Standort viel öfter und länger in der brütenden Hitze. Gleichzeitig trocknet der Boden aus. Viele Arten könnten sich nicht schnell genug anpassen, würden von wärmeliebenden Arten verdrängt und möglicherweise lokal aussterben.

Angesichts der zu erwartenden Zunahme von sommerlichen Hitzewellen und Dürreperio­den in Europa dürfte dies die Waldbiodiversität verändern, aber auch zu Schwierigkeiten bei der Verjüngung vieler Baumarten führen. „Eine zu starke Auflichtung des Kronenda­ches sollte – wo immer es möglich ist – vermieden werden“, sagt der Jenaer Ökologe. Vielmehr sollten Waldbewirtschafter die Auswirkungen von Forsteingriffen auf die Klima­bedingungen im Waldesinnern und deren Einfluss auf das gesamte Ökosystem berück­sich­tigen.

Original-Publikation:
F. Zellweger, P. de Frenne, J. Lenoir, P. Vangansbeke, K. Verheyen, M. Bernhardt-Römermann, L.  Baeten, R. Hédl, I. Berki, J. Brunet, H. van Calster, M. Chudomelová, G. Decocq, T. Dirnböck, T. Durak, T. Heinken, B. Jaroszewicz, M. Kopecký, F. Máliš, M. Macek, M. Marek, T. Naaf, T. Nagel, A. Ortmann-Ajkai, P. Petřík, R. Pielech, K. Reczyńska, W. Schmidt, T. Standovár, K. Świerkosz, B. Teleki, O. Vild, M. Wulf, D. Coomes et. al. (2020): „Forest microclimate dynamics drive plant responses to warming“, Science, DOI: 10.1126/science.aba6880

Quelle

Friedrich-Schiller-Universität JENA 2020

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