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Trotz alarmierendem Artensterben: Keine Agrarwende in Sicht

Der Zustand der Artenvielfalt in Europa ist alarmierend. Dies wurde nun einmal mehr mit der Veröffentlichung des aktuellen „Berichts zur Lage der Natur“ der Europäischen Umweltagentur deutlich. Maßnahmen, die dem Rückgang entgegensteuern sollen, greifen nicht. Als hauptverantwortlich für den Rückgang wird immer wieder die intensive Landwirtschaft ausgemacht. Mitte des Jahres machte die neue „Farm to Fork“-Strategie der EU Hoffnung auf eine Kehrtwende. Diese Hoffnung hat nun einen schweren Schlag erlitten: Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ist nicht dazu geeignet, das Artensterben aufzuhalten.

Regelmäßig erreichen uns neue wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, wie schlecht es um die Artenvielfalt steht. Und trotzdem wird kaum etwas dagegen unternommen. Zwar gibt es Vorschläge von Seiten der Politik, die den Zustand der Artenvielfalt verbessern sollen und die zum Teil auch verpflichtend umgesetzt werden müssen. Doch bisher sind diese halbherzigen Bestrebungen ohne Wirkung geblieben. Als Hauptverantwortliche für den Artenrückgang wird immer wieder die intensive Landwirtschaft identifiziert.

Wenn wir das Artensterben noch aufhalten wollen, muss dringend gehandelt werden: Wir brauchen jetzt die Agrarwende hin zu einer umwelt- und gesundheitsfreundlichen Landwirtschaft! Ein „weiter wie bisher“ hätte fatale Folgen. Nicht nur für die Natur, sondern auch für uns Menschen. Denn: unsere Lebensgrundlagen sind bedroht! Es steht schlecht um Lebensräume wie Moore und Wälder

Dies zeigt deutlich der im Oktober erschienene „Bericht zur Lage der Natur in Europa“ der Europäischen Umweltagentur (EEA). In den Bericht sind Daten über den Zustand von Lebensräumen und Arten aus allen 28 Mitgliedstaaten in den Jahren 2013-2018 eingeflossen. Die Ergebnisse sind alarmierend: In der gesamten EU steht es nicht nur schlecht um einzelne Artengruppen wie zum Beispiel Vögel, sondern um ganze Lebensräume wie Moore, Grünland oder Wälder. Über 80 Prozent der Lebensräume befinden sich EU-weit in einem unzureichenden oder schlechten Zustand.

Dass es immer weniger Vögel gibt, ist schon länger bekannt. Verbessert hat sich trotzdem nichts – im Gegenteil: Der Anteil der Vogelarten mit unzureichendem und schlechtem Populations-Zustand ist seit dem letzten Bewertungszeitraum von 32 Prozent auf 39 Prozent gestiegen. Der Anteil der Vogelarten mit einem guten Populationszustand ist dagegen um fünf Prozent gesunken und liegt derzeit lediglich bei 47 Prozent.

Als Hauptursache für den schlechten Zustand, sowohl bei Lebensräumen als auch bei einzelnen Arten, wird abermals die Landwirtschaft ausgemacht. Dies liege zum einen am Ausmaß der landwirtschaftlichen Bodennutzung und zum anderen an den veränderten landwirtschaftlichen Praktiken: Seit den 1950er Jahren werde die Landbewirtschaftung immer intensiver. Damit einher geht laut dem Umweltbundesamt der Einsatz von Pestiziden, starke Düngung, der Verlust von Landschaftselementen, enge Fruchtfolgen und der Verlust von artenreichem Dauergrünland. Dadurch nehme die Artenvielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen immer weiter ab. Das Ergebnis: Nur noch zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Lebensräume befinden sich in einem guten Zustand.

Zwar gibt es einige wenige Positivbeispiele wie den Pardelluchs, das Waldren und den Fischotter, die sich aufgrund umfassender Erhaltungsprojekte wieder erholen konnten. Doch die für den Zeitraum der vergangenen zehn Jahren beschlossene Biodiversitätsstrategie 2020 und auch die sogenannten „Greeningmaßnahmen“, die in der derzeitig gültigen Fassung der gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) festgelegt sind, konnten den Artenschwund insgesamt nicht aufhalten. Neue Hoffnung „Farm to Fork“-Strategie

Neue Hoffnung machte die sogenannte „Farm to Fork“-Strategie („Vom Hof auf den Tisch“), die Mitte des Jahres von der EU-Kommission veröffentlicht wurde. Die Strategie ist ein Teil des Europäischen „Green Deal“, ein umweltpolitischer Gesetzesvorschlag auf EU-Ebene. Ziel der Strategie ist es, das europäische Lebensmittelsystem gesünder und nachhaltiger zu gestalten. Um das zu erreichen, soll etwa der Einsatz von gefährlichen Pestiziden bis 2030 halbiert werden. Nährstoffverluste sollen ebenfalls um 50 Prozent reduziert werden, der Einsatz von Düngemitteln um 20 Prozent. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, die ökologische Landwirtschaft als umweltfreundliche Form der Landbewirtschaftung weiter auszubauen: Bis 2030 soll ein Viertel der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in der EU ökologisch bewirtschaftet werden.

Zwar könnten die Ziele noch deutlich ambitionierter sein, doch immerhin schien die EU-Kommission erkannt zu haben, dass nicht einfach so weiter gemacht werden kann wie bisher. Zudem schien sie sich ernsthaft damit zu beschäftigen, wie drängende Probleme im Bereich Landwirtschaft angegangen werden können.

Diese Hoffnung hat vergangene Woche einen schweren Schlag erlitten: Das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten haben eine desaströse Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik (GAP) für die nächsten sieben Jahre durchgewunken.

Die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die die Ratspräsidentschaft für die Agrarreform inne hat, handelte den Kompromiss zur GAP-Reform mit den Mitgliedstaaten aus und bezeichnete das Ergebnis mehrfach als „Meilenstein“ und „Systemwechsel“. Tatsächlich rückt der Kompromiss eine dringend benötigte Agrarwende in weite Ferne, mindestens für weitere sieben Jahre.

Neue GAP: Keine Agrarwende in Sicht

Die Gemeinsame Agrarpolitik macht den größten Posten des EU-Haushalts aus. In den kommenden sieben Jahren soll die europäische Landwirtschaft mit fast 400 Milliarden Euro gefördert werden. Der größte Teil dieser Fördergelder wird auch in Zukunft verteilt werden, ohne dass die Empfänger:innen nennenswerte Umweltauflagen einhalten müssten.

Die Gelder werden weiterhin nach Größe der Betriebe verteilt – je größer ein Betrieb ist, desto mehr Geld erhält er also. 60 Prozent der Zahlungen sollen weiter nur nach Fläche ausgezahlt werden. Zwar sollen 20 bis 30 Prozent der Gelder in Umweltleistungen (sogenannte „Eco-Schemes“) fließen. Diese sind für die Landwirt:innen zum einen jedoch nicht verpflichtend. Zum anderen fällt unter Umweltleistung etwa auch die Präzisionslandwirtschaft, die Landbewirtschaftung durch Nutzung digitaler Technik noch effizienter machen soll. Doch Effizienz beinhaltet nicht unbedingt, dass die Umwelt dadurch geschont wird. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten weitgehend selbst entscheiden können, wie Umweltleistungen gestaltet sein sollen.

Noch sind die Verhandlungen um die GAP nicht abgeschlossen. Rat und Europaparlament müssen sich noch auf einen einheitlichen Text einigen. Die neue GAP soll dann ab 2023 probeweise in Kraft treten.

Allerdings bleibt noch die Möglichkeit, wenigstens auf nationaler Ebene strengere Umweltauflagen umzusetzen. Agrarministerin Klöckner und Umweltministerin Schulze müssen sich dieser großen Verantwortung jetzt stellen und umgehend eine Agrarwende einleiten. Der Einsatz von Ackergiften muss gestoppt werden und Monokulturen dürfen nicht weiter unser Landschaftsbild dominieren. Dass die Erzeugung von Lebensmitteln auch anders geht, zeigt die ökologische Landwirtschaft. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass ökologisch bewirtschaftete Flächen deutlich artenreicher sind als konventionell bewirtschaftete. Vielfältige Fruchtfolgen, der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und auf Kunstdünger schaffen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Jetzt aktiv werden!

Wir fordern eine 100% ökologische Landwirtschaft in Deutschland und Europa, ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide. Nur damit können wir Natur, Umwelt, Biodiversität und unsere eigene Gesundheit wirklich schützen. Unterschreiben Sie jetzt unsere Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ und senden Sie ein Signal nach Brüssel: Die Menschen in Europa wollen die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt. Wir brauchen einen Wiederaufbau der natürlichen Ökosysteme in landwirtschaftlichen Gebieten, sodass die Landwirtschaft zu einer Quelle der Vielfalt wird!

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Quelle

Umweltinstitut München e.V. 2020

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